Chase-Drama für Newman und Gordon bei Sieg von Edwards
Carl Edwards siegt in Richmond - Kurt Busch schreibt Geschichte - Ryan Newman verpasst den Chase im Tie-Break, Jeff Gordon um zwei Punkte
(Motorsport-Total.com) - Dramatik pur in Richmond - und das gleich in mehrfacher Hinsicht: Das im Vorfeld erwartete Hauen und Stechen im Kampf um die fünf noch offenen Chase-Plätze gipfelte im Federated Auto Parts 400 auf dem 0,75-Meilen-Oval im US-Bundesstaat Virginia in einer turbulenten Schlussphase.

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Carl Edwards (Roush-Ford) jubelte über seinen zweiten Saisonsieg Zoom
Als sich Carl Edwards (Roush-Ford) nach 400 Runden vor Kurt Busch (Furniture-Row-Chevrolet) als Sieger des Rennens feiern ließ, hatten neben dem älteren der beiden Busch-Brothers sowie Dale Earnhardt Jr. und Greg Biffle in letzter Sekunde auch Joey Logano und Martin Truex Jr. den Sprung in den Chase geschafft. Unterdessen sind Jeff Gordon, Ryan Newman, Brad Keselowski, Jamie McMurray und Paul Menard beim NASCAR-Titelkampf 2013 während der kommenden zehn Wochen nur Zuschauer.
Im Zuge einer ruhigen Anfangsphase des wie üblich unter Flutlicht ausgetragenen Short-Track-Klassikers in Richmond gab es die erste Gelbphase erst in der 136. von 400 Runden aufgrund von Debris. Bis dahin hatten sich der von der Pole-Position gestartete Jeff Gordon (Hendrick-Chevrolet) sowie die ebenfalls auf einen Chase-Einzug hoffenden Fahrer Brad Keselowski (Penske-Ford), Kurt Busch und Jamie McMurray (Earnhardt/Ganassi-Chevrolet) allesamt an der Spitze gezeigt. Auch der bereits sicher in den diesjährigen NASCAR-Playoffs stehende Matt Kenseth (Gibbs-Toyota) führte im Zuge des langen ersten Green-Flag-Runs für einige Runden das Feld an.
Brad Keselowski und Kurt Busch kämpfen lange um Platz eins

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Die 2 und die 78 verbrachten mehr als die Hälfte der 400 Runden auf Platz eins Zoom
Nach dem ersten Restart entwickelte sich an der Spitze ein sehenswertes Duell zwischen dem amtierenden Sprint-Cup-Champion Brad Keselowski im Penske-Ford und Furniture-Row-Einzelkämpfer Kurt Busch. Die beiden zur Gruppe der zehn Hoffnungsträger auf einen Chase-Einzug gehörenden Fahrer wechselten sich bis zur dritten Gelbphase (Runde 268 aufgrund von Debris) mehrfach auf Platz eins ab: Je nach Lebensdauer der Reifen und der Spritladung hatte mal Keselowski, mal der ältere der beiden Busch-Brothers das besser liegende Auto.
Anschließend übernahmen Clint Bowyer (Waltrip-Toyota) und Roush-Speerspitze Carl Edwards das Kommando im Rennen, weil Kurt Busch mehrfach durch suboptimale Boxenstopps seiner Furniture-Row-Crew zurückgeworfen wurde und sich Brad Keselowski in ein Privatduell mit Kevin Harvick (Childress-Chevrolet) verstrickte: Nach rund zehn Runden Seite an Seite im Kampf um Platz zwei hinter Bowyer musste der amtierende NASCAR-Champion in Diensten von Penske Racing schließlich nachgeben und fiel kurz darauf weiter zurück.
Nachdem Edwards bis zehn Runden vor Schluss wie der Sieger aussah, setzte sich in der Schlussphase des 400-Runden-Rennens plötzlich Ryan Newman (Stewart/Haas-Chevrolet) nachdrücklich in Szene. Im Fernduell gegen den am hinteren Ende der Top 10 seine Runden drehenden Martin Truex Jr. (Waltrip-Toyota) ging es für Newman um die letzte Chance auf die zweite Wildcard für den Chase. Um diese zu bekommen, musste er das Rennen unbedingt gewinnen.
Dreher von Clint Bowyer lässt das Geschehen kippen

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Mit diesem Dreher kurz vor Schluss sorgte Clint Bowyer für Diskussionsstoff Zoom
Und tatsächlich: Elf Runden vor Schluss nahm Newman Edwards die Führung ab und schien vor den Augen seines mit gebrochenem Bein in der Boxengasse sitzenden Team-Owners Tony Stewart auf Kurs zum Chase-Einzug für Stewart/Haas Racing. Doch Newman freute sich zu früh. Acht Runden vor Schluss brachte der inzwischen auf Platz 16 zurückgefallene Clint Bowyer mit einem für Diskussionsstoff sorgenden Dreher ausgangs Turn 4 die fünfte und letzte Gelbphase der Richmond-Nacht heraus.
Bowyer war in Runde 345 genau wie Harvick, Keselowski und einige andere Fahrer auf dem falschen Fuß erwischt worden, als der nach diversen Problemen ohnehin weit abgeschlagene Jimmie Johnson (Hendrick-Chevrolet) mit einem Abflug nach Reifenschaden in Turn 1 die vierte Gelbphase herausgebracht hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren Bowyer, Harvick, Keselowski und Co. gerade unter Grün an der Box gewesen. Einige andere Fahrer, darunter Jeff Gordon, befanden sich gerade in der Boxengasse, als Gelb kam. Wieder andere wie Carl Edwards waren noch auf der Strecke und konnten bequem unter Gelb tanken.
Der Dreher von Bowyer in Runde 392 jedenfalls bereitete die Bühne für eine dramatische Schlussphase. Obwohl keine zehn Runden mehr zu fahren waren, entschied sich die Spitzengruppe für einen letzten Service, um vier frische Reifen abzuholen. Bei Spitzenreiter Newman klappte der entscheidende Stopp nicht wie gewünscht: Statt auf Platz eins, kam die einzige Chase-Hoffnung von Stewart/Haas Racing nur auf Platz drei aus der Boxengasse heraus. Paul Menard (Childress-Chevrolet) hatte sich mit nur zwei frischen Reifen auf Platz eins gezockt. Carl Edwards war in der Boxengasse ebenfalls an Newman vorbeigegangen.
Ryan Newmans Chase-Träume enden per Tie-Break

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Enttäuschung bei Ryan Newman und Boss Tony Stewart: Chase knapp verpasst Zoom
Beim letzten Restart kam es in Reihe eins zu einer leichten Berührung der Autos von Menard und Edwards. Der Roush-Ford mit der Startnummer 99 kam letztlich besser in die Gänge und Edwards fuhr seinen zweiten Saisonsieg nach Phoenix sicher vor Kurt Busch und dem unglücklichen Ryan Newman nach Hause. Erst im Ziel jedoch erfuhr Newman, wie knapp es wirklich war.
Im Fernduell um die zweite Wildcard brachte Martin Truex Jr. hinter Jamie McMurray (4.), dem mit nur zwei frischen Reifen machtlosen Menard (5.) und Matt Kensteh (6.) Platz sieben ins Ziel. Diese Platzierung reichte für Sonoma-Sieger Truex Jr., um sich die zweite Wildcard gegen Indianapolis-Sieger Newman trotz Punktegleichstand zu sichern. Den Ausschlag gab letztlich der zweite Platz von Truex Jr. aus dem April-Rennen auf dem Texas Motor Speedway.
Nicht ganz so knapp wie Newman, aber ebenfalls nur um Haaresbreite scheiterte Jeff Gordon in letzter Sekunde noch eine einem Einzug in den Chase. Der von der Pole-Position gestartete Hendrick-Pilot hatte im Anschluss an seine 49 Führungsrunden zu Beginn mit Handlingsproblemen zu kämpfen und fiel zurück. Ein unplanmäßiger Boxenstopp in Runde 224 aufgrund einer Vibration am rechten Vorderrad schien das Chase-Schicksal von Gordon bereits besiegelt zu haben.
Jeff Gordon verpasst den Chase-Einzug um zwei Punkte

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Nach 2005 ist Jeff Gordon zum zweiten Mal nicht im Chase-Teilnehmerfeld dabei Zoom
Doch mit Glück und dem Tempo seiner neuen Reifen brachte sich der vierfache NASCAR-Champion trotz eines Zwei-Runden-Rückstands kurz nach Halbzeit noch einmal zurück in den Kampf um Platz zehn in der Sprint-Cup-Gesamtwertung und somit in den Kampf um den Chase-Einzug. Die Debris-Caution in Runde 268 sah Jeff Gordon als Lucky-Dog und auch bei der durch Teamkollege Jimmie Johnson ausgelösten Caution in Runde 345 hatte Gordon Glück: Gerade in der Boxengasse, fuhr er ohne Stopp durch diese durch, holte sich damit erneut den Lucky-Dog und konnte so vor den finalen 150 Runden bequem unter Gelb tanken.
Zum Zeitpunkt, als Ryan Newman zehn Runden vor Schluss auf Siegkurs war, lag Gordon in der virtuellen Gesamtwertung mit zwei Punkten Vorsprung auf Joey Logano auf Rang zehn und damit auf Chase-Kurs. Doch genau wie die allerletzte Gelbphase durch den Bowyer-Dreher Newman einen Strich durch die Rechnung machte, so vermasselte sie auch Gordon die Nacht.
Im Schlussspurt der letzten Runden vor der Karierten Flagge brachte Gordon hinter Truex Jr., aber noch vor Mark Martin (Stewart/Haas-Chevrolet; 9.) und Ricky Stenhouse Jr. (Roush-Ford; 10.) Platz acht ins Ziel. Gleichzeitig fuhr sich Logano nach dem Bowyer-Dreher noch von Platz 25 auf Platz 22 nach vorn und rettete damit nach 26 Saisonrennen einen hauchdünnen Vorsprung von zwei Punkten gegenüber Gordon ins Ziel: Joey Logano ist somit genau wie Tie-Break-Sieger Martin Truex Jr. beim NASCAR-Titelkampf 2013 dabei. Jeff Gordon schaut genau wie Ryan Newman in die Röhre.
Brad Keselowski wird seinen Titel nicht verteidigen

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Keselowski: Nach Tony Stewart 2006 der zweite Champ, der nicht in den Chase fuhr Zoom
Auch Brad Keselowski (17.) schaffte trotz 142 Führungsrunden nicht das Wunder von Richmond und muss sich den Traum von einer erfolgreichen Verteidigung seines Sprint-Cup-Titels endgültig abschminken. Das Privatduell mit Harvick um Platz zwei, vor allem aber die Gelbphase aufgrund des Mauerkontakts von Jimmie Johnson hatten die letzten Hoffnungen des Penske-Piloten auf den Richmond-Sieg zunichte gemacht.
Jamie McMurray und Paul Menard hatten ohnehin nur eine sehr theoretische Chance auf den Einzug in den Chase. Beide hätten das Rennen gewinnen müssen, um überhaupt noch für die zweite Wildcard in Frage zu kommen. McMurray kam nach starker Vorstellung zwar als Vierter ins Ziel, verpasste den Sieg damit aber genauso wie der beim letzten Stopp auf Risiko gegangene Menard (5.).
Im Gegensatz dazu brachten Greg Biffle (Roush-Ford; 12.) und Dale Earnhardt Jr. (Hendrick-Chevrolet; 13.) mit gänzlich unauffälligen Auftritten im Federated Auto Parts 400 ihre Chase-Qualifikation in trockene Tücher. Kurt Busch schrieb dank Platz zwei im Rennen hinter Sieger Carl Edwards Geschichte: Mit dieser Platzierung sicherte sich auch der NASCAR-Champion des Jahres 2004 seine Teilnahme am diesjährigen Titelkampf. Geschichtsträchtig ist daran die Tatsache, dass Kurt Busch der erste Fahrer der zehnjährigen Chase-Geschichte ist, dem dies in Diensten eine Ein-Wagen-Teams gelungen ist.
Matt Kenseth als Tabellenführer zum Chase-Auftakt

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Dank seiner fünf Saisonsiege ist Matt Kenseth nun der neue Tabellenführer Zoom
Jimmie Johnson hatte seine Chase-Qualifkation schon seit dem zweiten August-Wochenende im Sack. In Richmond allerdings erlebte der fünffache NASCAR-Champion sein viertes rabenschwarzes Wochenende hintereinander. Aufgrund des Auslassens des Qualifyings vom Ende des Feldes gestartet, musste Johnson kurz nach Halbzeit der Distanz für einen Batteriewechsel in die Hendrick-Garage abbiegen.
Mit 24 Runden Rückstand ging der als Tabellenführer angereiste, nun zweifache Familienvater noch einmal auf die Bahn, krachte in Runde 345 aber nach Reifenschaden vorn rechts in die Mauer und wurde unterm Strich als 40. gewertet. In der Addition der Punkte aus den ersten 26 Saisonrennen musste sich Johnson somit im letzten Moment noch Richmond-Sieger Carl Edwards beugen.
Aufgrund des Angleichens der Punkte in Kombination mit den Bonuspunkten für die jeweiligen Saisonsiege aus den 26 Rennen der Regular-Season reist aber auch Edwards nicht als Tabellenführer zum Chase-Auftakt. Dieser Vorteil wird Matt Kenseth aufgrund seiner fünf Saisonsiege zuteil. Im Hinblick auf den Sprint-Cup-Titelkampf 2013 heißt es nun also: Es ist angerichtet. Das erste von zehn Chase-Rennen steigt am kommenden Sonntag auf dem Chicagoland Speedway.

