• 29.02.2012 11:20

  • von Pete Fink

Kolumne: "Ich dachte, jetzt ist er tot"

'Motorsport-Total.com'-Redakteur Pete Fink schildert seine Eindrücke vom spektakulären Montoya-Unfall und eine ungewöhnliche 'Twitter'-Aktion

Liebe NASCAR-Fans,

Titel-Bild zur News: Juan Pablo Montoya

Flammeninferno in Daytona: Der Unfall aus der Sicht der Infield-Plattform

im Infield von Daytona gibt es eine etwas erhöhte Zuschauerplattform, von der aus man einen sehr guten Überblick über die kompletten 2,5 Meilen der Rennstrecke hat. Dort stand ich am späten Montagabend und beobachtete das Tohuwabohu in der Boxengasse. David Stremme hatte in Runde 157 mit einem Motorschaden eine Gelbphase ausgelöst und fast das gesamte Feld war beim Service.

Plötzlich ein Aufschrei. Von mir aus gesehen sprang fast der gesamte rechte Teil des großen Tribünen-Komplexes auf und deutete in die Richtung hinter mir. Verwundert folgte ich den Handzeichen der Menschenmassen und drehte mich um: Über Turn 3 stand wie aus dem Nichts heraus ein gewaltiger Feuerball. Alle waren komplett ratlos, was da wohl passiert war. Schließlich befand sich das Feld unter Gelber Flagge.

Auf einmal schrie der Streckensprecher: "Montoya! Es ist Montoya!" Mir wurde schwummerig. Vor mir sah ich nur ein riesiges Flammenmeer und der Sprecher gab bekannt, dass es sich dabei um den Kolumbianer handelte. "Um Gottes Willen", dachte ich mir. "Jetzt ist er tot, der Montoya, und ich stehe nur ein paar hundert Meter daneben."

Ich versichere euch: Niemand im weiten Rund des Speedways hat in den ersten Sekunden realisiert, was da genau passiert war. Umso erleichterter waren alle, als die TV-Bilder auf der großen Anzeigetafel zeigten, dass der Montoya-Chevy samt Fahrer gar nicht mitten in diesem Feuerinferno fest steckte, sondern bereits unten im Infield zum Stehen gekommen war.

Standing Ovations für Montoya

Es hat einige Minuten gedauert, bis klar wurde, was da genau geschehen war: Nach einem technischen Defekt schlug der rote Ganassi-Chevy ohne jede Fremdeinwirkung mit der Fahrerseite in einen der zehn Jet Dryer ein, dessen Kerosin sich sofort entzündete. Glücklicherweise konnte sich auch Duane Barnes, der 52-jährige Fahrer des Trucks, rechtzeitig in Sicherheit bringen. Das Ende dieses Marathonrennens haben beide an Ort und Stelle verfolgt.

An dieser Stelle möchte ich einmal eine Lanze für die oft und gerne etwas despektierlich behandelten NASCAR-Fans brechen: Es ist bekannt, dass Montoya in der NASCAR nicht gerade zu den Publikumslieblingen gehört. Bei jeder Fahrerpräsentation wird er im Normalfall herzhaft ausgepfiffen. Zwar bei weitem nicht so lautstark wie Kyle Busch, aber die Nummer zwei unter den aktuellen Bösewichtern hat der ehemalige Formel-1-Pilot sicher.


Der Feuercrash von Juan Pablo Montoya

In diesem Fall gaben sich die Fans ganz anders: Als die ersten Bilder gezeigt wurde, wie Montoya sein total zerstörtes Wrack aus eigener Kraft verlassen konnte, erhielt er von den Daytona-Tribünen Standing Ovations. Der kollektive Schreck über diesen seltsamen Unfall fuhr wirklich allen in die Glieder. Und ich persönlich bin sehr froh, dass es mir erspart geblieben ist, über Verletzungen oder sogar noch schlimmere Dinge berichten zu müssen.

"Don't tweet and drive"

Brad Keselowski sorgte übrigens für eine nette Randgeschichte. In der zweistündigen Wartezeit nach dem Montoya-Crash versorgte er seine Fans mit aktuellen Live-Fotos, die er aus seinem Cockpit heraus geschossen hatte und auf seine 'Twitter'-Seite hoch lud. Wohlgemerkt: Während des Rennens! Weil die amerikanischen TV-Kollegen sofort darauf eingingen, brachte ihm diese Aktion über 100.000 neue Follower.

Brad Keselowski

Brad Keselowski kümmert sich intensiv um seine vielen Fans Zoom

Und natürlich einige Antworten besorgter Fans, die es nicht gerne sahen, wenn sich ihr Idol weniger mit dem Renngeschehen beim Saisonhöhepunkt, als mit seinem 'Twitter'-Account beschäftigte. In Anlehnung an den überall zu sehenden US-Slogan "Don't drink and drive" antwortete jemand: "Please don't tweet and drive." Natürlich mit dem berühmten "LOL" hinterher.

NASCAR wusste zunächst nicht so recht, was sie davon halten sollten. Schließlich hatte "Bad Brad" ja ein technisches Instrument an Bord, das in dieser Form nicht zugelassen war. Kann man mit einem Smartphone etwa an der neuen Elektronikbox von McLaren herumfummeln? Glücklicherweise ist NASCAR noch nicht so paranoid wie die Formel 1 und sah die Keselowski-Aktion locker: Es wird keine Strafen geben.

Als Daytona-Sieger Matt Kenseth und der zweitplatzierte Dale Earnhardt Jr. während ihrer Pressekonferenzen nach dem Marathonrennen darauf angesprochen wurden, konnten sich beide ein Lächeln nicht verkneifen: "So ist er halt, der Brad", grinsten beide unisono und fragten in die Runde: "Das war doch eine richtig lustige Aktion, oder?"


Fotos: NASCAR: Daytona 500, Montag


Beim Rückflug hatte ich Gelegenheit, die amerikanischen Zeitungen zu studieren. Fast überall waren die Bilder vom Montoya-Unfall auf den Titelseiten zu sehen. Matt Kenseth tut mir fast ein wenig leid, denn von seinem zweiten Daytona-Sieg spricht kaum jemand. Und einen neuen Rekord gibt es auch zu vermelden: Über 36 Millionen TV-Zuschauer sahen das erste Monday-Night-Race der NASCAR-Geschichte. Sie werden es nicht bereut haben.

Herzliche Grüße


Pete Fink

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