• 25.10.2010 00:03

  • von Pete Fink

Sechs-Punkte-Krimi: Hamlin siegt und holt Johnson ein!

Hochspannung im NASCAR-Chase 2010: Nach seinem Sieg in Martinsville hat Denny Hamlin nur noch sechs Punkte Rückstand auf Jimmie Johnson - Harvick lauert

(Motorsport-Total.com) - Der Sprint-Cup-Chase 2010 entwickelt sich endgültig zu einem waschechten NASCAR-Thriller: Denny Hamlin (Gibbs-Toyota) gewann das TUMS Fast Relief 500 auf dem Martinsville Speedway. Weil Tabellenführer Jimmie Johnson (Hendrick-Chervolet) nach insgesamt 500 Runden nur auf Platz fünf ins Ziel kam, verkürzte Hamlin seinen Rückstand in der Gesamtwertung massiv: Der 29-Jährige machte mit einem Schlag 35 Punkte gut und muss vier Rennen vor dem Saisonende jetzt nur noch sechs (!) winzige Zähler auf den Dauerchampion aufholen. So eng ging es im Chase seit dessen Einführung in der Saison 2004 noch nie zu!

Titel-Bild zur News: Greg Biffle, Denny Hamlin, Kevin Harvick

Die Entscheidung: Kevin Harvick (li.) muss Denny Hamlin ziehen lassen

Hamlin wurde seiner Favoritenrolle also tatsächlich gerecht, denn er gewann auf der mit nur 800 Metern kürzesten NASCAR-Bahn des Jahres bereits die letzten beiden Sprint-Cup-Events. Zweiter wurde NASCAR-Oldie Mark Martin, der im Finale einen waidwund geschossenen Hendrick-Chevrolet auf wundersame Art und Weise von Rang 14 noch weit nach vorne brachte. Rang drei ging an Kevin Harvick (Childress-Chevrolet), der damit ebenfalls 15 Punkte gegenüber Johnson aufholen konnte. Harvick lauert nun mit 62 Zählern Abstand auf die Tabellenführung ebenfalls noch in absoluter Schlagdistanz.

Es dauerte keine 60 Runden, bis das Titeltrio Hamlin, Johnson und Harvick auf der Strecke zusammenfand. Allerdings unter völlig konträren Voraussetzungen, denn während Polesitter Hamlin Ärger mit seinem linken Hinterreifen bekam und schnell zurückfiel, machten Johnson (Startplatz 19) und vor allem Harvick (36) gleichzeitig extrem viel Boden gut. Das Childress-Team hatte dem Kalifornier eine neue Boxencrew spendiert, die vom Clint-Bowyer-Chevy abgezogen wurde. Dieser interne Childress-Tausch zahlte sich aus, den Harvick schaffte es tatsächlich, innerhalb der ersten 56 Runden sagenhafte 28 (!) Positionen zu gewinnen.

Harvick und der Kuss für den Teamkollegen

"Eigentlich müsste ich Clint einen dicken Kuss geben, dass er mir seine Boxencrew abgegeben hat", freute sich der Gesamtdritte fast diebisch. "Alle haben die ganze Woche davon gesprochen, dass dies ein Titelduell werden wird. Aber nun sind wir mittendrin." In überzeugender Manier sogar, denn als der gelbe Harvick-Chevy einmal in die Top 10 vorgestoßen war, ließ er sich nicht mehr verdrängen. Ganz im Gegenteil.

Kyle Busch, Jimmie Johnson

Zweikampf: Kyle Busch setzte Jimmie Johnson massiv unter Druck Zoom

Nahezu das gesamte Rennen über kappelte sich Harvick mit seinen Kontrahenten Hamlin und Johnson. Nicht unbedingt immer in der Spitzenposition, die lange Zeit sein Teamkollege Jeff Burton innehatte. Doch Burton nutzten seine 134 Führungsrunden nichts: Als es am Ende ohne jegliche Gelbphase zu einem Long-Run über fast 100 Runden kam, wurde der Childress-Pilot mit starkem Übersteuern noch bis auf Rang neun durchgereicht.

Harvick hatte nach der 15. und letzten Gelbphase die Führung übernommen, Hamlin lag hinter Burton auf Rang drei. "Wir hatten bis ganz zum Ende kein Siegerauto", kommentierte der Martinsville-Gewinner seine Ausgangssituation. "Meine Crew hat mich beim Stopp von Platz sechs auf drei nach vorne gebracht. Das war der Schlüssel. Dann habe ich abgewartet, abgewartet und noch einmal abgewartet."

Hamlin am Ende ungefährdet

Im Short-Track-Finale war der auf Longruns eingestellte Gibbs-Toyota eine Klasse für sich: 47 Runden vor dem Ende kassierte Hamlin den immer langsamer werdenden Burton, 33 Umläufe vor Schluss schob er sich am führenden Harvick vorbei in Front. Das Childress-Team war geschlagen, denn diese Spitzenposition gab der Gibbs-Pilot nicht mehr ab.

Denny Hamlin

Denny Hamlin gewann in Martinsville sein siebtes Saisonrennen Zoom

Nach der letzten Gelbphase lag Tabellenführer Johnson auf Rang vier, sah sich aber dem massiven Druck von Hamlins Teamkollegen Kyle Busch ausgesetzt. Dieser Zweikampf dauerte über 50 Runden, bis sich Kyle Busch schließlich gegen Johnson durchsetzen konnte. "Unser Auto war auf Shortruns eingestellt", analysierte Johnson. "Eigentlich dachte ich, dass Harvick, Hamlin und ich die ganze Zeit nebeneinander her fahren werden, aber dann hat die 11 den Turbo gezündet."

Währenddessen rauschte von Platz 14 aus der früh im Rennen massiv ondulierte Hendrick-Chevrolet von Mark Martin heran. Trotz Beulen an nahezu jedem Kotflügel flog der 51-Jährige fast an der kompletten Konkurrenz vorbei. Als er auch seinen Teamkollegen Johnson kassiert hatte, betrug die virtuelle Punktedistanz zwischen Hamlin und dem Dauerchampion zeitweise nur einen einzigen Zähler. Johnson gewann fünf Punkte zurück, als Jeff Burton am Ende noch weiter zurückfiel.

Martins Fast-Siegeszug hielt derweil an: Nach Johnson schnupfte er auch noch Kyle Busch (4.) und Harvick, was diesen wiederum fünf Meisterschaftspunkte kostete. Sieger Hamlin war vorne bereits zu weit enteilt und hatte nach 500 Runden einen Vorsprung von über zwei Sekunden. "Mensch, hat das Spaß gemacht", freute sich Mark Martin über sein bestes Saisonergebnis 2010. "Ab Runde 30 hatte ich so gut wie keine Bremsen mehr. Das ist alles völlig unglaublich."

Showdown in Talladega!

Sechster wurde NASCAR-Youngster Joey Logano im dritten Gibbs-Toyota, die damit alle drei Fahrzeuge weit nach vorne brachten. Auch Publikumsliebling Dale Earnhardt Jr. meldete sich zurück: Zwischenzeitlich lag "Junior" 90 Runden in Front, was die "Junior-Nation" schon sehr lange nicht mehr erleben durfte: In der gesamten Saison 2010 hatte Earnhardt zuvor lediglich 71 Führungsrunden gedreht. Am Ende holte er Platz sieben.

Dale Earnhardt Jun., Kyle Busch, Jeff Gordon

Dale Earnhardt Jun. meldete sich mit 90 Führungsrunden zurück Zoom

Carl Edwards (8.) schob sich als bester Roush-Ford noch vor Jeff Burton, während der designierte Nationwide-Champion Brad Keselowski (Penske-Dodge) als Zehnter sein erstes Top-10-Resultat im Sprint-Cup holte. Juan Pablo Montoya (Earnhardt/Ganassi-Chevrolet) landete mit einer Runde Rückstand und am Ende ohne Bremsen auf Rang 19 - eine Position hinter Altmeister Kenny Schrader: Der 55-Jährige feierte ein sensationelles Comeback und fuhr seinen unterfinanzierten Latitude-Ford auf Platz 18 ins Ziel.

Der große Pechvogel von Martinsville hieß jedoch Jeff Gordon. Wie sein Hendrick-Teamkollege Earnhardt griff der Kalifornier gegen Rennmitte tief in die Strategiekiste, was ihm 56 Führungsrunden einbrachte. Nach einem missratenen Stopp fiel Gordon aus den Top 10 heraus. Dies sollte sich prompt rächen: Einen leichten Schubser Gordons beantwortete Penske-Pilot Kurt Busch mit einem rüden Foul und schob den wehrlosen Gordon auf der Start-/Zielgeraden in die Mauer. Nach Platz 20 kann sich der vierfache NASCAR-Champion Titel Nummer fünf endgültig abschminken.


Fotos: NASCAR in Martinsville


Kurz nach Playoff-Halbzeit herrscht im Titelkampf also Hochspannung pur: Johnsons Mini-Vorsprung von sechs Punkten auf Hamlin ist völlig bedeutungslos, Harvick lauert als aussichtsreicher Dritter. Die restlichen Chaser haben allesamt keine Chance mehr. Und: Am kommenden Wochenende winkt ausgerechnet die Strecke, vor der Champion Johnson die meiste Angst hat: der völlig unberechenbare Superspeedway von Talladega. Nicht ohne Grund, denn der derzeit wohl beste Restrictor-Plate-Pilot heißt Kevin Harvick. Pünktlich zu Halloween steht also ein echter NASCAR-Thriller an!