• 28.07.2008 00:27

  • von Pete Fink

Indy: NASCAR auf Formel-1-Spuren - Johnson siegt

Jimmie Johnson gewann ein Reifen-Desaster von Indianapolis, in dem nicht mehr als zwölf Rennrunden am Stück gefahren werden konnten

(Motorsport-Total.com) - 2005 erlebte die Formel 1 in Indianapolis ihr persönliches Reifen-Fiasko, und drei Jahre später schlitterte auch die NASCAR beim Brickyard 400 nur um ein hauchdünnes Haar an einer Wiederholung der damaligen Ereignisse vorbei. Das große Problem bestand darin, dass sich der Reifenverschleiß auf der rechten Fahrzeugseite als so extrem entpuppte, dass nicht mehr als zwölf Rennrunden am Stück möglich waren. Zudem kündigte sich ein Reifenschaden jeweils mit einer nur sehr kurzen Periode der Vorwarnung an.

Titel-Bild zur News: Jimmie Johnson

Jimmie Johnson gewann in Indianapolis sein zweites Saisonrennen

Vor allem der rechte Hinterreifen war es, der bei allen Sprint-Cup-Fahrzeugen in arge Mitleidenschaft gezogen wurde, doch entgegen den optimistischen Prophezeiungen der Offiziellen vor dem Rennen verbesserte sich der starke Reifenabrieb im Rennverlauf kaum. Die Folge waren insgesamt neun (!) Competition-Yellow-Phasen, die NASCAR über die gesamte Renndistanz von 400 Meilen ausgeben musste.#w1#

Somit konnte ein normales Renngeschehen natürlich nicht aufkommen, und Indianapolis anno 2008 entwickelte sich zu einem Überlebenskampf in Sachen Goodyear-Reifen, bei dem am Ende vor allem die cleveren Strategen an der Boxenmauer gefragt waren. Der große Unterschied zum Formel-1-Debakel von 2005: Wenigstens waren alle Autos mit von der Partie.

Jimmie Johnson blieb es schließlich vorbehalten, ein verdienter Sieger dieses denkwürdigen NASCAR-Rennens zu werden, das in den kommenden Wochen noch für viel Gesprächsstoff sorgen wird. Der Hendrick-Pilot und sein Crewchief Chad Knaus ließen sich während des natürlich extrem zerfahrenen Rennverlaufes nie auf riskante Abenteuer ein, und gewannen das Brickyard 400 von der Pole Position aus.

Überlebenskampf statt Renngeschehen

Goodyear Reifen

Der Stein des Anstosses - der überforderte Goodyear-Eagle von Indianapolis Zoom

Die Reifen-Opfer von Indianapolis waren logischerweise zahlreich: Mit Dale Earnhardt Jr. (Hendrick), Mark Martin (DEI), Ryan Newman (Penske), Juan Pablo Montoya (Ganassi) und Matt Kenseth (Roush-Ford) wurden gleich in der Anfangsphase einige Schwergewichte teilweise entscheidend zurück geworfen.

Parallel dazu packten viele Piloten die Gelegenheit abzusehender Grünphasen-Segmente beim Schopf, und brachten sich immer wieder durch schnelle Stopps mit nur zwei neuen Reifen in eine aussichtsreiche Position. In Runde 65 gab NASCAR bereits die vierte Competition Yellow aus, und dieses Mal schaffte es das Feld zum ersten Mal wenigstens zwölf komplette Runden am Stück ohne jegliche Reifenexplosionen abzuleisten.

Goodyear und NASCAR erwarteten für den Rennverlauf eine Verbesserung dieser dramatischen Situation, aber diese trat nur sehr zögerlich und auch nur sehr marginal ein - die rechten Hinterreifen waren gegen Rennmitte nach zehn bis zwölf Runden nach wie vor bis auf das Gewebe abgefahren.

Doch es gab auch positive Ausnahmen: A.J. Allmendinger (Red-Bull-Toyota) schien einer der wenigen zu sein, die sich gegen den Reifenabrieb relativ immun zeigten. Der Kalifornier ging in Runde 70 sogar in Front, als er sich an der Box mit vollem Risiko nur zwei neue Reifen holte. Ein heute bärenstarker Allmendinger blieb in der Spitzengruppe und beendete sein erstes Sprint-Cup-Rennen als Zehnter in den Top 10.

Edwards und Hamlin stark

Denny Hamlin

Denny Hamlin stieß urplötzlich ganz an die Spitze des Feldes vor Zoom

Der kapitale Motorschaden seines Red-Bull-Teamkollegens Brian Vickers in Runde 106 kam den Offiziellen wahrscheinlich gerade recht, denn das auf die Strecke verteilte Öl des Red-Bull-Camrys führte zu einer ausgedehnten Gelbphase, in der das Feld einige Umläufe hinter dem SafetyCar drehte. Zu diesem Zeitpunkt drohten den Teams aufgrund der zahlreichen Reifenwechsel die noch zur Verfügung stehenden Gummis auszugehen, weswegen Goodyear bereits den - noch weicheren - Pocono-Reifen aus dem Lager geholt hatte.

Neben dem jederzeit souverän agierenden Johnson schoben sich in Rennhälfte zwei sukzessive zwei ernsthafte Konkurrenten in den Vordergrund: Carl Edwards hielt seinen Roush-Ford permanent in Schlagdistanz zum amtierenden NASCAR-Champion, während Denny Hamlin (Gibbs-Toyota) von einem superschnellen Stopp mit nur zwei neuen Reifen profitierte - und sich plötzlich aus dem Nichts der Mit-Zwanziger kommend an der Spitze breit machte.

Der Gibbs-Pilot war der erste, der Johnson in der Folge wirklich in Probleme brachte, und nachdem zu diesem Zeitpunkt auch klar war, wie sich die Competition Yellows bis zum Rennende aufteilen würden, begannen die Strategiespiele nun mit aller Vehemenz.

Hamlin hielt sich zur Verwunderung der weit über 200.000 Zuschauer hartnäckig an der Spitze, während Dominator Johnson und auch Edwards Anflüge einer kurzen Schwächeperiode offenbarten. Johnsons Crewchief Chad Knaus war nun gezwungen, seine konservative Vier-Reifen-Strategie aufzugeben, denn durch die letzte Competition-Yellow-Phase sollte es dann doch noch zu einem Showdown über acht Runden kommen.

Schlusssprint entschädigt - Johnson gewinnt

Jimmie Johnson

Jimmie Johnson konnte am Ende hoch verdient mit den Ziegelsteinen schmusen Zoom

An der Box rissen Johnson und Edwards die Führungspositionen wieder an sich, während Hamlin nur als Dritter auf die Strecke zurück kam. Einmal an der Spitze gelegen, lies sich der amtierende NASCAR-Champion nun nicht mehr die Butter vom Brot nehmen, und hielt auch dem heftigen Druck von Edwards stand.

Der blaue Hendrick-Chevrolet war über nahezu alle Phasen des Brickyard 400 das bestimmende Fahrzeug, und gewann nach Phoenix sein zweites Saisonrennen. Es war nach 2006 auch der zweite Indianapolis-Erfolg von Johnson - und wenn die Statistik Recht behält, dann hat der Kalifornier nun gute Chancen auf den Titel, denn in der Vergangenheit gewann der spätere NASCAR-Champion auch oft in Indianapolis.

Hamlin wiederum überquerte die Ziellinie als Dritter vor einem starken Elliott Sadler (Evernham-Dodge), Jamie McMurray (Roush-Ford), Jeff Gordon (Hendrick-Chevrolet), Kasey Kahne (Evernham-Dodge), Greg Biffle (Roush-Ford) und Jeff Burton im besten Childress-Chevrolet.

Der nach wie vor Gesamtführende Kyle Busch (Gibbs-Toyota) wurde unauffälliger 15., während Matt Kenseth (Roush-Ford) und Kevin Harvick (Childress-Chevrolet) nach ihren frühen Unfällen im Kampf um den NASCAR-Chase herbe Rückschäge erlitten. Winzige sechs Punkte trennen Platz elf (Kenseth) und 13 (Harvick), dazwischen liegt noch Clint Bowyer (Childress-Chevrolet), der heute 19. wurde - es bleibt hochspannend im Playoff-Rennen.