Kuhn-Kolumne: Was hinter BAM und Toyota steckt
Christian Kuhn schreibt in seiner neuen Kolumne auf 'Motorsport-Total.com' über den Toyota-Deal mit BAM Racing, Klaus Graf und Jacques Villeneuve
Liebe Leser von 'Motorsport-Total.com',

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Christian Kuhn ist einer der ganz wenigen deutschen NASCAR-Insider
ich freue mich sehr, dass auch ich in Zukunft mit meiner NASCAR-Kolumne dazu beitragen kann, damit die Fans ab und zu einen Blick hinter die Kulissen der NASCAR werfen können. Eigentlich bin ich hauptberuflich als Vorstand einer TV-Produktionsfirma tätig, aber - wie viele wissen - habe ich im Jahr 2003 auch ein eigenes zweites NASCAR-Team mit der Startnummer 59 aus der Taufe gehoben. Zuerst waren wir in der Truck-Serie aktiv, später dann auch im damaligen Nextel-Cup mit Klaus Graf und BAM Racing.
Dort hat sich in den vergangenen Tagen - nicht nur mit dem Wechsel zu Toyota - viel getan. In den amerikanischen Medien geistern immer wieder Berichte herum, die von einer Fusion zwischen BAM Racing und Bill Davis Racing (BDR) sprechen. Dem ist jedoch in keinster Weise so.#w1#
BAM hegt keine Mergerabsichten mit BDR, was über einen technischen Austausch in einem ganz normalen Umfang hinaus geht. Es wäre jedoch töricht, die Erfahrung von BDR mit den Toyotas nicht zu nutzen, außerdem haben unser Crewchief Dean Johnson und unser Chassis-Ingenieur David Hyder mit Dave Blaney bei BDR gearbeitet, allein schon deshalb bestehen gute Kontake zu BDR.
Was die Merger-Gerüchte betreffen, möchte ich folgenden Denkanstoss geben. Ende 2008 wird Caterpillar, der einzig verbliebene Hauptsponsor von BDR zu Joe Gibs wechseln, dann steht BDR ohne Sponsor da. Privat ist BDR nicht Willens oder in der Lage ein Cup-Team zu finanzieren, und die finanzielle Unterstützung seitens Toyota wird sich in Zukunft auf Joe Gibbs Racing konzentrieren. Ergo ist ein Interesse von Seiten Bill Davis verständlich. Es gibt in USA ein sehr schönes Sprichwort "It takes Two to Tango". Jeder darf seine Wünsche haben und auch äußern, leider ist das Leben kein Wunschkonzert.
Graf ja, Villeneuve nein

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Klaus Graf und Christian Kuhn sind seit einigen Jahren in der NASCAR aktiv Zoom
Bill Davis hat BAM Racing intensiv darum gebeten, doch Jacques Villeneuve bei den Rundkursrennen von Sears Point und Watkins Glen fahren zu lassen, aber wir haben abgelehnt. Für uns wird Klaus Graf in Sears Point fahren, denn wir sind fest davon überzeugt, dass Klaus einen besseren Job für uns machen kann, als Villeneuve! Leider hat Klaus am Watkins-Glen-Wochenende, wie schon 2007, eine Terminkollision mit der ALMS. Es liegt an Greg Pickett, ihm eine Freigabe zu erteilen. Warten wir das Sears-Point-Ergebnis ab, dann wird es auch für dieses Thema eine Lösung geben.
Deshalb wäre Watkins Glen eine sehr gute Möglichkeit gewesen, einem jungen talentierten deutschen oder europäischen Fahrer, eine Chance bei einem Cup-Rennen zu geben. Bis zu 15 Millionen Zuschauer sehen das Rennen in den USA "Prime Time" am Sonntagnachmittag. Dies wäre die ultimative Chance gewesen, sich als Fahrer in den USA zu empfehlen.
Das Interesse der Fahrer in Deutschland ist sehr groß, aber der Willen und das Verständnis, sich wirklich auf die hohen Anforderungen der NASCAR-Topliga einzustellen, wie Klaus Graf und alle Beteiligten das 2004 getan haben, ist sehr gering.
Die notwendige NASCAR-Lizenz für den Sprint-Cup, auch wenn es nur die Straßenrennen betrifft, ist von NASCAR in diesen Autos nicht ohne Vorbereitung zu bekommen. Diese Investition muss auch vom Fahrer mitgetragen werden. Auch kann man in diesen Autos nicht ohne ein Testprogramm gegen Juan Pablo Montoya und Co. glänzen - Fahrschule und Testen kostet in diesen Autos sehr viel Geld.
In Sears Point muss ein Resultat her

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Klaus Graf fuhr den BAM-Dodge 2007 in Sears Point und Watkins Glen Zoom
Rückblickend war Watkins Glen 2007 ein Schlüsselerlebnis für mich, denn nach den Ereignissen dort hatte ich 1000prozentig keine Lust mehr, in der NASCAR aktiv weiterzumachen. Eine Regenabsage ist die Höchststrafe im NASCAR-Rennsport! Der Sprint-Cup ist da einfach gnadenlos.
Es gab großes Lob von Insidern wie Richard Childress, die die Leistungen des Teams und von Klaus im Training von Watkins Glen bemerkt haben. Auch die Veränderungen bei BAM Racing, mit dem neuem Technikstab nach Sears Point 2007, sind nicht verborgen geblieben.
Nur eines möchte ich klarstellen: Für mich persönlich, muss in Sears Point das Ergebnis von 2004 getoppt werden, um die viele Energie und Arbeit, und auch die finanziellen Investitionen, die ein solches Engagement neben meiner hauptberuflichen Tätigkeit machen, zu rechtfertigen.
Wenn ein Team es nicht schafft, sich in den Top 43 in der Meisterschaft zu halten, damit man bei Regen in der Qualifikation sicher im NASCAR-Startfeld steht, dann muss man besser zu Hause bleiben. Dann ist man schlicht weg nicht gut genug!
Schnelle Antwort in Martinsville

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Der nagelneue BAM-Toyota für Martinsville - Kenny Schrader wird fahren Zoom
Der Wechsel zu Toyota, die "Rückholaktion" der Technikertruppe um Hyder und Johnson, das Engagement der Fahrer Kenny Schrader und Klaus Graf sind aus meiner Sicht nun die letzten Bausteine eines Konglomerats von Faktoren, die den Erfolg zu BAM zurückbringen müssen.
Aus meiner Sicht ist der Schritt in Richtung Top 35 die ganz entscheidende Frage für das weitere Bestehen und die Zukunft von BAM Racing. Ich als Freund von Beth Ann und Tony Morgenthau kann nicht empfehlen weiterzumachen, wenn nach all diesen hochkomplexen und kapitalintensiven Veränderungen keine Ergebnisse kommen.
Motorsport ist in der Organisation und im Tagesgeschäft sehr komplex und schwierig, die richtigen Mitarbeiter zum rechten Zeitpunkt am rechten Ort motiviert ins Rennwochenende zu schicken. Das ist die Quadratur des Kreises, aber genau darum geht es in einem Rennteam.
Doch für Sponsoren und Fans ist das alles ganz unwichtig. Das Einzige was im Motorsport auf die Dauer zählt, ist das Ergebnis. Bei NASCAR erhält man jedes Wochenende die Antwort, wie gut man seine Hausaufgaben gemacht hat. Martinsville wird heute Nachmittag die erste Antwort geben, wie richtig wir bei BAM alles gemacht haben. Wir sind alle gespannt darauf!
Herzliche Grüße

