Was macht die NASCAR so schwierig?
Dario Franchitti und A.J. Allmendinger berichten über die Probleme, die ein NASCAR-Umsteiger auf den US-amerikanischen Speedways erfahren muss
(Motorsport-Total.com) - Rückblende Herbst 2007: Kurz hintereinander erklären mit Patrick Carpentier, Dario Franchitti, Sam Hornish Jr. und Jacques Villeneuve vier international renommierte Formelpiloten ihren Wechsel in die NASCAR. Juan Pablo Montoya und A.J. Allmendinger sind bereits eine Saison lang aktiv, und die leicht verschreckten US-Amerikaner sprechen von einer Open-Wheel-Invasion.

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A.J. Allmendinger ist nicht der einzige NASCAR-Wechsler in Problemen
Nur ein halbes Jahr später ist von dieser anfänglichen Herrlichkeit der Monoposto-Piloten herzlich wenig übriggeblieben. Einzig Montoya fährt konstant in die Top 20 und verbucht von dort aus ab und zu einen Ausreißer nach oben, wie etwa vor einigen Wochen mit seinem zweiten Platz in Talladega.#w1#
Villeneuve hat seine NASCAR-Ambitionen nach nur einem - gescheiterten - Qualifikationsversuch in Daytona aufgrund Sponsorenmangels mehr oder weniger komplett auf Eis gelegt, während Franchitti und Hornish um einen Platz in den Top 35 kämpfen, der für Carpentier und Allmendinger wiederum in weite Ferne gerückt zu sein scheint.
Aber worin genau liegt nun das Problem der Formel-Asse, wenn der europäische Otto Normalverbraucher in Sachen Motorsport immer noch mit einem lächelnden Auge auf die vier vermeintlich simplen Linkskurven der NASCAR blickt. Denn eigentlich müssten die von Monaco und Spa-Francorchamps gestählten Formelpiloten den NASCAR-Stars um die Ohren fahren - und nicht umgekehrt.
Mindestens drei bis vier Jahre

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Auch Dario Franchitti musste sich an schnelles und schweres Gerät gewöhnen Zoom
Antworten gibt es dafür viele. "Diese Autos sind einfach extrem schwer und haben im Prinzip keinerlei Abtrieb", erklärte Franchitti am Wochenende des Coca-Cola 600 gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Dazu kommt, dass man 500 Runden lang jede einzelne Kurve mit einer absoluten Perfektion zu fahren hat, denn zwischen dem Spitzenreiter und dem Letzten liegt nicht einmal eine halbe Sekunde."
Die Konkurrenz ist also riesig und das Reglement kann da nur wenig helfen. "Die Segmente, innerhalb derer wir uns bewegen können, sind geradezu winzig", weiß der Schotte. Dazu kommt, dass es in der NASCAR keinerlei technische Hilfsmittel, wie etwa ein vollautomatisches Getriebe, oder eine bewegliche Aerodynamik gibt, ganz geschweige von einer erfinderischen Gewichtsverteilung.
Eine nur hinter vorgehaltener Hand formulierte allgemeine Faustformel - die so simpel wie ganz offensichtlich zutreffend ist - lautet, dass ein Erfahrungsvorsprung auf den NASCAR-Ovalen von zehn, zwanzig oder noch mehr Jahren von den Quereinsteigern frühestens in drei oder auch vier Saisons aufgeholt werden kann.
Denn die Piloten, die ihre Jugendjahre auf den unterschiedlichsten Dirt-Tracks in jedem noch so verschlafenen Winkel der USA verbracht haben, und sich erfolgreich gegen die große Konkurrenz der zahllosen Youngsters durchsetzten, kennen eine erfolgreiche Herangehensweise bestens. Und genau gegen diese Creme-de-la-Creme fahren nun die NASCAR-Einsteiger.
Plus: Durch das neue Car of Tomorrow ist das schon vorher eingeengte Reglement noch strikter geworden. Nun entscheiden winzige Kleinigkeiten über Erfolg oder Misserfolg, wie auch A.J. Allmendinger aus eigener leidvoller Erfahrung zu berichten weiß, denn seine NASCAR-Karriere 2008 fand teilweise auf der Ersatzbank statt.
Wie eine Achterbahnfahrt

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Ein kleiner Lichtblick - A.J. Allmendingers Premierensieg im Sprint-Showdown Zoom
"NASCAR war für mich bisher eine einzige Achterbahnfahrt", machte Allmendinger keinen Hehl aus seinen Erfahrungen der vergangenen eineinhalb Jahre. "Es ist unglaublich schwer. Ich denke, dass dieses hier die Serie ist, in der es weltweit gesehen am engsten zugeht."
"Das ist mit großem Abstand das Auto, mit dem ich am meisten Probleme hatte zu lernen, wie ich es fahren muss", versicherte der Red-Bull-Pilot. "Dieses Auto ist extrem schnell und extrem schwer. Das Fahrverhalten ist nicht gut, und wenn sich das Wetter und die Strecke ändern, dann ändert sich sofort auch das Auto."
"Dazu kommt noch, dass es in der NASCAR ganz verschiedene Linien gibt, die man in einem Rennverlauf benutzen kann. In der Formel 1 oder bei den IndyCars ist man mehr oder weniger auf eine Linie angewiesen. Das ist hier nicht der Fall. Aber im Prinzip ist das Auto einfach nicht besonders gut und in Sachen Problembehebung kann man nicht viel machen. Es ist einfach extrem schwierig."
Dabei ist es bei weitem nicht so, dass Franchitti und Allmendinger über keinerlei Ovalerfahrung verfügen. Der Schotte fährt bereits seit 1997 in den USA, während der Red-Bull-Pilot mittlerweile seit Oktober 2006 ausschließlich in der NASCAR beschäftigt ist. Doch die NASCAR ist eine gänzlich andere Motorsportwelt und wenn die Faustregel zutrifft, dann müssen sich Franchitti und Co. noch eine Weile in Geduld üben.

