Kevin Harvick hält Carl Edwards in Schach

Kevin Harvick gewinnt in Richmond knapp vor Carl Edwards - Tony Stewart, Dale Earnhardt Jr. und Denny Hamlin lösen das Chase-Ticket

(Motorsport-Total.com) - Kevin Harvick (Childress-Chevrolet) hat beim Wonderful Pistachios 400 in Richmond nachhaltig seine Ansprüche auf den NASCAR-Titel 2011 angemeldet. Dank seines vierten Saisonsieges, den er in den Schlussrunden knapp vor Carl Edwards (Roush-Ford; 2.) über die Distanz retten konnte, liegt Harvick bei Beginn des Chase am kommenden Wochenende gleichauf mit Kyle Busch (Gibbs-Toyota) an der Tabellenspitze.

Titel-Bild zur News: Kevin Harvick

Kevin Harvick fuhr in Richmond zu seinem vierten Saisonsieg 2011

In einem äußerst kurzweiligen Short-Track-Rennen, das nicht weniger als 15 Gelbphasen und somit eine Einstellung des bisherigen Richmond-Rekords sah, brachte der letzte Boxenstopp 15 Umläufe vor der Karierten Flagge die Vorentscheidung. Die Childress-Crew von Harvick fertigte den zu diesem Zeitpunkt auf Platz zwei hinter Hendrick-Pilot Jeff Gordon liegenden Budweiser-Chevy am schnellsten ab und brachte Harvick damit in die beste Ausgangsposition für den finalen Restart.


Fotos: NASCAR in Richmond


In den Schlussrunden ließ sich der Kalifornier, der das Rennen während 201 der 400 Runden anführte, die Butter trotz einer Schlussattacke von Carl Edwards nicht mehr vom Brot nehmen. "Das war einfach ein großartiges Wochenende", freute sich Harvick in der Victory Lane und verwies darauf, dass er bereits vor wenigen Tagen in Atlanta eines der stärksten Autos im Feld hatte. "Wir starten nun mit gehörigem Selbstvertrauen in den Chase", schickte er sofort eine erste Drohung an die versammelte Konkurrenz hinterher.

Der Zweitplatzierte Edwards hätte eigener Aussage zufolge "eine Runde mehr gebraucht", war angesichts der verlorenen drei Bonuspunkte für einen weiteren Saisonsieg allerdings nur kurz enttäuscht: "So sehr das auch schmerzt, so sehr freue ich mich, dass wir nun wieder zurück sind. Wir sind bereit, anzugreifen." Für Edwards war es nach Platz fünf beim auf Dienstag dieser Woche verschobenen Atlanta-Rennen die zweite Top-5-Platzierung innerhalb weniger Tage.

Unterdessen musste sich Atlanta-Sieger Jeff Gordon, der auch in Richmond wieder einen starken Eindruck hinterließ und kurz vor der 15. und letzten Gelbphase - die durch einen Dreher von Paul Menard (Childress-Chevrolet; 34.) ausgelöste wurde - von Harvick die Führung übernahm, diesmal mit Platz drei zufrieden geben. In den Schlussrunden fand Gordon keinen Weg mehr an Harvick und Edwards vorbei, stattdessen viel er im Zuge des Short-Runs sogar kurzfristig hinter Kyle Busch (6.) zurück.

Massenkarambolage zum Auftakt

Mit 15 Gelbphasen wurde der bisherige Rekord in Richmond eingestellt. Während Jamie McMurray (Earnhardt/Ganassi-Chevrolet) gleich zu Beginn des Rennens an Polesetter David Reutimann (Waltrip-Toyota) vorbeiziehen und sich die erste Führung im Rennen gutschreiben lassen durfte, hielt Runde acht bereits für einige der Favoriten den ersten Rückschlag bereit.

Massenkollision in Richmond 2011

Die frühe Massenkollission brachte einige Chase-Kandidaten in Bedrängnis Zoom

Clint Bowyer, seines Zeichens Childress-Teamkollege vom späteren Sieger Kevin Harvick, drehte sich nach einem missglückten Überholversuch geben Polesetter Reutimann in Turn 4 in Richtung Außenmauer und brachte eine ganze Reihe von Fahrern hinter sich in Bedrängnis. Nachdem sich der Reifenqualm des verzögernden Feldes gelegt hatte, wiesen unter anderem die Fahrzeuge von Dale Earnhardt Jr., Denny Hamlin, Marcos Ambrose, Martin Truex Jr. sowie Bobby Labonte, Scott Speed, Casey Mears und Robby Gordon mehr oder weniger massive Verformungen der Karosserie auf.

Bowyer beschädigte sich bei dieser Gelegenheit den linken vorderen Kotflügel und verlor bereits früh im Rennen eine Runde. Nachdem er sich im Verlauf des Rennens dank einer kämpferischen Leistung zwischenzeitlich wieder bis in die Top 5 nach vorn schieben konnte, musste er nach einer weiteren Kollision mit Reutimann in Runde 309, einem erneuten zwischenzeitlichen Rundenverlust und Platz 22 im Endergebnis seine Chase-Hoffnungen endgültig begraben. "Wir haben getan, was wir konnten, um unsere Chancen aufrecht zu erhalten", gab Bowyer im Ziel enttäuscht zu Protokoll. "Ich fuhr so hart ich nur konnte, aber irgendwie ist seit dem Rennen in Charlotte in unserem Team der Wurm drin."

Im Zuge der Unterbrechung nach der Massenkollision in Runde acht wurde es ab der neunten Runde für drei Umläufe ganz still auf den Rängen des Dreiviertel-Meilen-Ovals im US-Bundesstaat Virginia. In Erinnerung an den zehnten Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 standen die 88.000 Zuschauer in Richmond jeweils eine US-Flagge aus Papier schwenkend auf den Rängen. Auch die Kommentatoren hielten in Erinnerung an 9/11 während der Runden 9 bis 11 inne. Zudem waren in der Nacht von Samstag auf Sonntag diverse Fahrzeuge mit einer patriotischen Lackierung unterwegs.

Als die Rennaction wieder freigegeben wurde, dauerte es nicht lange und Marcos Ambrose, der sich im Petty-Ford mit einem Sieg die zweite Wildcard für den Chase hätte sichern können, machte sich im Lager des Red-Bull-Teams gehörig unbeliebt. Bei der Anfahrt zu Turn 3 schob der Australier den vor ihm fahrenden Toyota von Brian Vickers in den von dessen Teamkollegen Kasey Kahne.

Für Kahne (38.) war das Rennen nach einem harten Einschlag in die Mauer an Ort und Stelle beendet, während Vickers (33.) im zweiten Red-Bull-Toyota seinem Frust freien Lauf ließ und Ambrose wenige Meter später unter Gelber Flagge zunächst mit voller Absicht ins Fahrzeug fuhr und diesen daraufhin schließlich noch am Weiterfahren hinderte, indem er seinen Camry quer vor dem Ford Fusion des Petty-Piloten platzierte. NASCAR nahm Vickers daraufhin für 40 Runden aus dem Rennen, wodurch das enttäuschende Teamergebnis für die Red-Bull-Truppe besiegelt war.

Ambrose konnte nach zwischenzeitlicher Aufholjagd sowie einem individuellen Dreher in Turn 2 letztlich auch nicht mehr als Rang 21 ins Ziel retten und musste seine Hoffnungen auf eine mögliche Playoff-Teilnahme genau wie Kahne begraben.

Nächste Runde im Zwist Kurt Busch vs. Jimmie Johnson

Doch Brian Vickers und Marcos Ambrose waren im Verlauf des kurzweiligen Rennens beileibe nicht die einzigen Piloten, die aufeinander sauer waren. Kurz vor der Halbzeitmarke ging das bereits vor wenigen Wochen in Pocono neu aufgeflammte Duell zwischen Hendrick-Pilot Jimmie Johnson und Penske-Fahrer Kurt Buch in die nächste Runde.

Jimmie Johnson

Jimmie Johnson wurde von Kurt Busch in die Mauer geschickt Zoom

Im Kampf um Platz vier schob Busch den vor ihm liegenden Chevy des fünffachen Champions kurzerhand in die Außenmauer von Turn 1, woraufhin dieser sich im Anschluss an das Rennen wenig begeistert äußerte. "Ich wurde einmal mehr von Kurt einfach über den Haufen gefahren", schüttelte Johnson den Kopf und erklärte, was die Zuschauer 60 Runden später zu sehen bekamen: "Wenn er mich umdreht, dann drehe ich ihn um, so einfach ist das."

Die von Johnson ebenfalls in Turn 1 vorgetragene Revanche misslang allerdings gründlich. Während Kurt Busch seinen Penske-Dodge nach einem spektakulären Dreher im Anschluss an den Rammstoß Johnsons schnell wieder auf Kurs bringen und schließlich noch Platz fünf ins Ziel retten konnte, musste Johnson mit massiv ondulierter Front seines Chevy vorübergehend die Garage aufsuchen und wurde mit 38 Runden Rückstand letztlich nur auf Rang 31 im Endergebnis geführt.

"Ich habe so etwas schon kommen sehen", zeigte sich Busch in Anspielung auf die zweite Kollision der beiden an diesem Abend wenig überrascht und setzte noch einen kräftigen Seitenhieb in Richtung des NASCAR-Dauerchampions drauf: "Er muss lernen, dass im Chase noch zehn andere Jungs mitfahren und nicht nur ich. Zudem muss er lernen, wie man Rennen fährt. In den vergangenen fünf Jahren hat er die Gegner in erster Linie dank seines Materials geschlagen. Unter gleichen Voraussetzungen würde ich ihn in die Schranken weisen."

Dies wollte Johnson so natürlich nicht auf sich sitzen lassen und legte im Rahmen seines TV-Interviews ebenfalls nach. "Nur die Zeit wird zeigen, ob die Dinge zwischen uns geklärt sind oder nicht. Wenn er endlich aufhört, mir in die Karre zu fahren, dann ist von meiner Seite alles in Ordnung. So aber ist die Situation, wie sie ist."

Keine Überraschungen in Bezug auf die Chase-Teilnehmer

Im Zuge der diversen Scharmützel im Verlauf der 400 Runden auf dem Dreiviertel-Meilen-Oval ging die Vergabe der drei verbleibenden Chase-Plätze beinahe unter. Nachdem die Karierte Flagge gefallen war, konnten Tony Stewart (Stewart/Haas-Chevrolet; 7.), Denny Hamlin (Gibbs-Toyota; 9.) und Dale Earnhardt Jr. (Hendrick-Chevrolet; 16.) ihren gute Ausgangsposition in der Gesamtwertung schließlich über die Distanz retten und komplettieren damit das zwölfköpfige Fahrerfeld, das beginnend mit dem kommenden Wochenende den Sprint-Cup-Titel 2011 unter sich ausfahren wird.

Stewart/Haas-Teamchef Tony Stewart zeigte über die kompletten 400 Runden eine solide Vorstellung und lief nie ernsthaft Gefahr, den Sprung in die Playoffs zu verpassen. Dank Platz sieben in Richmond startet "Smoke" am kommenden Wochenende den Angriff auf seinen dritten Titel. Mit der Leistung am Samstagabend war Stewart, der mit einer Platzierung unter den ersten 18 alles klarmachen konnte, durchaus zufrieden. "Das war unser bester Auftritt bei den vergangenen drei Rennen hier."

Publikumsliebling Dale Earnhardt Jr. konnte sich dank Platz 16 im Rennen ebenfalls in den Top 10 der Gesamtwertung halten und somit trotz fehlendem Saisonsieg direkt für den Chase qualifizieren. Der Hendrick-Pilot musste dafür allerdings wesentlich härter arbeiten als Stewart im Kunden-Chevy des Meisterteams.

Dale Earnhardt Jun.

Dale Earnhardt Jr. fuhr sich mit ramponiertem Fahrzeug in den Chase Zoom

Nachdem "Junior" im Verlauf des Rennens gleich mehrfach aus der Führungsrunde herausgefallen war - unter anderem nach der Verwicklung in die Massenkollision in Runde acht sowie nach einer Kollision inklusive Revanchefoul gegen Travis Kvapil (Front-Row-Ford; 28,) - hatte er letztlich dreimal das Glück des Lucky Dog auf seiner Seite und sicherte sich seine erste Chase-Teilnahme seit der Saison 2008. "Nach dem Zwischenfall gleich zu Beginn war das Auto ordentlich beschädigt, aber wir haben es irgendwie geschafft, es wieder hinzubiegen", sagte Earnhardt mit Blick auf drei Boxenstopps zu Reparaturzwecken allein während der frühen Gelbphase.

Als Dritter im Bunde neben Stewart und Earnhardt machte Gibbs-Pilot Denny Hamlin seine sechste Chase-Teilnahme im sechsten Anlauf perfekt. Der amtierende Vize-Champion wurde genau wie Earnhardt durch den frühen Dreher von Clint Bowyer in Mitleidenschaft gezogen und musste mehrfach unplanmäßig bei der Gibbs-Crew vorfahren. Nach zwischenzeitlichem Rundenrückstand und drohender Gefahr, einen Motorschaden aufgrund von Überhitzung zu erleiden, kämpfte sich Hamlin in der zweiten Rennhälfte sukzessive wieder nach vorn und machte dank Platz neun seine Playoff-Teilnahme in Form der zweiten Wildcard perfekt.

Geheimtipp Brad Keselowski?

Tony Stewart, Brad Keselowski, Kurt Busch, Kyle Busch, Jimmie Johnson, Jeff Gordon, Kevin Harvick, Carl Edwards, Ryan Newman, Dale Earnhardt Jun., Matt Kenseth, Denny Hamlin

Diese zwölf Piloten fahren den NASCAR-Titel 2011 unter sich aus Zoom

Wildcard Nummer eins verblieb auch nach den 400 Runden in Richmond in den Händen des dreifachen Saisonsiegers Brad Keselowski. Der Penske-Pilot lief im Wonderful Pistachios 400 als Zwölfter ein und ist nach seinem grandiosen Sommer sicherlich die Überraschung im diesjährigen Chase-Teilnehmerfeld. "Wir haben einfach nie aufgegeben, obwohl es zu Beginn der Saison nicht so gut für uns lief", verriet Keselowski sein Erfolgsrezept und das seines Crewchiefs Paul Wolfe, der sich inmitten seiner ersten Sprint-Cup-Saison befindet. "Unter dem Strich sind wir für unseren Einsatz belohnt worden", hält Keselowski fest und hegt keinerlei Ambitionen, es ab dem kommenden Wochenende langsamer angehen zu lassen.

Aus der langen Reihe derer Piloten, welche sich nur mit einem Sieg noch Hoffnungen auf eine Chase-Qualifikation hätten machen können, zeigten die Roush-Teamkollegen David Ragan und Greg Biffle sowie Earnhardt/Ganassi-Pilot Juan Pablo Montoya die vielversprechendsten Auftritte. Ragan hielt sich nahezu die komplette Renndistanz über in den Top 10 auf und beendete das 400-Runden-Rennen unter Flutlicht schließlich auf Platz vier. Teamkollege Biffle lag nach zwischenzeitlicher Führung sogar auf Kurs zu einer noch besseren Platzierung, musste in der Schlussphase mit älteren Reifen als die Konkurrenz allerdings abreißen lassen und lief unter dem Strich als 13. ein.

Juan Pablo Montoya startete stark in das Rennen und fand sich nach einem Drittel der Renndistanz auf Platz drei wieder. Im Zuge der ersten Kollision zwischen Kurt Busch und Jimmie Johnson musste der Kolumbianer - nachdem er dem Penske-Dodge von Busch nicht mehr ausweichen konnte - einen längeren Boxenstopp einlegen und konnte letztlich nicht mehr als Platz sieben realisieren. Angesichts der Platzierung von Brad Keselowski hätte Montoya allerdings genau wie Biffle auch ein Sieg nicht weitergeholfen, da Keselowski letztlich über die Wildcard und nicht über die Top 10 der Gesamtwertung in den Chase einzog.

Neue Vorzeichen im Kampf um den Titel

Somit gehen Kyle Busch und Kevin Harvick dank der Bonuspunkte für ihre jeweiligen vier Saisonsiege punktgleich mit 2012 Zählern als Tabellenführer in die entscheidenden zehn Meisterschaftsläufe. Der dreifache Saisonsieger Jeff Gordon folgt mit drei Punkten Abstand auf das Führungsduo auf Rang drei. Dahinter reiht sich Matt Kenseth dank seiner zwei Triumphe im Verlauf der Regular-Season als Vierter ein.

Die Positionen fünf bis acht belegen Carl Edwards, Jimmie Johnson, Kurt Busch und Ryan Newman, die allesamt einen Saisonsieg zu Buche stehen haben. Tony Sewart und Dale Earnhardt Jr. komplettieren einzig und allein dank ihrer Punkteausbeute während der ersten 26 Saisonrennen die Top 10. Auf den Plätzen elf und zwölf folgen die beiden Wildcard-Piloten Brad Keselowski (drei Saisonsiege) und Denny Hamlin (ein Sieg).

Anders als in den vergangenen Jahren steigt das erste von zehn Chase-Rennen am kommenden Wochenende nicht auf dem Ein-Meilen-Oval in Loudon, sondern auf dem Chicagoland Speedway, der das erste von insgesamt fünf Chase-Rennen auf 1,5-Meilen-Ovalen beherbergt. Der New Hampshire Motor Speedway in Loudon folgt eine Woche später.