• 16.06.2008 17:18

Das große Siegerinterview mit Dale Earnhardt Jr.

Nach dem LifeLock 400 sprach NASCAR-Superstar Dale Earnhardt Jr. auf der Pressekonferenz natürlich über seinen langersehnten Michigan-Sieg

(Motorsport-Total.com) - Dale Earnhardt Jr. sprach in der Pressekonferenz nach seinem historischen Sieg in Michigan ausführlich über alle Details des dramatischen Finales, in dem der NASCAR-Superstar eine Phase von über zwei sieglosen Jahren beenden konnte. Aber auch seine Titelchancen, sein Selbstbewusstsein und seine Beziehung zu Tony Eury Jr. kamen zur Sprache.

Titel-Bild zur News: Dale Earnhardt Jr.

Nicht nur im Hendrick-Lager herrschte großer Jubel nach dem Earnhardt-Sieg

Frage: "Dale, dies ist dein 18. Sieg im 306 Sprint-Cup-Rennen und dein erster Erfolg seit Richmond 2006. Was ist heute genau passiert?"
Dale Earnhardt Jr.: "Am Anfang lief alles gut, wir hatten ein Top-5-Auto. In den ersten 20 Runden eines Stints hatten wir Übersteuern, doch in den letzten 20 Runden waren wir dann eines der besten Autos auf der Strecke. Dann fuhren wir zu unserem letzten Boxenstopp und hatten für sechs Runden zu wenig Benzin an Bord. Diese sechs Runden habe ich aufholen können."#w1#

"Es war eine Menge Glück dabei. Es war auch ein großes Risiko, um das Wort Dreistigkeit nicht in den Mund zu nehmen. Tony Eury Jr. hat das alles gemacht, er hat uns in dieser Saison schon einige bessere Ergebnisse eingebracht, als wir es vielleicht verdient hätten. Normalerweise würden wir ein Top-5-Ergebnis nicht aufs Spiel setzen, denn die Erfolgschancen stehen 50/50, aber heute war das richtig."

"20 Runden vor dem Ende hat er mir das Szenario geschildert. Er sagte mir, dass es hinter mir Jungs gäbe, die es bis zum Ende schaffen würden. Wenn ich tanke, dann würden die mich schlagen. Und wenn wir ohne Sprit liegen bleiben, dann werden wir 25. Wenn wir aber tanken, dann werden wir auch 25., also lautete das Spiel alles oder nichts."

"Daher begann ich Benzin zu sparen und wenn wir es nicht schaffen würden, dann war das kein großes Problem, denn wir waren den ganzen Tag über schnell unterwegs und mir hat unsere Vorstellung richtig gut gefallen. Wenn man nur auf ein Blatt Papier blickt, dann sieht man niemals, wie gut ein Team wirklich ist."

Earnhardt gegen McMurray mit Viertelgas

Dale Earnhardt Jr.

Am Ende mussten die Mechaniker den Earnhardt-Chevy in die Box schieben Zoom

"Daher war ich eigentlich ganz zufrieden und überhaupt nicht nervös. Dann kam Jamie McMurray von hinten daher und ich fragte Tony Jr., ob ich gegen ihn fahren soll oder weiter Benzin sparen soll, denn ich habe das Gaspedal auf den Geraden nur zu einem Viertel durchgedrückt."

"Er sagte: 'Ich weiß nicht, was ich dir jetzt erzählen soll.' Dann fragte ich ihn wer denn gerade in Führung liegen würde und er sagte: 'Du.' Da dachte ich mir, mensch, jetzt solltest du besser versuchen zu gewinnen, denn da waren nur noch vier oder fünf Runden zu fahren, also habe ich ihn wieder überholt."

"Dann hat mich Jamie wieder überholt und ich habe mich gefragt, ob wir hier nun Sprit sparen oder ein Rennen fahren, das war schon richtig komisch. Es sah so aus, als würden wir uns bis aufs Messer bekämpfen, dabei sind wir nur mit einem Viertel Gas nebeneinander hergefahren."

"Wahrscheinlich hat es so ausgesehen, als würden wir richtig hart fahren, aber im Prinzip habe ich dann auf der Geraden das Gaspegal zu drei Achtel runtergedrückt und er hat das Gefecht dann auf der nächsten Geraden mit einem Gasstoß von einem Viertel gekontert. Als dann die Verlängerung kam, war ich deprimiert, aber es hat ja noch geklappt. Wir haben es halt versucht, wir wurden bei so etwas so oft geschlagen, es fühlt sich richtig gut an, dass es geklappt hat."

Frage: "Kannst du uns sagen, wann genau dir das Benzin ausgegangen ist? War das auf der Gegengerade auf der letzten Runde? Musstest du in Turn 3 nach unten fahren und hast du somit ein paar Tropfen Sprit gefunden, die dich über die Ziellinie retteten?"
Earnhardt Jr.: "Nein, er fuhr noch. Als die Gelbe Flagge kam, habe ich den Motor sofort ausgeschalten und durch Turn 3 und 4 wieder angemacht. Er lief bis zur Zielflagge. Erst als ich in die Boxengasse einbog und zu meinen Jungs fahren wollte, war dann Ende. Ich glaube, ich hatte genug Benzin, um das Rennen unter Grün zu beenden."

Motor an - Motor aus

Dale Earnhardt Jr.

Der Earnhardt-Chevy war in Michigan eigentlich kein Siegerauto Zoom

Frage: "Du hast unter Gelb das Pace-Car überholt. Vergangenes Jahr hat jeder auf Greg Biffle eingeschlagen, als er das in Kansas gemacht hat. Wie genau sind dabei die Regeln? Hast du das solange gemacht, bis NASCAR dir sagte, dass du damit aufhören sollst?"
Earnhardt Jr.: "So ungefähr. Jeder da draußen hat immer wieder seinen Motor abgestellt, ist eine halbe Gerade gerollt und hat die Maschine dann wieder angeworfen. Ich habe das gemacht und viele Kollegen haben das bereits ein Jahr oder länger so praktiziert. Eigentlich gibt es auch keine Regel, die dir das verbietet. Ich wollte nur etwas länger rollen, habe mehr Gas gegeben und bin so am Pace-Car vorbeigerollt"

"Dann kam NASCAR und sagte, ich solle damit aufhören, oder sie würden mich bestrafen. Ich kann mir schon vorstellen, wie das ausgesehen hat, speziell, wenn du kein Dale Jr. Fan bist. Ich weiß auch nicht genau, was sie am Montag deswegen alles schreiben werden - aber zur Hölle damit. Meine Fans sind glücklich und ich freue mich für sie. Die andere Hälfte wird sich darüber mokieren, wie wir das Rennen gewonnen haben."

Frage: "Wie wichtig ist dieser Sieg für NASCAR, speziell in Anbetracht dessen, welche dunklen Wolken sich in dieser Woche aufgetürmt haben?"
Earnhardt Jr.: "Das weiß ich nicht. Da gibt es andere Leute hier, die das besser beurteilen können. Ich denke, dass dies gut für den Sport ist. Die TV-Ratings gehen hoch, die Zuschauerzahlen schwanken etwas, aber das hat wohl mehr mit der Hitze und den Benzinpreisen zu tun. Das Racing ist immer noch das Gleiche und das Drama und die Aufregung, so ein Wochenende mitzuerleben, macht genau so viel Spaß wie immer."

"Ich freue mich für mein Team, für uns ist das gewaltig. Wenn es auch NASCAR und Brian France hilft, dann umso besser. Wir haben für diesen Sieg so hart gearbeitet und nun haben wir sogar zehn Bonuspunkte im Chase. Das ist doch großartig."

Frage: "Wie steht es um dein Selbstbewusstsein? Es ist ja nicht so, als hättest du große Probleme, denn es macht den Anschein, als würdest du schon ewig auf Platz drei in der Gesamtwertung stehen. Aber gab es in den vergangenen zwei Jahren stille Momente, in denen du heimlich damit gerechnet hast, dass du in diesem Leben nicht mehr gewinnen kannst?"
Earnhardt Jr.: "Nein, das habe ich mich nie gefragt. Ich werde noch eine ganze Zeitlang hier sein und ich werde Gelegenheiten haben, gute Rennautos zu fahren. Die sieglose Zeit hat mich nicht so sehr frustriert, wie die meisten Leute glauben. Ich war zufrieden damit, wo ich war und ich war auch mit unserer Leistung bisher zufrieden. Ich bin sehr glücklich mit dem, was ich habe."

Eine Frage der Umstände

Dale Earnhardt Jr. Carl Edwards

Konstant war Earnhardt Jr. 2008 schon lange, es fehlte einfach der Sieg Zoom

"Aber natürlich habe ich auch das Gewinnen vermisst und das hat mir die Motivation gegeben, wieder in die Victory Lane zu fahren. Die Durststrecke hat mich aber nicht geärgert. Ich war gut unterwegs, ich habe einen guten Job, ich habe das getan, was man von mir erwartet. Es war nur eine Frage der Umstände, bis wir wieder in die Victory Lane fahren würden."

Frage: "Wie befriedigend war dieser Sieg heute im Hinblick auf die Kritiker und Skeptiker, das alles mit einem schnellen Auto, einer guten Strategie und einem cleveren Fahrstil zu erreichen?"
Earnhardt Jr.: "Wir haben gute Resultate erzielt, wir waren solide unterwegs und da ist es schon leicht, etwas ungeduldig zu werden. Aber wir lernen dieses Auto immer noch kennen. Wir arbeiten und machen Fortschritte, aber das Wichtigste ist, nicht ungeduldig zu werden. Dieser Sieg hilft uns dabei und öffnet hoffentlich weitere Gelegenheiten. Es ist Schicksal, wir sind jede Woche in den Top 5 und wie ich bereits sagte, dann ist es am Ende auch eine Frage der Umstände."

Frage: "Jetzt ist die Siegfrage endlich aus dem Weg geschafft, nun kannst du dich voll auf die Meisterschaft konzentrieren. Wie wichtig sind die kommenden Rennen über den Sommer in Richtung Chase und in der Hinsicht, in diesem Jahr ein Meisterschaftskandidat zu sein?"
Earnhardt Jr.: "Wir haben das Potenzial dazu und die Strecken speziell im Chase liegen mir. Im Sommer ist es für mich immer etwas schwerer, denn Strecken wie Pocono oder die Rundkurse will ich eigentlich gerne hinter mir sehen. Im Sommer waren wir die letzten acht Jahre nie richtig gut. Aber vielleicht überraschen wir in diesem Jahr, wer weiß."

Frage: "Verglichen mit anderen deiner Siege, wo würdest du diesen Erfolg einordnen, speziell unter dem Gesichtspunkt deiner zweijährigen Durststrecke?"
Earnhardt Jr.: "Ich würde ihn schon in die Top 5 einordnen, denn da gibt es so viele Kleinigkeiten drum herum. Es gibt viele nette Dinge, zum Beispiel scherzen wir, dass wir nun etwas mehr Platz bei Hendrick brauchen, um die ganzen Banner aufzuhängen. Diese Woche haben wir sicher viel Arbeit mit den Medien und auch unsere Sponsoren wollen mit uns feiern."

Über die Beziehung zum Crewchief

Dale Earnhardt Jun.

Dale Earnhardt Jr. und Tony Eury Jr. arbeiten schon viele Jahre zusammen Zoom

Frage: "Tony Eury Jr. wurde oft kritisiert und viele Leute verstehen die Beziehung nicht, die ihr beide habt. Für alle Zweifler, die ihm die Schuld gegeben haben, kannst du das einmal aus deiner Perspektive erläutern?"
Earnhardt Jr.: "Vielleicht wird das immer unterschätzt, aber jedes Mal, wenn ich in ein Rennauto steige, habe ich volles Vertrauen in ihn. Ich bin sein härtester Kritiker, er ist mein härtester Kritiker und wir wollen beide nur das Beste füreinander. Das funktioniert auf beiden Seiten, denn er fühlt genau wie ich."

"Wenn ich der Meinung bin, dass es an irgendeinem Freitag oder Samstag nicht in die richtige Richtung geht, dann sprechen wir miteinander - auf unsere eigene Art und Weise. Wir machen die Türe hinter uns zu und legen los. Das ist großartig, denn ich habe keine Lust in der Garage herum zu stehen, mir auf die Lippen zu beißen und wütend zu werden."

"Als Fahrer hat man viele Möglichkeiten, um in diesem Sport besser und erfahrener zu werden. Man wird professioneller in der Art und Weise wie man spricht, wie man mit den Dingen umgeht, man erkennt, wenn es besser ist, den Mund zu halten und vielleicht zieht man auch andere Klamotten an, was auch immer."

"Aber es gibt eine Sache, die sich niemals ändern wird und das ist die Art und Weise wie Tony Jr. und ich zusammenarbeiten. Die Leute sollten sich daran gewöhnen, denn so sind wir nun einmal und wir werden uns nicht ändern. Solange wir zusammenarbeiten - und ich wünsche, dass dies für immer ist - wollen wir das Beste füreinander.

"Wenn ich an einer Rennstrecke auftauche und Tony Jr. bemerkt, dass ich gerade nur 80 Prozent gebe, dann wäre ich sehr enttäuscht, wenn er mir nicht in den Hintern treten würde. Er pusht mich und das brauche ich. Und ich pushe ihn um sicherzustellen, dass er das tut, was er tun muss. Es ist halt noch die alte Schule."