Medienberichte über deutsches NASCAR-Team: Was ist wirklich dran?

Dennis Hirtz möchte mit seinem Team 3F Racing in die Königsklasse der US-amerikanischen NASCAR einsteigen - Das steckt hinter dem Plan

(Motorsport-Total.com) - "Im amerikanischen Rennsport gibt es ab Frühjahr 2023 eine große Überraschung, denn ab dann wird dort erstmals Deutsch gesprochen", so 'Bild.de' über den möglichen Einstieg von 3F Racing in den NASCAR-Sport. Das Team gehört Dennis Hirtz aus Deutschland, der in der US-Königsklasse des Motorsports einen Rennstall mit deutschen Wurzeln aufbauen möchte. 'Motorsport-Total.com' hat mit dem Teamchef exklusiv über seine Pläne gesprochen, um die Situation realistisch einzuordnen. Außerdem wird die Frage beantwortet, ob es wirklich das erste NASCAR-Team mit einer deutschen Leitung ist.

Titel-Bild zur News: 3F Racing

3F Racing plant im Jahr 2023 mehrere Starts, doch noch ist die Finanzierung nicht realisiert Zoom

"Das Wording ist mir sehr wichtig, denn wir wollen ein US-Team mit Wurzeln in Deutschland aufbauen", stellt Hirtz sofort klar. Geführt wird der Rennstall von einem Deutschen und auch einige Mitarbeiter werden aus Europa - auch Deutschland - sein. Da Hirtz jedoch dank seiner Familie, die ein Medizintechnik-Unternehmen in North Carolina betrieben hat, Charlotte wie seine Westentasche kennt, arbeitet er daran, "ganz klassisch" ein US-NASCAR-Team aufzustellen.

Wo steht 3F Racing in der Planung?

Bis Hirtz mit 3F Racing über einen Sieg im Oberhaus des NASCAR-Kosmos' nachdenken kann, hat der Kölner noch eine Menge Arbeit vor sich. "Normalerweise dauert es mindestens zwei Jahre, um einen Start in der Cup-Serie vorzubereiten", verrät er. "Wir sind jetzt über ein Jahr in der Planung und sprechen mit vielen potenziellen Partnern, die die Einsätze finanzieren werden."

Stand jetzt hat Hirtz seine NASCAR-Lizenz als Besitzer gekauft, um Zugang zu allen wichtigen Informationen der Serie zu erhalten, und sich die Startnummer 30 gesichert. 3F Racing ist als Firma gegründet und in den USA eingetragen worden. Damit hat der 39-Jährige alle wirtschaftlichen Weichen gestellt, um einen Start in der NASCAR-Serie zu forcieren. Außerdem hat er personelle Unterstützung in Sachen Marketing gefunden. Das Team soll in kurzer Zeit auf bis zu sechs Personen anwachsen.

Anders als viele andere Teams möchte sich Hirtz gleich in der höchsten Liga mit der Konkurrenz messen und die NASCAR-Xfinity- (zweite Liga) und NASCAR-Truck-Serie (dritte Liga) überspringen. Damit steht Hirtz vor der Mammutaufgabe, gleich ein millionenschweres Programm zu stemmen, ohne viel Eigenkapital einbringen zu können. "3F Racing ist von den Sponsoringgeldern abhängig, weshalb wir hart daran arbeiten, gute, verlässliche und loyale Partner zu finden, denen wir natürlich einen Mehrwert schaffen können", erklärt er.

Starke Partner in den USA

Zwei Weichen in Richtung Debüt hat Hirtz in den vergangenen Wochen gestellt: Der ehemalige Marketingdirektor von Phoenix Racing in der DTM und im GT3-Sport hat eine gute Beziehung zu den Strippenziehern von General Motors, weshalb er die Zusage für die Unterstützung seitens Chevrolet bekommen hat. "Wir dürfen auf das Know-how zugreifen und auch die Infrastruktur nutzen", freut sich Hirtz.

Weshalb Hirtz von einem US-Team mit deutschen Wurzeln spricht, wird dann klar, wenn er die geplante Struktur erklärt: "Wir haben eine Zusage von Richard Childress Racing [RCR], einem der renommiertesten Teams in der NASCAR-Serie, für eine Allianz. Wichtig: Es ist nicht nur eine technische Allianz, sondern eine enge Partnerschaft, die uns sogar eine Produktionslinie für unser Auto in den Hallen von RCR einbringt."

Dennis Hirtz

Dennis Hirtz sucht nach starken Partner in den USA Zoom

RCR setzt im Jahr 2023 auf den zweimaligen NASCAR-Champion Kyle Busch und Childress' Urenkel Austin Dillon, der die legendäre Startnummer 3 von Dale Earnhardt Sr. fährt. Der Rennstall unterhält außerdem ein Team in der NASCAR-Xfinity-Serie. Hirtz plant, auf Personal von RCR zurückzugreifen und als salopp ausgedrückt Satellitenteam des US-Rennstalls zu agieren, weshalb er klar und deutlich von einem "klassischen US-NASCAR-Rennstall" spricht.

Wer soll für 3F Racing ins Lenkrad greifen?

Die spannende Frage, welche Fahrer Hirtz für die Debütsaison einplant, kann der Deutsche noch nicht beantworten. "Wir planen fünf bis zehn Einsätze und bis 2025 verfolgen wir die Strategie, als Vollzeit-Team zu starten - dann mit nur einem Fahrer. Vorher werden wir mit mehreren Piloten in Teilzeit fahren. Dank der Partnerschaft mit General Motors können wir uns an dem Chevrolet-Fahrerpool bedienen. Für die Ovale wollen wir einen Fahrer, der den Sport von der Pike auf gelernt hat. Für Rundkurse sind auch Europäer, vielleicht sogar ein deutscher Fahrer, ein Thema."

Christopher Tate und Ryan Vargas sind zwei junge Nachwuchsfahrer, die eine enge Beziehung mit Hirtz pflegen und in Zukunft eine Option für 3F Racing bilden. Jedoch möchte Hirtz zu Beginn auf erfahrene Fahrer setzen, um sich in der Cup-Serie zu etablieren. Das wird nicht einfach werden, wie die Geschichte von Team Hezeberg zeigt. Das niederländische Team kommt aus der europäischen NASCAR-Serie und hat im Jahr 2022 zwei Cup-Autos eingesetzt.

Der zweimalige EuroNASCAR-Champion Loris Hezemans und die ehemaligen Formel-1-Piloten Daniil Kwjat sowie Jacques Villeneuve waren für denn Rennstall von Toine Hezemans und Ernst Berg unterwegs, doch sportliche Erfolge blieben in der ersten Teilzeit-Saison aus, obwohl Hezemans und Berg deutlich mehr Eigenkapital als Hirtz in das Projekt stecken können. Deshalb hofft 3F Racing mit der RCR-Partnerschaft einige Einstiegshürden schneller überwinden zu können, um zügig um einen Platz in den Top 20 anzupeilen.

3F Racing

3F Racing möchte im Jahr 2023 sein Cup-Debüt im NASCAR-Sport feiern Zoom

Als Open-Team in der NASCAR-Serie

36 Teams - im NASCAR-Sport gilt jedes Auto als Team - haben in der Cup-Serie einen sogenannten Charter-Vertrag. Das System dahinter funktioniert wie ein Franchise in der berühmten NFL (National Football League): Der Inhaber eines Charters hat die Verpflichtung, jedes Rennen zu bestreiten, bekommt dafür aber einen garantierten Startplatz und eine größere Beteiligung am Preisgeld. Solche Charter-Verträge werden aktuell für mehr als 15 Millionen Euro gehandelt.

"Ein Charter-Vertag ist für uns natürlich erst einmal kein Thema, da wir die Finanzen dafür nicht aufbringen können und sowieso erst einmal in Teilzeit fahren werden", erklärt Hirtz. Das bedeutet aber auch, dass sich 3F Racing, sollte es mehr als 40 Einschreibungen für ein Rennen geben, jedes Mal für einen der vier offenen Startplätze qualifizieren muss. Das Risiko, sollte es mehr als 40 Autos im Grid geben, die Qualifikation zu verpassen, ist damit sehr real.

Das könnte auch der Knackpunkt für das Daytona 500 2023 sein: Das "Great American Race" ist das wichtigste im NASCAR-Kalender und lockt Jahr für Jahr mehr als 40 Teams in die Boxengasse. Damit ist klar, dass einige Fahrer den Sprung ins Feld nicht schaffen werden. Im Jahr 2022 schaffte es Team Hezeberg aus den Niederlanden mit Villeneuve nur knapp ins 40 Autos große Feld des Daytona 500.

Dazu kommt das Format: Im Zeitfahren wird nur die erste Startreihe - also die Poleposition und Platz zwei für das Daytona 500 - gebildet. Alle anderen Fahrer müssen sich in zwei Qualifikationsrennen - den sogenannten Duels - für das Rennen qualifizieren. Kyle Busch trägt am Daytona-Wochenende nicht grundlos gerne ein Shirt mit dem Aufdruck "das teuerste Rennen des Jahres", denn der Superspeedway in Florida ist bekannt dafür, eine Menge Kleinholz zu produzieren. Das wirtschaftliche Risiko eines Daytona-Starts ist für 3F Racing also hoch.

Erster Start in Atlanta?

Wegen mehrerer Faktoren peilt Hirtz wohl deshalb das Debüt beim fünften Saisonlauf auf dem Atlanta Motor Speedway an. "Wir haben eine gute Basis mit potenziellen Partnern in Georgia und hätten so genügend Planungszeitraum, um unsere Ideen auch wirklich umzusetzen. Sollte sich aber ein starker Partner für das Daytona 500 oder ein voriges Rennen finden, sind wir für alles offen", erklärt Hirtz seine Pläne für die Saison 2023.

Alles hält und fällt aber mit der Finanzierung. Zu Gen6-Zeiten, dem Auto vor dem neuen Next-Gen-Fahrzeug, das 2022 eingeführt wurde, habe eine volle Saison ein Topauto rund 25 Millionen Euro gekostet, heißt es aus dem Fahrerlager. Obwohl das Next-Gen-Auto die Kosten reduzieren sollte, scheint das Budget für eine Saison dennoch auf diesem Level geblieben zu sein. Auch wenn Hirtz mit einem schmaleren Budget starten wird, ist eine Menge Geld nötig, um einen NASCAR-Start wirklich zu realisieren.

"Außerdem wollen wir nicht nur einfach hinterherfahren", stellt Hirtz klar. "Unser Ziel ist es, uns stetig zu entwickeln und schnell konkurrenzfähig zu werden. Deshalb müssen wir unsere Ressourcen gut einteilen und die richtigen Entscheidungen treffen. Der Plan ist, ein klassisches NASCAR-Team aufzubauen und ein stabiles wirtschaftliches Fundament zu schaffen. Des Weiteren wollen wir langfristig dabei bleiben!"

Dennis Hirtz

Dennis Hirtz möchte sich langfristig im NASCAR-Sport etablieren Zoom

Erster Start in den Late-Models?

Dass Hirtz und sein Team es ernst meinen, hat 3F Racing bereits auf kleiner Bühne bewiesen. Am 19. November setzte der Rennstall auf dem Florence Motor Speedway einen Late-Model für den US-Marine Tate ein, der auf dem Short-Track Platz 16 holte. Wichtig: 3F Racing hat dabei kein eigenes Auto eingesetzt, sondern eine Allianz mit einem etablierten Late-Model-Team gebildet: Orion Motorsports. Das Auto und auch die Mechaniker kamen von Orion, während sich 3F Racing um das Marketing, den Fahrer und mit Vargas um den Fahrerinstruktor gekümmert hat.

Zur Erklärung: Die Late-Models bilden die absolute Basis für den Stock-Car-Sport in Amerika und gelten als wichtiger Schritt auf der Karriereleiter der NASCAR - nach den Quarter-Midgets und Legends-Cars. In zahlreichen lokalen Meisterschaften können Fahrer dort ihr Können unter Beweis stellen, ehe sie den Schritt in die NASCAR-sanktionierte ARCA-Serie machen. Danach folgt dann meist der Aufstieg in eine der drei nationalen NASCAR-Meisterschaften: Truck, Xfinity oder Cup.

"Wir erwägen, ein eigenes Late-Model zu kaufen, um ein Nachwuchsprogramm aufzubauen", so Hirtz. "Hier können wir wichtige Erfahrung sammeln, jungen Fahrern Chancen ermöglichen und auch potenzielle Teammitglieder scouten." Im Vergleich: Der Einsatz in einem Limited-Late-Model-Rennen (400 Pferdestärken) kostet bis zu 10.000 Euro, der Einsatz in der Cup-Serie kostet "auf einem solidem Niveau mindestens das fünfzigfache". Rennen in der Super-Late-Model-Klasse (bis zu 900 Pferdestärken) sind deutlich teurer als die der Limited-Late-Models.

Late-Model von 3F Racing und Orion Motorsports

Erster Einsatz: Mit Orion Motorsports startete 3F Racing in einem Late-Model Zoom

Das erste deutsche NASCAR-Team?

Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass Hirtz nicht der erste NASCAR-Teambesitzer mit deutschen Wurzeln ist, denn Michael "Mike" Kranefuss hat bereits von 1995 bis 2000 als Teamchef im NASCAR-Zirkus seine Hände im Spiel gehabt und sogar mehrere Vollzeit-Saisons dirigiert. Deshalb lohnt sich eine kleine Zeitreise in die Annalen der NASCAR.

Kranefuss wurde im Jahr 1938 in Münster geboren, wo seine Familie eine Wäscherei betrieb. Später hat er lange in Köln gelebt und gearbeitet, doch in die USA kam er erst im Laufe seiner Karriere. Nach seiner aktiven Zeit als Motorsportchef von Ford wagte Kranefuss im Jahr 1994 den Sprung in die NASCAR-Cup-Serie als Mitbesitzer eines Teams.

Der Münsteraner arbeitete erst mit Carl Haas zusammen und setzt im ersten Rennen auf dem Michigan International Speedway auf Robby Gordon. Der erste Vollzeitfahrer des Rennstalls war John Andretti im Jahr 1995. Eine Saison später wechselte Jeremy Mayfield in die Reihen von Kranefuss und Haas.

Im Jahr 1998 kaufte Roger Penske die Anteile von Haas auf, um ins Team einzusteigen. Mayfield, der das Kranefuss-Auto fuhr, sorgte unter dem Penske-Kranefuss-Banner für insgesamt drei Siege. Ende 2000 kaufte Roger Penske dann noch die Anteile von Kranefuss, der so die NASCAR-Bühne verlies. Vor seinem Engagement in der NASCAR-Serie hatte Kranefuss bereits die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen.

Kommt das NASCAR-Team mit deutschen Wurzeln?

Zusammengefasst: Hirtz ist aktuell dabei, Sponsorenangebote zu sondieren und mit potenziellen Partnern zu verhandeln. Sollte sich eine solide Finanzierung finden, möchte Hirtz im Jahr 2023 einige Rennen in der NASCAR-Cup-Serie bestreiten. Das Team besteht und hat mit der Gründung eines Unternehmens ein solides Fundament. Außerdem hat Hirtz bereits die Lizenz und Startnummer 30 für sein Vorhaben bei NASCAR gekauft.

Mit RCR und Chevrolet bekommt Hirtz Unterstützung von Größen aus der Industrie, die über eine technische Allianz hinausgeht. Stand jetzt besitzt Hirtz aber noch keines der "zwei bis drei" Chassis, die er für die Saison 2023 braucht, um die Teilzeit-Einsätze stemmen zu können. RCR sei, so der Teamchef, aber bereit, sofort loszulegen, wenn die Verträge für das erste Rennen unterschrieben sind.

NASCAR-Action auf dem Atlanta Motor Speedway im März 2022

Atlanta könnte für 3F Racing die Strecke für das NASCAR-Debüt werden Zoom

Auf die Frage, wie hoch er die Chancen eines Debüts von 3F Racing im NASCAR-Oberhaus in der Saison 2023 einschätzt, antwortet er: "Die liegen klar bei 90 Prozent. Wir sind auf einem guten Weg und haben wichtige Schritte bereits gemacht. Es liegen noch einige Hürden vor uns, aber wir werden alles geben, um diese zu nehmen und das NASCAR-Team mit deutschen Wurzeln im Jahr 2023 an den Start zu bringen. Wir freuen uns riesig auf diese Herausforderung ..."