• 09.10.2008 07:14

  • von Klaus Graf

Graf-Kolumne: Zwei Fahrer kämpfen um den Titel

Klaus Graf beleuchtet in seiner NASCAR-Kolumne das Talladega-Rennen, was Tony Stewart mit Kyle Busch zu tun hat, und wer 2008 um den Titel streiten wird

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Titel-Bild zur News:

Klaus Graf tippt auf ein Duell zwischen Jimmie Johnson und Carl Edwards

Talladega hat am vergangenen Wochenende wieder einmal so richtig zugeschlagen. Es war ein typisches Talladega-Rennen mit vielen großen Unfällen und einem klassischen Favoritensterben. Carl Edwards war einer der Auslöser und hat dabei mehr oder weniger alle Roush-Piloten eliminiert, was natürlich nicht ganz so clever war.

Talladega sah mit Tony Stewart aber auch einen Sieger, von dem viele meiner NASCAR-Bekannten vermutet haben, dass er in diesem Jahr kein Rennen mehr gewinnen wird, weil er für Toyota auch kein Rennen mehr gewinnen will - was sich letzten Endes jedoch ganz anders gezeigt hat.#w1#

Viele waren der Meinung, dass Tony wohl nicht mehr alles geben würde, aber er ist halt durch und durch ein Racer der dann zuschlägt, wenn er auch nur eine klitzekleine Chance auf einen Sieg wittert. Zudem war es nun einmal Talladega, wo ihm dieser eine Sieg noch gefehlt hat.

Vielleicht hätte Stewart auf einer anderen Strecke eine "wir-fahren-das-Ergebnis-nach-Hause"-Strategie angewendet und in den letzten Runden, in denen es um die Wurst geht, ein wenig zurückgesteckt. Aber Talladega gewinnen zu können, das ist für jeden NASCAR-Piloten etwas ganz spezielles.

Was steckt hinter der Kyle-Busch-Misere?

Tony Stewart Kyle Busch

Tony Stewart und Kyle Busch sind zwei Teamkollegen bei Gibbs-Toyota Zoom

Das Beispiel Tony Stewart und Kyle Busch ist übrigens wieder einmal ein perfektes Beispiel dafür, wie schnell sich die Dinge in diesem Sport verändern. In der NASCAR wird in jedem Bereich auf einem solch hohen Level operiert, dass schon Kleinigkeiten ausreichen, um jemand aus dem Tritt kommen zu lassen.

Da braucht es nur ein wenig Pech gleich zu Beginn des Chase - Begriffe wie Motivation oder die Mentalität sind dann nur Folgeerscheinungen. Am Schlimmsten aber ist das Gefühl, dass man plötzlich dem Geschehen hinterher rennen muss. Vor allem in der NASCAR, wo es Woche für Woche ohne Pause zur Sache geht.

Das Gibbs-Schiff kam blitzschnell ins Wackeln und ein Umstand hat diese Situation noch verstärkt: Bei Joe Gibbs Racing arbeiten alle drei Cup-Mannschaften direkt nebeneinander in einer einzigen großen Halle und es ist ja sonnenklar, dass sich da einige Leute gerade nach neuen Jobs umsehen.

Denn Tony Stewart macht 2009 sein eigenes Team auf und ich bin mir ganz sicher, dass da einige Gibbs-Leute mit ihm zu Stewart-Haas-Racing wechseln werden. Das neue Stewart-Haas-Team wird mindestens auf die doppelte Manpower anwachsen und irgendwo muss das Personal ja herkommen.

Jimmie Johnson zeigt wie es geht

Jimmie Johnson

Holt sich Jimmie Johnson 2008 tatsächlich seinen dritten Titel in Folge? Zoom

Am Einfachsten ist es dann natürlich, mit den Jungs zu reden, die Tony schon seit zehn oder 15 Jahren kennt. Das hat wiederum Konsequenzen für die Stabilität eines ganzen Teams, denn wie gesagt, und da wiederhole ich mich gerne: In der NASCAR machen schon die kleinsten Kleinigkeiten den entscheidenden Unterschied aus.

Mein persönliche Analyse lautet daher: Ein wenig Pech samt den ganzen Folgeerscheinungen auf der einen Seite, ein wenig Unruhe aus einer anderen Ecke, und schon läuft es einfach nicht mehr so - auch wenn Kyle Busch damit direkt gar nichts zu tun hat.

Das genaue Gegenteil davon ist auch ganz schnell gefunden und zwar bei Hendrick Motorsport: Das Team um Jimmie Johnson und Chad Knaus weiß zum Beispiel ganz genau, dass sie im Chase noch einmal zulegen müssen. Und das setzen sie auch gnadenlos und voll konzentriert um, wie die Ergebnisse zeigen.

Bei Carl Edwards sollte man sich seine Aktion von Kansas noch einmal bildlich vor Augen führen. Die Anfahrtsgeschwindigkeit in Kansas beträgt weit über 300 Stundenkilometer und er wusste, dass er in die Mauer fahren würde. Er hat zwar nicht damit gerechnet, dass der Aufprall so hart sein würde, aber ihm war klar, dass es eine Berührung geben wird.

Trotzdem verlegte er seinen Bremspunkt mal schnell um 20 Meter nach hinten, und dieses Risiko einzugehen, das ist schon enorm - um nicht zu sagen ein wenig verrückt. Aber das zeigt auch ganz klar, auf was für einem Level heutzutage an der Sprint-Cup-Spitze gefahren wird.

Der Tipp: Johnson gegen Edwards

Carl Edwards

Ob Rückwärtssalto oder Mauer - Carl Edwards macht gerne verrückte Sachen Zoom

Ich erwarte im Saisonfinale einen Zweikampf zwischen Jimmie Johnson und Carl Edwards. Klar hat auch Greg Biffle noch eine Chance, denn Jack Roush hat eine insgesamt unglaublich starke Ford-Flotte am Start. Aber ich glaube, dass sich der Titel 2008 auf ein Duell reduzieren wird.

Obwohl ich vermute, dass Johnson bereits jetzt nur noch schwer einzuholen sein wird, ist im Titelkampf noch gar nichts entschieden. Ein Reifenplatzer und die Sache kann binnen Sekunden schon wieder ganz anders aussehen. Ergo: Die Nase vorne haben wird am Ende der, der am wenigsten Missgeschicke erleiden muss.

Vielleicht noch ein Wort zu Scott Speed: Sicherlich hat er bisher in der ARCA-Serie und bei den Trucks einen guten Job gemacht, aber er wird ganz schnell merken, dass im Cup noch einmal ein ganz anderer Wind weht. Zudem hat er mit Brian Vickers einen superstarken Teamkollegen und da wird er sich schon beweisen müssen.

Ryan Newman hat den Sprung in den Cup damals übrigens auch direkt von der ARCA-Serie gemacht, möglich ist es also schon. Aber die Aufbauarbeit von Speed ist mit seinem Cup-Debüt in Charlotte noch lange nicht vorbei. Optimal wäre es wahrscheinlich, wenn er 2009 ein Doppelprogramm mit der Nationwide-Serie fahren könnte, denn in der NASCAR zählt bekanntlich jeder Kilometer.

Herzliche Grüße

Klaus Graf