Martinsville: Johnson übernimmt - Drama für Hamlin

Jimmie Johnson übernimmt in Martinsville die Tabellenführung von Brad Keselowski, der den Schaden in Grenzen hält - Rückschlag für Denny Hamlin

(Motorsport-Total.com) - Jimmie Johnson (Hendrick-Chevrolet) ist nach dem Tums Fast Relief 500 auf dem Martinsville Speedway der neue Tabellenführer im Kampf um den Sprint-Cup-Titel 2012. Der fünffache NASCAR-Champion in Diensten von Hendrick Motorsports holte sich auf dem Halbmeilen-Oval im US-Bundesstaat Virginia seinen bereits siebten Sieg und geht nun mit zwei Punkten Vorsprung auf Brad Keselowski (Penske-Dodge; 6.) in die letzten drei Saisonrennen in Texas, Phoenix und Homestead.

Titel-Bild zur News: Jimmie Johnson

Jimmie Johnson (Hendrick-Chevrolet) gewann zum siebten Mal in Martinsville Zoom

Von der Pole-Position aus übernahm Johnson sofort die Führung, musste dann aber mit ansehen, wie sich Hendrick-Teamkollege Jeff Gordon (7.) und vor allem Short-Track-Spezialist Clint Bowyer (Waltrip-Toyota; 5.) reichlich Führungsrunden abholten. In einem von elf Gelbphasen unterbrochenen Rennen über 500 Runden war es unterm Strich dann doch Johnson, der sich mit 191 Umläufen an der Spitze den Bonuspunkt für die meisten Führungsrunden sicherte.

Beim letzten Restart verteidigte "Five Time" seine Führung gegen Kyle Busch (Gibbs-Toyota; 2.) und brachte seinen vierten Saisonsieg - den ersten im Chase - unter Dach und Fach. Gleichzeitig beendete Johnson damit die längste sieglose Serie für Chevrolet seit der Saison 1993 und sicherte der Marke des GM-Konzerns vorzeitig den zehnten Herstellertitel in Folge. Zuletzt hatte Hendrick-Teamkollege Jeff Gordon Anfang August in Pocono einen Sieg für Chevrolet eingefahren.


Fotos: NASCAR in Martinsville


"Wir hatten einfach ein tolles Auto und haben aus unserer Erfahrung der vergangenen Rennen hier gelernt. Diesmal blieben wir kurz vor Schluss draußen", sagte Johnson in der Victory Lane und sprach damit die letzte Gelbphase in Runde 490 an, in der er als Spitzenreiter auf der Strecke blieb und damit die Bühne für den finalen Restart bereitete. Nach seinem Sieg dachte Johnson an die vor acht Jahren bei einem Flugzeugabsturz unweit von Martinsville ums Leben gekommenen Teammitglieder: "So sehr ich mich über den Sieg und über die Tabellenführung freue, so sehr denke ich gerade hier auch an die Menschen, die wir verloren haben."

Mit Blick auf die Situation in der Meisterschaft fügte der NASCAR-Champion der Jahre 2006 bis 2010 hinzu: "Wir haben noch ein paar Renen zu fahren und wir sollten in guter Form sein." Die Stärke seines Hauptkonkurrenten Brad Keselowski, der in Martinsville von Startplatz 32 bis auf Rang sechs nach vorn fuhr, erkennt aber auch der erwiese Chase-Spezialist Johnson an: "Das ist es, was große Teams ausmacht. Wenn es um alles geht, können sie immer noch einen draufsetzen." Insgeheim hatte Johnson damit gerechnet, sein "Wohnzimmer" in Martinsville mit einem etwas größeren Punktepolster verlassen zu können.

Keselowski betreibt erfolgreich Schadensbegrenzung

Brad Keselowski

Brad Keselowski rechnet mit einem Duell gegen Jimmie Johnson bis Homestead Zoom

Diesen Gefallen tat ihm Brad Keselowski allerdings nicht. In Runde 230 fand sich der aus der 16. Startreihe kommende Penske-Pilot erstmals in den Top 10 wieder und machte 25 Runden vor Schluss die entscheidende Track-Position, als er im Zuge der vorletzten Gelbphase (Motorschaden am Childress-Chevrolet von Kevin Harvick) als einer von nur zwei Piloten auf der Strecke blieb und damit die Führung übernahm. Mit einem Abstauber-Sieg wurde es für den Penske-Piloten aber nichts.

"Da hinter uns kaum jemand draußen geblieben ist, wird es schwierig werden, die Spitze zu verteidigen", hatte Crewchief Paul Wolfe unmittelbar vor dem Restart 19 Runden vor Schluss geunkt. So kam es dann auch. Nachdem Jimmie Johnson am blauen Penske-Dodge mit der Startnummer 2 einmal vorbei war, fiel Keselowski mit seinen abgefahrenen Reifen schnell auf Rang sechs zurück. Von dort nahm er den letzten Restart fünf Runden vor der Karierten Flagge in Angriff und brachte seine Position im Tumult der letzten Umläufe - Clint Bowyer und Jeff Gordon lieferten sich ein Privatduell mit reichlich Lackaustausch - irgendwie ins Ziel.

"Das bedeutet mir sehr viel", zeigte sich Keselowski nach seiner nicht nur strategiebedingten, sondern auch auf der Strecke überlegten Fahrt von Startplatz 32 auf Rang sechs, erleichtert: "Ich weiß genau, dass die Meisterschaft bis Homestead hart umkämpft bleiben wird und ich habe so das Gefühl, dass es dort wohl auf ein Duell mit der 48 hinauslaufen wird."

Kyle Busch und Kasey Kahne auf den Plätzen

Für Kyle Busch war Platz zwei nach 500 Runden keine Selbstverständlichkeit. In Runde 149 hatte der Gibbs-Pilot mit einem Dreher in Turn 4 für die vierte von insgesamt elf Gelphasen gesorgt und fiel weit zurück. Eine Beschädigung seines Toyota konnte Busch bei dieser Gelegenheit aber vermeiden und mauserte sich anschließend wieder zu einem der wenigen ernsthaften Gegner der drei Dominatoren des Martinsville-Nachmittags - Jimmie Johnson, Clint Bowyer und Jeff Gordon.

Nach dem finalen Restart fünf Runden vor Schluss fand der Gibbs-Pilot gegen Spitzenreiter Johnson aber kein Mittel. "Er hat sich sehr gut verteidigt. Für uns ist es enttäuschend. Ich habe alles gegeben", zeigte sich Kyle Busch nach Platz zwei sichtlich geknickt. Kasey Kahne (Hendrick-Chevrolet) lief direkt dahinter auf Rang drei ein und war zufrieden: "Alle Hendrick-Autos funktionierten heute sehr gut. Platz drei ist nach langer Zeit mal wieder ein gutes Ergebnis auf dieser Strecke für mich."


Schlussphase in Martinsville

Aric Almirola (Petty-Ford; 4.) glänzte anders als vor einer Woche auf dem Kansas Speedway diesmal nicht mit einem der schnellsten Autos, dafür aber mit der richtigen Strategie und brachte seine erste Top-5-Platzierung des Jahres nach Hause. "Zu Beginn des Rennens lag das Auto überhaupt nicht. Die Entscheidung meines Crewchiefs Todd Parrott, beim letzten Stopp nur zwei neue Reifen aufzuziehen, machte den Unterschied. Für uns ist das ein tolles Comeback", sprach der Petty-Pilot seinen Ausfall nach langer Führung vor sieben Tagen an.

Privatduell zwischen Clint Bowyer und Jeff Gordon

Für die lange Zeit führenden Clint Bowyer und Jeff Gordon reichte es unterm Strich nur zu den Plätzen fünf und sieben. Im Zuge der einzigen Runde der Green-Flags-Stopps um Runde 350 herum hatte Bowyer sein Auto an der Waltrip-Box abgewürgt und damit nicht nur die Führung, sondern auch entscheidende Track-Position verloren. "Davon konnten wir uns nie wieder erholen", sagte Bowyer, nachdem er sich in den Schlussrunden ein Privatduell mit Jeff Gordon im Kampf um Platz fünf geliefert hatte. "Ich wollte ihn nicht wegschieben. Es war keine große Sache", so der Kommentar des Waltrip-Piloten nach Platz fünf im Ziel.

Gordon, der als Siebter den Kürzeren zog, nahm Bowyer die Rauferei nicht krumm. "Das war typisch Martinsville. Clint Bowyer gegen das Auto mit der 24 - das gab es hier doch schon einmal", spielte der Hendrick-Pilot mit einem Lächeln auf die Keilerei in den Schlussrunden des Frühjahrsrennens an und ortete den Grund für seinen letztlich enttäuschenden siebten Rang in einem anderen Umstand: "Auf der Außenbahn waren mir die Hände gebunden. Das Auto lag gut, aber das Letzte, was wir brauchten war, die letzten beiden Restarts auf der Außenbahn in Angriff nehmen zu müssen."

Den 60.000 Zuschauern in Martinsville wurde wieder einiges geboten Zoom

Der aus der ersten Startreihe ins 500-Runden-Rennen gegangene Brian Vickers (Waltrip-Toyota) kam auf Platz acht ins Ziel. Altmeister Bobby Labonte (JTG-Toyota) fuhr als Neunter zum zweiten Mal in diesem Jahr in die Top 10, die in Martinsville von Greg Biffle (Roush-Ford; 10.) vervollständigt wurden.

Eine Top-10-Platzierung lag auch für Dale Earnhardt Jr. (Hendrick-Chevrolet; 21.) lange Zeit in der Luft. Der unangefochtene NASCAR-Publikumsliebling bot bei seinem Comeback nach zwei Rennen Pause eine starke Leistung. Im Zuge der vorletzten Gelbphase blieb Earnhardt neben Brad Keselowski als einziger Fahrer auf der Strecke, hatte dann aber genau wie der Penske-Pilot keine Chance, die frischbereiften Gegner hinter sich zu halten. Zehn Runden vor Schluss wurde Earnhardt dann ohne eigenes Verschulden abgeräumt: Sam Hornish Jr. (Penske-Dodge; 13.) bremste in Turn 1 zu spät, rauschte dem Roush-Ford von Carl Edwards (18.) ins Heck, der daraufhin "Junior" mit ins Verderben in Form eines Drehers riss.

Riesenpech für Denny Hamlin

Der größte Pechvogel war aber ganz eindeutig Denny Hamlin - seines Zeichens vierfacher Martinsville-Sieger und Mitfavorit um den NASCAR-Titel 2012. In der ersten Rennhälfte ließ sich der Gibbs-Pilot auch von zwei Speeding-Penalties, die ihn jeweils ans Ende der Führungsrunde zurückwarfen, nicht aus der Ruhe bringen und arbeitete sich schnell wieder in die Top 5 nach vorn. Zwischenzeitlich lag der Lokalmatador sogar in Führung.

Denny Hamlin

Für Denny Hamlin dürften die Lichter im Titelkampf ausgegangen sein... Zoom

In Runde 372 wurde der schwarze Gibbs-Toyota von Hamlin dann abrupt langsamer. Ein während der Fahrt vorgenommener Wechsel auf die zweite Batterie schien das Problem zu beheben. Nur zehn Runden später verlor der Toyota Camry aber erneut an Tempo und Hamlin gab über Funk durch: "Die Warnlampen blinken in allen möglichen Farben - was auch immer das zu bedeuten hat." In Runde 392 blieb Hamlin auf Höhe Start/Ziel schließlich komplett stehen und löste damit die achte von elf Gelbphasen aus.

Nach einer Reparatur kam der fünffache Saisonsieger zwar noch einmal auf die Strecke zurück, mehr als Platz 33 war für Hamlin aber nicht zu holen. "Das ist beschissen. Ich hatte ein irre schnelles Auto und fuhr zweimal vom Ende des Feldes wieder nach vorn. Jetzt müssen wir das einfach runterschlucken und nach vorn schauen", kommentierte Hamlin, der in der Gesamtwertung vom dritten auf den fünften Rang abrutschte, sichtlich enttäuscht.

Auch die übrigen Chase-Piloten hatten nichts zu lachen. Matt Kenseth (Roush-Ford) blieb als 15. - wie in Martinsville üblich - blass. Martin Truex Jr. (Waltrip-Toyota; 23.) konnte in der Anfangsphase einigermaßen mithalten, fing sich dann aber eine Durchfahrtsstrafe ein, als er beim sechsten Restart des Tages zu früh die Spur wechselte. Der noch amtierende NASCAR-Champion und Martinsville-Vorjahressieger Tony Stewart zeigte diesmal ein äußerst dezentes Rennen und lief mit zwei Runden Rückstand auf Rang 27 ein. Für Kevin Harvick, der in Runde 228 durch eine Kollision mit Kurt Busch (Furniture-Row-Chevrolet; 14.) für Caution Nummer sieben gesorgt hatte, war 25 Runden vor Schluss aufgrund seines Motorschadens endgültig Feierabend.

Montoya und McMurray mit Lebenszeichen

Unterdessen gab Juan Pablo Montoya nach langer Zeit wieder einmal ein Lebenszeichen von sich. Seine Earnhardt/Ganassi-Crew fand in den beiden Freien Trainings am Samstag offenbar den Königsweg beim Setup, woraufhin der Kolumbianer am Sonntag über weite Strecken in den Top 10 mitfuhr. 62 Runden vor Schluss war es mit der Herrlichkeit aber vorbei.

Juan Pablo Montoya, Jimmie Johnson

Juan Pablo Montoya stand Spitzenreiter Jimmie Johnson im Weg... Zoom

Der Montoya-Chevy war das letzte Auto in der Führungsrunde und er wollte diesen Platz unbedingt verteidigen. Leader Jimmie Johnson war derweil bemüht, schnell am roten Earnhardt/Ganassi-Chevy mit der 42 vorbeizukommen. Es kam, wie es kommen musste: In Turn 2 drehte Johnson Montoya um. Platz 20 spiegelte unterm Strich nicht das wahre Potenzial des Kolumbianers in Martinsville wider.

Auch Jamie McMurray im zweiten Earnhardt/Ganassi-Chevrolet hielt sich lange Zeit in den Top 10 auf. Nach 500 Runden wurde aber auch er unter Wert geschlagen und sah das Ziel als 17. lediglich drei Plätze vor Teamkollege Montoya. Earnhardt/Ganassi Racing wartet somit weiter auf die erste Top-5-Platizerung des Jahres.

Auch A.J. Allmendinger (Phoenix-Chevrolet; 28.) hielt sich über weite Strecken in der Nähe der Top 10 auf. 50 Runden vor Schluss wurde der Kalifornier aber unter Grün an die Box zitiert, weil hinten links ein Teil der Karosserie zu weit weg stand. Nach Platz zwei im Frühjahrsrennen - damals noch in Diensten des Penske-Teams - verließ Allmendinger den Martinsville Speedway diesmal enttäuscht.

Titelkampf wird zum Duell

In der Gesamtwertung liegt Jimmie Johnson nun zwei Punkte vor Brad Keselowski, der sich angesichts seiner nur neun eingebüßten Zähler im "Johnson-Wohnzimmer" ebenfalls als Sieger fühlen darf. Realistisch betrachtet, beschränkt sich der Kampf um den NASCAR-Titel 2012 wohl auf das Duell zwischen dem fünffachen Champion in Diensten von Hendrick Motorsports und dem Shooting-Star aus dem Team von Roger Penske.

Clint Bowyer und Kasey Kahne liegen als Dritter beziehungsweise Vierter der Gesamtwertung bereits 26 beziehungsweise 29 Zähler zurück. Ab Denny Hamlin müssen die Piloten im Grunde auf ein Wunder hoffen. Das drittletzte Rennen im NASCAR-Chase 2012 steigt am kommenden Sonntag auf dem 1,5 Meilen langen Texas Motor Speedway.