• 18.03.2010 07:53

  • von Pete Fink

Circus Maximus in Bristol

Es ist das Kolosseum der NASCAR und viele Anzeichen deuten auf ein spektakuläres Bristol-Rennen hin: Die Brüder Busch und "Bad Brad Crashalotski"

(Motorsport-Total.com) - "Wenn du wirklich glaubst, dass das hier alles bislang abgefahren war, dann warte mal ab, bis du in Bristol warst", raunte Juan Pablo Montoya Anfang der Saison 2008 seinem damaligen Ganassi-Teamkollegen und NASCAR-Neueinsteiger Dario Franchitti ins Ohr. Und der Kolumbianer weiß, wovon er spricht: Bristol ist das Kolosseum der NASCAR, der Circus Maximus der StockCar-Piloten.

Titel-Bild zur News: Bristol

Über 160.000 Zuschauer werden auch am Sonntag im Bristol Motor Speedway sein

Daytona gilt allgemein hin als Heimat der NASCAR, effektiv ist es der Charlotte Motor Speedway, weil dort in unmittelbarer Umgebung nahezu alle NASCAR-Teams beheimatet sind. Aber die beiden Bristol-Wochenenden sind mit Sicherheit die verrücktesten Events des gesamten Jahres, und am kommenden Wochenende steht mit dem Food City 500 die Nummer eins an.#w1#

Die Faszination Bristol ist nur sehr schwer in Worte zu fassen. Man muss es gesehen haben, wenn über 160.000 Zuschauer auf schier in den Himmel ragenden Tribünen dicht an einer nur 800 Meter langen Kampfbahn mit einer Kurvenneigung von bis zu 34 Grad sitzen. Und das ganze Paket liegt mitten in der US-amerikanischen Pampa, also genau dort, wo man es am Wenigsten erwarten würde.

Denn wenn man von Charlotte aus in Richtung des Mittelgebirgszuges der Appalachen fährt, dann trifft man auf Bäume, Wald und Landschaft soweit das Auge reicht. Man bewegt sich auf einer der Hauptschmuggelrouten der ehemaligen "Bootleggers", die ihren selbst gebrauten "Moonshine" von den weiträumigen Bergen in die Metropolen im Süden transportierten.

Short-Track-Time und ein einmaliger Rekord

Bristol Motor Speedway

Der Bristol Motor Speedway ist schon von außen ein beeindruckendes Bauwerk Zoom

Die ganze Gegend atmet also NASCAR-Tradition pur und irgendwann kommt der Reisende eben auch nach Bristol, einem kleinen Örtchen mitten in den Wäldern, das gleich in zwei US-Bundesstaaten liegt. Denn die Staatsgrenze von Tennessee und Virginia läuft kurioserweise quer über die Hauptstrasse des beschaulichen Städtchens.

Der Speedway selbst liegt in Tennessee, etwa fünf Meilen vom Ortszentrum entfernt. Und schon von außen betrachtet wirkt das Areal wirklich wie das Kolosseum im alten Rom. Steht man aber im Infield, dann erwartet man jeden Moment ein Vierergespann mit Ben Hur am Steuer aus den Katakomben herausstürmen, die von über 160.000 begeisterten Zuschauern angefeuert werden.

Spätestens dann ist klar: Es ist wieder Short-Track-Time im Sprint-Cup. Keine Superspeedways mit ihren Restrictor-Plates, keine Intermediate-Ovale, sondern beinharter Lackaustausch auf aller engstem Raum, was nicht nur Außenstehende gerne als "Demolition-Derby" bezeichnen. Das Food City 500 anno 2010 ist Cup-Rennen Nummer 99 in Bristol.

Fast 50 Jahre besteht dieser einzigartige Motor Speedway bereits und er hält einen einsamen Rekord: Die letzten 55 Bristol-Rennen waren, auch in den jüngsten Krisenzeiten, restlos ausverkauft! Mehr noch: Selbst zum Nationwide-Auftritt der zweiten NASCAR-Liga am Samstagabend kommen im Normalfall weit über 100.000 Zuschauer.

Noch weniger Platz in Bristol

Kyle BuschBristol, Bristol Motor Speedway

Der Topfavorit: Kyle Busch gewann 2009 gleich beide Bristol-Rennen Zoom

Doch nun der große Haken: Seit die altehrwürdige Kampfbahn in der Saison 2007 neu asphaltiert wurde, gab es in Bristol kaum noch die atemberaubenden Short-Track-Klassiker. Wie etwa in der Saison 2009, als Kyle Busch und dessen Gibbs-Toyota das Feld zweimal in Grund und Boden fuhr. Insofern ist der wettbegeisterte NASCAR-Fan sicherlich nicht gut beraten, am Wochenende gegen die Startnummer 18 zu setzen.

Oder eben doch nicht? Denn sein damaliger Crewchief Steve Addington arbeitet heute am Penske-Dodge von Kurt Busch. Und der ältere Busch-Bruder hat in seiner NASCAR-Vergangenheit nicht weniger als fünfmal in Bristol gewinnen können. Kein Wunder also, wenn die NASCAR-Garage für das Food City 500 von der zu erwartenden Busch-Brothers-Show spricht.

Dazu kommt noch, dass die Speedway-Verantwortlichen über den Winter die Safer-Barriers in den Kurven um fast einen Meter nach innen gezogen haben. Die Folge: Noch weniger Platz. Oder wie Tony Stewart es formulierte: "immerhin haben sie sie lackiert, also sehen wir sie. Kein Zweifel: Es wird einen Unterschied machen. Am Kurvenausgang wird es noch enger, aber wir nutzen dort sowieso schon jeden Zentimeter an Platz."

"Bad Brad Crashalotski"

Denny Hamlin, Joey LoganoBristol, Bristol Motor Speedway

Rivalität: Was macht Denny Hamlin mit seinem Erzrivalen Brad Keselowski? Zoom

Und dann gibt es natürlich noch das brandaktuelle Thema der Rivalitäten. Bristol ist ganz sicher der geeignete Ort, um Privat-Scharmützel aller Art auf relativ gefahrlose Art und Weise auszutragen. Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn NASCAR am Sonntagabend eine Spezialkamera auf den Penske-Dodge von Brad Keselowski richten würde.

Denn "Bad Brad" oder "Brad Crashalotski", wie es Denny Hamlin via 'Twitter' elegant formulierte, hat sich durch seine jüngsten Äußerungen nach dem Edwards-Abschuss von Atlanta mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine neuen Sprint-Cup-Freunde gemacht.

Er wolle beweisen, dass er "nichts falsch gemacht habe und auch heute noch genau dieser Meinung" sei, gab Keselowski in der Off-Week zu Protokoll. Zudem traf er offenbar in einem Restaurant zufälligerweise auf Erzfeind Hamlin und schickte diesem eine Flasche Rotwein an dessen Tisch. Nur um wenig später via 'Twitter' zu vermelden: "Macht euch keine Sorgen, ich werde ihn nach wie vor hart bekämpfen."

Was macht Childress, was macht Montoya?

Bristol

Ab Freitag dröhnen die V8-Motoren in der NASCAR-Kampfbahn von Bristol Zoom

Unter dem Strich stehen also einige Anzeichen dafür, dass der Sonntagabend ein echter NASCAR-Klassiker werden könnte. Natürlich gibt es darüber hinaus auch rein sportliche Aspekte. Zum Beispiel darf man gespannt darauf sein, ob Gesamtleader Kevin Harvick und das in Bristol traditionell starke Childress-Team den Gebrüdern Busch in die Suppe spucken können. Harvick, Jeff Burton und Clint Bowyer feierten vor zwei Jahren einen sagenhaften Dreifach-Erfolg.

Interessant ist auch die Stimmung im Earnhardt/Ganassi-Lager. "Der Sieg kann auf jeder Strecke kommen", meint etwa Montoya-Spotter Tab Boyd gegenüber 'Motorsport-Total.com'. Bristol ist Boyds offizielles Lieblingsrennen und sein kolumbianischer Schützling sah im NASCAR-Kolosseum immer gut aus - wenn er heil durch die 500 Runden kam.

Dazu hat das Food City 500 als fünftes Saisonrennen auch am hinteren Ende der Tabelle entscheidenden Charakter. Denn nach dem Fallen der Zielflagge ist endgültig Schluss mit der bis jetzt immer noch gültigen Ownerwertung aus dem Jahr 2009. Ab Bristol wird jede Woche neu gerechnet, wer in den Top 35 steht, und wer nicht.

Die Startflagge zum ersten von insgesamt zwei Bristol-Rennen des Sprint-Cup-Jahres 2010 fällt am Sonntagabend - aufgrund der USA-Sommerzeit, bereits um kurz nach 18:00 Uhr MEZ. Die Qualifikation der 45 Kandidaten geht wie immer am Freitagabend ab 20:40 Uhr über die Bühne. "Gentlemen, start your engines" in "Thunder Valley".

Die Meldeliste zum Food City 500:

01. 00 David Reutimann (MWR-Toyota)
02. 1 Jamie McMurray (EGR-Chevrolet)
03. 2 Kurt Busch (Penske-Dodge)
04. 5 Mark Martin (Hendrick-Chevrolet)
05. 6 David Ragan (Roush-Ford)
06. 7 Robby Gordon (Gordon-Toyota)
07. 9 Kasey Kahne (Petty/Yates-Ford)
08. 09 Aric Almirola (Phoenix-Chevrolet)
09. 11 Denny Hamlin (Gibbs-Toyota)
10. 12 Brad Keselowski (Penske-Dodge)
11. 13 Max Papis (Germain-Toyota)
12. 14 Tony Stewart (SHR-Chevrolet)
13. 16 Greg Biffle (Roush-Ford)
14. 17 Matt Kenseth (Roush-Ford)
15. 18 Kyle Busch (Gibbs-Toyota)
16. 19 Elliott Sadler (Petty/Yates-Ford)
17. 20 Joey Logano (Gibbs-Toyota)
18. 24 Jeff Gordon (Hendrick-Chevrolet)
19. 26 David Stremme (Latitude-Ford)
20. 29 Kevin Harvick (Childress-Chevrolet)
21. 31 Jeff Burton (Childress-Chevrolet)
22. 33 Clint Bowyer (Childress-Chevrolet)
23. 34 Travis Kvapil (Front-Row-Ford)
24. 36 Mike Bliss (Baldwin-Chevrolet)
25. 37 Kevin Conway (Front-Row-Ford)
26. 38 David Gilliland (Front-Row-Ford)
27. 39 Ryan Newman (SHR-Chevrolet)
28. 42 Juan Pablo Montoya (Earnhardt/Ganassi-Chevrolet)
29. 43 A.J. Allmendinger (Petty/Yates-Ford)
30. 46 Terry Cook (Cook-Dodge)
31. 47 Marcos Ambrose (JTG/Waltrip-Toyota)
32. 48 Jimmie Johnson (Hendrick-Chevrolet)
33. 55 Michael Waltrip (Prism-Toyota)
34. 56 Martin Truex Jr. (MWR-Toyota)
35. 66 Dave Blaney (Prism-Toyota)
36. 71 Bobby Labonte (TRG-Chevrolet)
37. 77 Sam Hornish Jr. (Penske-Dodge)
38. 78 Regan Smith (Furniture-Row-Chevrolet)
39. 82 Scott Speed (Red-Bull-Toyota)
40. 83 Brian Vickers (Red-Bull-Toyota)
41. 87 Joe Nemechek (Nemco-Toyota)
42. 88 Dale Earnhardt Jr. (Hendrick-Chevrolet)
43. 90 Casey Mears (KeyedUp-Chevrolet)
44. 98 Paul Menard (Petty-Ford)
45. 99 Carl Edwards (Roush-Ford)