• 15.11.2023 11:31

  • von Roland Hildebrandt

50 Jahre BMW 2002 turbo: Pionier mit Pech

Er war das erste deutsche Serienfahrzeug mit Turbo, aber ein Flop: Vor einem halben Jahrzehnt debütierte der BMW 2002 turbo mitten zur Ölkrise

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Man neigt sehr schnell dazu, ein Auto als Flop abzutun. Aber die Gründe des Scheiterns können vielfältiger Natur sein: Falsche Prognosen, schlechte Planung, miese Qualität, ein zu hoher Preis, ein missratenes Design. Oder schlicht der falsche Zeitpunkt des Marktstarts. So wie vor 50 Jahren beim BMW 2002 turbo.

Titel-Bild zur News: BMW 2002 turbo

BMW 2002 turbo Zoom

Der BMW 2002 turbo war zwar nicht das erste Serienfahrzeug mit Aufladung, hier gab es bereits Modelle aus den USA. Aber ihm gebührt die Ehre, noch vor dem Porsche 911 Turbo das erste deutsche Serienauto mit Turbo gewesen zu sein. Wobei die Serie überschaubar blieb: Gerade einmal 1.672 Exemplare entstanden von September 1973 bis Juni 1975.

Angetrieben wird der BMW 2002 turbo vom bewährten Vierzylinder, der auch die Typen 2002 ti (1968-1972) und 2002 tii (1971-1975) zu veritablen Sportlern machte. Der Reihenmotor M10 mit zwei Litern Hubraum gilt als verlässlich. Im 2002 ti entwickelt er 88 kW (120 PS) bei 5.500 Umdrehungen pro Minute, im 2002 tii leistet er mit Saugrohreinspritzung von Kugelfischer 96 kW (130 PS) bei 5.800 U/min.

Erste Erfolge mit Turbo auf der Rennstrecke

Für mehr Leistung käme zwar ein Sechszylinder in Betracht, doch ihn überlässt man dem damals neuen 5er und der E3/E9-Oberklasse. Auch, weil er kaum in den 02 hineinpasst und diesen kopflastig machen würde. Das Thema bespielte erst der Nachfolger E21 alias erster 3er ab 1975, den es ab 1977 als 320 und 323i gab.

Bereits 1969 hatte BMW einen Turbo-Nullzwei mit Aufladung gebaut, mit diesem 280 PS starken Fahrzeug wurde Dieter Quester Tourenwagen-Europameister. Unter der Entwicklungsnummer E20 entstand schließlich der zivile 2002 turbo.

Ein Turbolader der Firma Kühnle, Kopp und Kausch (KKK) lieferte zusätzliche 40 PS und 63,5 Nm, das Resultat waren 125 kW (170 PS) bei 5.800 U/min und 240 Nm bei 4.000 Touren. Um die Pferdestärken sicher wieder einzufangen, kamen an den Vorderrädern innenbelüftete Scheibenbremsen zum Einsatz und an der Hinterachse größere Trommelbremsen als beim Serienpendant.

In sieben Sekunden von 0 auf 100

Als Werksangabe nannte BMW für den 1.080 Kilogramm schweren 2002 turbo 7,0 Sekunden auf 100 km/h und 211 km/h Höchstgeschwindigkeit. Aus heutiger Sicht keine wahnsinnigen Werte, doch vor 50 Jahren konnte man damit in der Beschleunigung einen Porsche 911 S abhängen. Sofern man den Motor über 4.000 dreht, denn das Turboloch konnte der Autor dieser Zeilen bereits am Steuer eines BMW 2002 turbo erleben. Erst dann zischt der Wagen richtig ab, darunter gibt er sich so brav wie ein 1602.


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Oder wie es der 2002-turbo-Club heute schreibt: "Allerdings war die damalige Turbotechnik noch unausgereift. Der Lader des turbo hatte kein Wastegate wie es heute üblich ist und neigte so schnell zur Überhitzung.

Aufgrund des fehlenden Wastegates mußte der Lader relativ groß gewählt werden um bei Vollast nicht zu überdrehen. Dies hatte aber ein sehr großes Turboloch zur Folge, da der große Lader erst bei hohen Drehzahlen so richtig in Fahrt kam. Unterhalb von 3000 Umdrehungen hatte der turbo somit eher die Fahrleistungen des viel schwächeren 1602 um dann ab etwa 3.500 Umdrehungen schlagartig voran zu preschen."

Protziger Auftritt gefällt nicht allen

Das sah danals auch die Presse so und lästerte zudem über die etwas zu dick aufgetragene Kriegsbemalung und damals ungewohnte Bespoilerung der ersten Fahrzeuge. Dort prangte der Schriftzug "2002 turbo" in Spiegelschrift auf dem Frontspoiler, damit der zu Überholende im Rückspiegel sah, wer vorbeiwollte.

Cockpit des BMW 2002 turbo

Cockpit des BMW 2002 turbo Zoom

Das war zu viel für manchen, zumal im Herbst 1973 der Ölkrise, als die Spritpreise auf ein Niveau hochschnellten, welches heute über drei Euro entsprechen würde. Sogar im Bundestag wird der optische Auftritt des 2002 turbo zum Thema. Letztlich kommt der Aufdruck nie nennenswert zum Einsatz. Was sichtbar bleibt, sind die charakteristischen Blau-Violett-Rot-Töne der BMW Motorsport GmbH, dem Vorgänger der M GmbH. Als Karosseriefarben sind lediglich Weiß oder Silber vorgesehen.

Zum Sargnagel des BMW 2002 turbo wird nicht einmal so sehr der höhere Verbrauch, sondern neben dem ungünstigen Zeitpunkt seines Erscheinens vor allem der gesalzene Preis. Satte 18.720 DM sind zum Marktstart, ein 2002 tii ist über 4.000 Mark günstiger. Für das gleiche Geld bekäme man auch eine Mercedes 250 Limousine ...

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So bleibt der 2002 turbo eine Rarität, die heute an der 100.000-Euro-Marke kratzt. Ungefähr mit dem Auslaufen des 2002 turbo lanciert BMW ein völlig gegensätzliches Modell: Der 1502 kommt mit 75 PS zum Preis von 11.390 DM als Sparmodell auf den Markt. Mit Erfolg: In nur zwei Jahren entstehen über 77.000 Fahrzeuge.

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