• 27.05.2013 06:30

  • von Pete Fink

Zehn Verletzte: Harvick siegt im Charlotte-Marathon

Kevin Harvick entreisst Kasey Kahne einen schon sicher geglaubten Sieg im Coca-Cola 600 - Zwischenfall mit einer TV-Kamera fordert zehn verletzte Zuschauer

(Motorsport-Total.com) - Der Marathon-Mann auf dem Charlotte Motor Speedway heißt Kevin Harvick. In seiner typischen Manier, die ihm bereits vor Jahren den Spitznamen "Mr-Where-Did-He-Come-From?" einbrachte, lief der 37-jährige Childress-Pilot erst ganz spät im Coca-Cola 600 zu seiner Höchstform auf und bezwang im Schlussspurt den bis dato dominierenden Kasey Kahne (Hendrick-Chevrolet; 2.). Die Entscheidung fiel beim letzten Boxenstopp, als Leader Kahne draußen blieb und die Meute noch einmal zum Reifenwechseln abbog.

Titel-Bild zur News: Kevin Harvick

Coca-Cola 600: Kevin Harvick gewinnt nach Richmond sein zweites Saisonrennen Zoom

Auf seinen alten Goodyear-Gummis hatte der Hendrick-Pilot beim folgenden Restart das Nachsehen. Harvick enteilte an der Spitze und Kahne musste sich stattdessen gegen die vehementen Angriffe von Kurt Busch erwehren. Der ältere Busch-Bruder brachte seinen schwarzen Furniture-Row-Chevrolet als sehr guter Dritter ins Ziel. Das längste aller Sprint-Cup-Saisonrennen dauerte fast fünfeinhalb Stunden, bis am frühen Montagmorgen die Entscheidung gefallen war.

Ein wesentlicher Grund dafür war ein genauso kurioser wie gefährlicher Zwischenfall: In Runde 126 löste sich das Steuerseil einer hoch über der Start-/Zielgeraden angebrachten TV-Kamera. Die Nylonseile beschädigten mehrere Sprint-Cup-Boliden, darunter den zu diesem Zeitpunkt führenden Gibbs-Toyota von Kyle Busch. Gleichzeitig wurden insgesamt zehn Zuschauer verletzt, von denen drei in zwei nahegelegene Krankenhäuser gebracht werden mussten. Nach Auskunft des Charlotte Motor Speedways handelt es sich glücklicherweise ausschließlich um leichte Verletzungen.

Kyle Busch (38.) konnte nach einer 15-minütigen Reparaturpause tatsächlich weiterfahren, fiel aber im weiteren Rennverlauf nach einem Motorschaden aus. Das Kommando übernahm anschließend sein Gibbs-Teamkollege Matt Kenseth, der jedoch im Rahmen einer Gelbphase zunächst aus der Führungsrunde herausfiel, und später das unschuldige Opfer einer von mehreren Kollisionen wurde. Dieser Unfall wurde durch einem Quersteher von Jimmie Johnson (Hendrick-Chevrolet; 22.) verursacht, auch Juan Pablo Montoya (Earnhardt/Ganassi-Chevrolet; 18.) war darin verwickelt.


Fotos: NASCAR in Charlotte


Klassisch Harvick ...

Nachdem Kyle Busch und Kenseth aus dem Rennen genommen waren, schien die Bahn frei für Kasey Kahne zu sein, dem dritten dominierenden Piloten dieser langen Sprint-Cup-Nacht. Doch die elfte und letzte Gelbphase kam dem 33-Jährigen dazwischen: Kahne büsste seinen Vorsprung von rund sechs Sekunden ein und wurde an der Boxeneinfahrt ausgetrickst. "Da kann man als Führender nichts dagegen machen", war sein lapidarer Kommentar. "Wäre ich an die Box gegangen, wären alle anderen draußen geblieben."

Gerissenes Seil

Bizarr: Die Streckenposten sammeln die Reste des gerissenen Seils ein Zoom

Es kam, wie es kommen musste: Harvick gewann den Restart und ließ sich danach die Butter nicht mehr vom Brot nehmen. "Das war eine dieser Nächte, in der du nur die Zähne zusammenbeißen kannst und schauen musst, dass du in der Führungsrunde bleibst", kommentierte der Kalifornier. Bereits vor zwei Jahren kam er recht unverhofft zum Sieg im Coca-Cola 600, als Dale Earnhardt Jr. in der letzten Kurve der letzten Runde der Sprit ausging. "Damals war ich eingangs der letzten Runde noch Dritter und habe gewonnen."

Rang vier ging an Denny Hamlin, der letztlich der einzige Gibbs-Pilot blieb, der das 600 Meilen lange und knallharte Ausscheidungsrennen von Charlotte schadlos überstand. Penske-Pilot Joey Logano wurde als Fünfter bester aus der Ford-Flotte vor dem Stewart/Haas-Duo Ryan Newman (6.) und Tony Stewart (7.), die sich im Rennverlauf irgendwie aus allen Scharmützeln heraushalten konnten. Gleiches gilt für das Waltrip-Duo Clint Bowyer (8.) und Martin Truex Jr. (9.). Marcos Ambrose (Petty-Ford) hingegen war ebenfalls eines der Opfer des bizarren Zwischenfalls mit dem Seil der TV-Kamera. Der Australier kämpfte sich auf Rang zehn zurück.


Der Crash mit Jeff Gordon und Mark Martin

War das Coca-Cola 600 zunächst gekennzeichnet von langen Green-Flag-Runs, so kippte das Renngeschehen nach der Roten Flagge in Runde 126 zusehends in Richtung Chaos. Fast parallel zu Kyle Busch ("Es war einfach ein katastrophaler Motorschaden") erwischte es in Runde 256 auch Dale Earnhardt Jr. (Hendrick-Chevrolet; 39.), auf dessen Öl Greg Biffle (Roush-Ford; 31.) mit ins Verderben gerissen wurde. Dies war nur der Auftakt, denn danach schepperte es quasi im Minutentakt.

Viele Crashes gegen Rennende

In Runde 319 gerieten Ricky Stenhouse (Roush-Ford; 14.), Danica Patrick (Stewart/Haas-Chevy; 29.) und NASCAR-Champion Brad Keselowski (Penske-Ford; 36.) aneinander, nur fünf Umläufe später krachte es unter anderem mit Mark Martin (Waltrip-Toyota; 34.), Jeff Gordon (Hendrick-Chevy; 35.) und Aric Almirola (Petty-Ford; 33.). Die Aufräumarbeiten hatten die zweite Rote Flagge der Charlotte-Nacht zur Folge und in Runde 333 geschah schließlich der Quersteher von Jimmie Johnson, der Montoya und Kenseth mit ins Verderben riss.

Jimmie Johnson

"Big-One": Jimmie Johnson (48) dreht sich und nimmt Montoya und Kenseth (li.) mit Zoom

Kurt Busch erlebte in dieser Phase einen kompletten Stromausfall und musste von einem Abschleppwagen an seine Box geschoben werden. Nach einem Batteriewechsel blieb er tatsächlich in der Führungsrunde und kämpfte sich von Platz 22 zurück auf drei. Da passte es perfekt ins Bild dieses zermürbenden NASCAR-Klassikers, dass das Renngeschehen zum Schluss, als alles schon gelaufen schien, tatsächlich noch einmal komplett kippte.

So war Richard Childress einer der großen Triumphatoren, der General-Motors-Rennchef Jim Campbell nach dem Indy-500-Erfolg von Tony Kanaan eine SMS geschickt hatte, in der er den Coca-Cola-Sieg ankündigte. "Und wir haben unser Wort gehalten", strahlte Childress in der Victory Lane von Charlotte. Der für das Kamera-Fiasko verantwortliche TV-Sender 'Fox' kündigte in der Zwischenzeit eine genaue Untersuchung über die Umstände des Zwischenfalls an.


Der Crash mit Danica Patrick und Brad Keselowski

In der Sprint-Cup-Gesamtwertung hatte die aufreibende NASCAR-Schlacht von Charlotte keine Auswirkungen: Johnson führt vor Roush-Pilot Carl Edwards (in Charlotte solider Elfter) und Kenseth. Hinter Bowyer verbesserte sich Kahne auf Rang fünf und hinter Earnhardt machte Sieger Harvick einen großen Satz auf Platz sieben. Am kommenden Wochenende riecht es schon wieder nach einem aufregenden Rennen, denn dann gastiert der Sprint-Cup-Tross auf der "Monster-Mile" von Dover. 'Motorvision TV' überträgt auch dieses Rennen am Sonntagabend wieder live.