• 24.09.2007 14:23

  • von Pete Fink

Villeneuve zieht erste Zwischenbilanz

Nach drei Tests und einem ersten Truck-Rennen akklimatisiert sich Jacques Villeneuve in der NASCAR-Szene - im Gespräch über Unterschiede zur Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Nach Juan Pablo Montoya kommt mit Jacques Villeneuve ein zweiter ehemaliger Formel-1-Star in die amerikanische NASCAR-Szene. Nach drei Tests hat der Kanadier nun sein erstes Rennwochenende in einem NASCAR-Truck absolviert. Zeit für eine erste Zwischenbilanz, nachdem Villeneuve sein neues Renngerät in Vorbereitung auf den Nextel-Cup 2008 mit Position 21 einigermaßen heil ins Ziel brachte.

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve

Jacques Villeneuve ist schon fast in der NASCAR angekommen

Frage: "Jacques, was sagst du zum Gerücht, dass du von Ferrari ein 758-Seiten starkes Buch über Bill-Davis-Racing bekommen hast?
Jacques Villeneuve: "(lacht; Anm. d. Red.) Das ist ein tolles Gerücht."#w1#

Frage: "Nein ernsthaft. Hast du in Zusammenhang mit deinem NASCAR-Wechsel viel Support von deiner privaten Umgebung bekommen oder waren die Menschen eher skeptisch?"
Villeneuve: "Ich spreche zwar nicht soviel mit meiner Umgebung über solche Themen, ganz enge Freunde und Familie einmal ausgenommen. Aber die waren sehr angetan von dieser Idee."

Oval-Erfahrung sehr hilfreich

Jacques Villeneuve

Seine Ovalerfahrung ist von großem Nutzen in der NASCAR Zoom

Frage: "Es hat den Anschein, als dass du dich an diese Art von Rennfahren sehr schnell anpassen kannst. Mit deinen Tests in Chiacgo, Kentucky und Talladega hast du viele Leute überrascht. Warum konntest du dich so schnell akklimatisieren?"
Villeneuve: "Wahrscheinlich weil ich vor zehn Jahren in der ChampCar-Serie schon viel auf den Ovalen gefahren bin. Auch die Indy 500 brachten mir ein gutes Ergebnis ein und auch in der Formel 1 gibt es sehr schnelle Autos. Man muss viel mit seinem Team arbeiten und immer konzentriert und fokussiert bleiben. Hier ist es das Gleiche, auch hier muss man hart mit seinem Team arbeiten."

"Doch einen großen Unterschied konnte ich schon feststellen. Jeder ist hier freundlich und redet mit dir über alles Mögliche. Die Leute sind nett, es gibt keine seltsamen Geheimnisse und das ist ein ganz toller Aspekt. Das macht das Arbeiten viel einfacher. Aber am Ende des Tages ist ein Rennauto ein Rennauto. Du wirst festgeschnallt und drehst am Lenkrad."

Frage: "Machte es - verglichen mit den Tests - einen Unterschied, als plötzlich so viele Trucks auf der Strecke waren?"
Villeneuve: "Natürlich. Wenn viele Trucks auf der Strecke sind, dann kannst du plötzlich sehen, wer schneller ist als du, und warum. Du kannst deine eigene Linie ein wenig anpassen und das ist sehr gut. Denn außer Talladega waren bei allen meinen Tests kaum Autos auf der Strecke und du hattest das Gefühl, dass du ziemlich alleine unterwegs warst. So waren Dinge wie zum Beispiel eine echte Analyse etwas schwer."

Wie kommt man schnell auf Speed?

Dale Earnhardt Jun. Jacques Villeneuve

CoT-Tests in Talladega - erste Erfahrungen mit dem Windschatten Zoom

Frage: "Wie stand es um den Windschatten? Konntest du hier einige Dinge ausprobieren und wo sind die Unterschiede zu Talladega?"
Villeneuve: "Ein bisschen konnte ich herumprobieren, aber es macht dich in jedem Fall schneller. Deine Rundenzeiten gehen um ein paar Zehntel herunter, aber man hat mich davor gewarnt, zu nahe an deine Gegner heranzukommen, denn dann nimmt man dir die Luft weg und du drehst dich. Von daher habe ich es etwas ruhig angehen lassen."

Frage: "Dein Rennanzug sieht etwas groß aus. Hast du Gewicht verloren oder ist er dir zu groß?"
Villeneuve: "(Lacht; Anm. d. Red.) Nein, ich hatte immer schon große Rennanzüge. Du hast mehr Platz und das war in einem Formel-1-Cockpit praktischer, aber wahrscheinlich braucht man das hier nicht. Es ist halt eine alte Angewohnheit von mir."

Frage: "Was sind die Dinge, die dir noch zuschaffen machen? Was überlegst du, was beschäftigt dich?"
Villeneuve: "Mein größtes Problem ist es, schnell auf Geschwindigkeit zu kommen. Also aus der Box herauszufahren und gleich in der ersten Runde auf Speed zu sein. Heute rutschte ich in der ersten Runde quer durch Kurve drei und danach ging ich doch ein wenig vom Gas. Ich brauchte einige Zeit, um wieder auf Geschwindigkeit zu kommen und richtig Speed in die Kurven hinein zu bringen. Wir hatten viel Untersteuern und das müssen wir noch in den Griff bekommen."

Frage: "Mike Skinner war sehr beeindruckt, wie schnell du in Chicago die Dinge hast umsetzen können. Er traut dir zu, schnell in den Top 10 mit fahren zu können. Ist dir das zu optimistisch? Wie sind deine Erwartungen?"
Villeneuve: "Dazu müssen wir schon noch ein paar Zehntel finden. Natürlich wäre das nett, und es ist auch nett von ihm, so etwas zu sagen. Aber das zeigt ja den Unterschied zu Europa. In Europa würden die Leute gar nichts sagen oder nur über die negativen Dinge reden. Hier sprechen die Leute positiv und das ist für mich eine gewaltige Umstellung."

Über das Feedback eines NASCAR-Autos

Slugger Labbe und Jacques Villeneuve

In der NASCAR ist das Fahrer-Feedback gefordert - Gespräch mit dem Crew-Chief Zoom

Frage: "Wo sind die Unterschiede in den Prozeduren und der Politik, wenn man Formel 1 und NASCAR vergleicht. Natürlich fährt sich ein Truck anders, als ein Formel-1-Auto, aber wo sind die kleinen Unterschiede, im Vergleich zu dem, was du in Europa gewohnt warst?"
Villeneuve: "Es gibt halt andere Regeln, die du kennen musst, und die die Kollegen bereits in Fleisch und Blut haben. Ich bin jetzt ein Rookie hier und erlebe sicher noch einige Überraschungen, die sich so nicht angekündigt haben und die ich dann auf der Strecke überstehen muss."

Frage: "Was sind solche Dinge, die du hier das Wochenende über lernen musstest. Zum Beispiel die Standardprozedur, dass du im Rückwärtsgang aus der Garage herausfahren kannst, und dich niemand heraus schieben muss."
Villeneuve: "Ja, da gibt es eine Menge Kleinigkeiten. Du kannst in der Boxengasse deinen Rückwärtsgang benutzen, das ist völlig neu für mich. Auch, dass es keine Mauer zwischen der Boxengasse und der Strecke gibt ist neu für mich. Es gibt auch keinen Speedlimiter in der Boxengasse, du musst dich um deine Geschwindigkeit in der Boxengasse selbst kümmern. Da gibt es viele Gewohnheiten, die ich nun komplett vergessen muss."

Frage: "Mein Eindruck ist es, dass ein Formel-1-Auto eine High-Perfomance Rennmaschine ist, die dir als Pilot permanente Rückmeldung darüber gibt, was das Auto gerade macht. Verglichen dazu ein NASCAR-Truck oder das Car of Tomorrow. Wie viel Feedback bekommst du als Fahrer von einem NASCAR-Auto?"
Villeneuve: "Natürlich gibt dir ein NASCAR-Auto auch eine Menge Feedback. Der Unterschied ist, dass es sehr viel mehr Bewegung hat. Die Aufhängung hat viel mehr Arbeit zu bewältigen. Daran musst du dich gewöhnen und irgendwann verstehen, wann dich das ganze Grip kostet, und wann nicht."

"Auch deinen Fahrstil musst du anpassen. Während die Aufhängung arbeitet, oder während sich der Truck bewegt, bekommst du kein besonderes Feedback. Dann musst du warten, bis sich der Truck beruhigt und darauf musst du dich in deinem Fahrstil einstellen."

Frage: "Wie sieht es mit dem Cockpit aus? Welche Anpassungen - verglichen mit einem Formel-1-Auto - musstest du machen lassen? Zum Beispiel in Sachen Sitz oder Kopfstützen. Wie ist das Gefühl generell, plötzlich ein Dach über dem Kopf zu haben? An was musstest du dich am meisten gewöhnen?"
Villeneuve: "Vielleicht das große Lenkrad. Das war wahrscheinlich die größte Anpassung, die ich zu bewerkstelligen hatte. Die Trucks sind sehr hoch, also sind Themen wie etwa Klaustrophobien kein Problem. Die Temperaturen sind auch erträglich, insofern gab es da eigentlich kein großes Thema."

NASCAR als einzige Alternative zur Formel 1

Jacques Villeneuve

Außer der NASCAR war für Jacques Villeneuve keine Rennserie von Interesse Zoom

Frage: "In der Formel 1 habt ihr Telemetrie, Computer, das Auto gibt den Ingenieuren eine Menge Feedback. Hier bist du es, der das Feedback geben muss. Im Prinzip müsste man dich nach jedem Training downloaden."
Villeneuve: "Das ist eigentlich kein Thema für mich, denn ich habe immer so gearbeitet. Ich war niemals glücklich, wenn mir ein Team sagte, dass ich die Klappe halten soll und damit fahren solle, was die Zahlen aussagen würden, weil die Ingenieure alles besser wissen, als du. In dieser Art und Weise habe ich auch in Europa nicht mit den Ingenieuren gearbeitet. Ich habe die Datensammlung immer als eine Hilfe verstanden, um abzugleichen, wie mein Eindruck von der Strecke war - und nicht anders herum."

Frage: "Du klingst sehr erleichtert. Dies ist eine völlig neue Möglichkeit für dich. Viele Leute sagen, du hättest neben diesem hier nur wenige Optionen gehabt. Vielleicht IRL oder ChampCars. Wie sahen deine Optionen aus?"
Villeneuve: "Natürlich gab es Optionen, aber nicht in der Richtung, in der ich etwas unternehmen wollte. In Sachen Rennfahren gab es zwar schon eine Menge zu tun für mich, aber nachdem in der Formel 1 gefahren bin, wollte ich in einer weiteren Serie sein, die absolutes Top-Level besitzt, und das ist halt nun einmal nur die NASCAR."

"Es gibt nichts, was nur annähernd so aufregend und herausfordernd ist und ich bin sehr froh, dass es nun endlich losgeht. Seit meinen ersten Testrunden spüre ich einen riesigen Rückenwind. Ich wollte so schnell wie möglich mein erstes Rennen fahren, das ist schon großartig."