• 25.11.2007 15:54

  • von David Pergler

Car of Tomorrow - Car of Technology

Mit dem Wechsel zum Car of Tomorrow werden den Fahrern viele Einflussmöglichkeiten aus der Hand genommen - Segen oder Fluch?

(Motorsport-Total.com) - Denkt man an Stock-Cars, denkt man an neu aufgequälte Blechkisten, die sich von ihren Brüdern auf der Straße nur durch einen kraftvolleren Motor, einen Sicherheitskäfig und eine aufregende Lackierung unterschieden. Doch diese Zeiten sind längst vorbei - mit der Einführung des Car of Tomorrow (CoT) bewegte sich die Königsklasse des Stock-Car-Sports einen Schritt weiter auf die Plattform, wo sich die Formel 1 längst befindet.

Titel-Bild zur News: Greg Biffle

Roush-Pilot Greg Biffle findet das Car of Tomorrow zu technikverliebt

Nascar ist mittlerweile weit mehr, als bloßer Zeitvertreib alter PS-Haudegen, die nicht den Fuß vom Gaspedal lassen können - die Spirale der Professionalität macht auch vor Amerikas beliebtester Rennsportart nicht halt. Das bei den Fans aufgrund seines Aussehens schon nicht sonderlich beliebte CoT erfreut sich auch bei den Fahrern nicht gerade größter Beliebtheit, beispielsweise im Roush-Team.#w1#

Nachdem das CoT kommendes Jahr das einzige Rennauto sein wird, welches in der höchsten Nascar-Klasse eingesetzt werden darf, spielt die Technik eine immer größere Rolle, wenn man das richtige Setup finden will. Und das ist absolut wichtig in einer Sportart, wo es nicht nur um Zehntelsekunden, sondern gar um Hundertstel bis Tausendstelsekunden geht.

Computer schwingen das Zepter

Das Feedback der Fahrer darüber, wie sich das Auto verhält, bleibt nach wie vor wichtig, doch Jack Roush ist der Meinung, dass die Tage wo die Antworten eines Fahrers ausreichten, um ein Handlingsproblem zu lösen, vorbei seien. In der Vergangenheit genügten noch die Aussagen von Roush-Fahrer Greg Biffle, Matt Kenseth, Carl Edwards oder Jamie McMurray, um an dem Auto Einstellungen vorzunehmen, die das Fahrverhalten und damit die Durchschnittgeschwindigkeit des Autos verbessern sollten.

Diesen Job übernehmen jetzt Computersimulationsprogramme und andere Software-Tools, sowie der sogenannte "Seven-Post-Shaker-Rig", ein Gerät, welche die Dynamik der Aufhängung des Wagens auf der Strecke simulieren kann. "Manche Leute wissen es vielleicht noch nicht, aber diese CoT-Autos sind reine Ingenieurs-Spielplätze und man braucht Computer und allerlei Zubehör, um sie richtig zum Laufen zu bekommen", erklärte Biffle Mitte Oktober.

"Die Einflussmöglichkeiten eines Fahrers sind sehr beschränkt geworden" Greg Biffle

"Man braucht nach wie vor einen guten Fahrer, aber seine Einflussmöglichkeiten sind sehr beschränkt geworden. Wir waren in Loudon unterwegs und haben einen Kerl in Michigan angerufen, weil er ein Simulationsprogramm hatte, mit dem man herausfinden konnte, mit welcher Aufhängungskonfiguration wir am Besten ins Rennen gehen", erklärt der Roush-Pilot.

"Ich fühle mich, wie ein Formel-1-Fahrer. Was auch immer der Computer sagt, was auch immer der "Seven-Post-Shaker-Rig" befielt, ist das beste Setup für das Auto, welches man kriegen kann. Ich habe nur einige wenige Male erlebt, wo ich ein Setup gefunden habe, welches einen winzigen Hauch besser war, als das, welches der "Seven-Post-Shaker-Rig" vorgeschlagen hatte", erklärt Riffle, dass der Mensch auch durchaus mal den Kampf gegen die Maschine gewinnen kann.

Die Technik ist dem Menschen einen Schritt voraus

Nur man darf dabei eines nicht vergessen - die Zeit, Mühe und der Aufwand, welchen Riffle dafür wohl brauchte, um diese Setups zu finden stehen wohl in keinem Zusammenhang mit dem, was die Simulationen so ausspuckten. Der Sport befindet sich also auf der Schwelle zur Perfektion.

Teambesitzer Roush erklärt das ganze aus Fahrersicht: "Was Greg tun will, oder was ich, Matt oder Mark (Martin, Anm. d. red.) tun wollen, ist, sich einfach ins Auto zu setzen und sich zu sagen 'Alles klar, da hinten stimmt was noch nicht ganz, da hinten brauche ich noch etwas härtere Federn oder packt mir bitte dorthin etwas mehr Gewicht hin'

"Ich selbst und alle anderen Fahrer denken nur zwei- bis dreidimensional" Jack Roush

"Oder wenn es sich dann noch nicht richtig fährt, gehe ich etwas mit dem Reifendruck runter etc. Mit dem CoT kann der Fahrer diese Entscheidungen nicht mehr treffen. Alles, was dem Fahrer bleibt, ist: Er bekommt alle Daten und alle Unterstützung der Ingenieure und muss nur sagen 'Ok, mein größtes Problem ist Übersteuern, mein größtes Problem ist Untersteuern etc.'. Danach ziehen sich die Ingenieure zurück und überlegen und berechnen in vier- bis fünfdimensionalen Räumen, wo man das Gewicht umverteilen könnte oder den Sturz anpassen könnte, oder den Druck, oder die Federn", klagt Roush über die schwindende Transparenz.

"Ich selbst und alle anderen Fahrer denken nur zwei- bis dreidimensional. Wir können keine Entscheidungen treffen und sofort hundertprozentig wissen, welche Auswirkungen diese vier, fünf Wechsel haben werden", so Roush. Dazu sollte man noch wissen, dass bei der Einstellung eines Rennwagens alle Setupkomponenten miteinander zusammenhängen.

Beherrschung komplexer Systeme

Bei der Veränderung einer Einzelnen (wie etwas dem Reifendruck, der Spur- und Sturzeinstellung oder dem komplexen System aus Federn, Dämpfern und Federwegsbegrenzern) sind die Folgen noch relativ absehbar, doch wenn man vier bis fünf Wechsel auf einmal vornimmt, kann man später bei der Datenauswertung nur schwer zwischen Ursache und Wirkung unterscheiden.

Alle Einstellungsmöglichkeiten sind vernetzt und mehrere Sachen gleichzeitig zu verändern, heißt, in ein komplexes System einzugreifen. Das macht das Erstellen eines "handgemachten" Setups auch so schwierig und langwierig, weil man sich nur schrittweise vorantasten kann. Doch mittlerweile übernehmen immer öfter Computer diese Aufgaben, die eben jene komplexen Systeme meist auf numerischer Basis voraus berechnen können.

"Das Ganze wurde dem Fahrer aus der Hand genommen. Nicht im Sinne von Sammeln von Informationen, das ist nach wie vor wichtig, sondern in ihrer Auswertung und dem Ziehen der notwendigen Schlüsse aus diesen Informationen", erklärt Roush. Der Fahrer ist also nur noch unterwegs und gibt nur noch Auskunft über das Was, um das Wie und Warum kümmern sich Ingenieure und Software.

"Wir haben zwar noch nicht so was, aber ich denke, wir werden bald ein solches Gerät bekommen." Juan-Pablo Montoya

Juan-Pablo Montoya, der von einer extrem technikorientierten Serie in die Nascar wechselte, kann diesen Standpunkt nur bestätigen. Sein Team Chip Ganassi Racing verfügt zwar noch über kein "Seven-Post-Shaker-Rig", doch das soll sich bald ändern. "Je mehr Daten man sammeln und verarbeiten kann, desto besser ist man unterwegs", erklärt der "Rookie of the Year" aus Bogota. "Wir haben zwar noch nicht so was, aber ich denke, wir werden bald ein solches Gerät bekommen."

Roush-Pilot Biffle ist skeptisch: "Ich denke nicht, dass dies das Ziel der Nascar mit diesem neuen Auto war. Sie wollten es einführen, damit die Teams dichter zusammenwachsen, man wollte ein sichereres Auto haben und all das. Aber ich denke nicht, dass sie es erwartet hätten, dass die technische Komponente des ganzen so wachsen würde."