Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Marc Marquez

Es ist toll, dass Marc Marquez körperlich wieder fit ist - Aber mit seiner Erfahrung sollte er den Erfolg nicht mit der Brechstange erzwingen wollen

Titel-Bild zur News: Marc Marquez

Marquez hat sich beim Unfall eventuell einen Mittelhandknochen gebrochen Zoom

Liebe MotoGP-Fans,

ein turbulenter Saisonauftakt in Portugal liegt hinter uns, bei dem sich das Lazarett leider deutlich gefüllt hat. An dieser Stelle möchte ich allen Verletzten gute und rasche Genesung wünschen! Aus dieser Sicht war es natürlich ganz und gar kein schönes erstes Rennwochenende.

Ursprünglich wollte ich mich in unserer traditionellen Montagskolumne dem neuen Format mit Sprintrennen widmen. Mich hat das ganze nicht wirklich überzeugt, denn im Sprint wurde wie erwartet sehr aggressiv gefahren.

Man erzeugt damit natürlich viele Actionbilder für Instagram, TikTok und Co. Aber ob dafür dieses zusätzliche Risiko gerechtfertigt ist, mag ich bezweifeln. Da gibt es für die Dorna bestimmt auch andere Wege, unseren Sport besser zu promoten.

Aber es war erst das erste Wochenende. Sehen wir uns noch die nächsten an. Ich bin mir sicher, dass die Sprints und die generelle Aggressivität im Feld in den kommenden Wochen noch öfter Thema und Gegenstand unserer Kolumne sein werden.

Mit seiner Aktion im Grand Prix hat sich dann Marc Marquez praktisch selbst für diese Kolumne nominiert. Zunächst möchte ich aber festhalten, dass jedem Fahrer ein Fehler passieren kann. Auch einem achtmaligen Motorrad-Weltmeister.

Aber für mich hat er an diesem Wochenende den Eindruck hinterlassen, dass er den Erfolg mit der Brechstange erzwingen will. Es ist klar, dass die Honda RC213V noch nicht auf dem Level von Ducati und Aprilia ist. Honda war hinter KTM praktisch die vierte Kraft im Feld.

Trotzdem war das Qualifying von Marquez beeindruckend. Klar, er ist in Q1 die Rundenzeit hinter seinem Teamkollegen Joan Mir gefahren und in Q2 hinter Enea Bastianini. Er hat selbst gesagt, dass es nicht die feine Art ist, ein "Hinterradlutscher" zu sein.


Fotostrecke: Portimao: Marc Marquez reißt Martin und Oliveira aus dem Rennen

Aber dieser Rundenrekord ist mit der Honda eigentlich gar nicht möglich. Dass es Marquez trotzdem geschafft hat, zeigt einfach sein pures, unglaubliches Talent. Zu dieser Poleposition muss man ihm neidlos gratulieren.

Auch im Sprint hat er ein tolles Rennen gezeigt und seine Chancen zu nutzen gewusst. Wie gesagt, im Sprint sind eigentlich alle sehr aggressiv gefahren. Dass sich Marquez überhaupt im Spitzenfeld behaupten konnte, war eigentlich gar nicht so abzusehen.

Nach dem dritten Platz im Sprint hat er eine interessante Aussage getätigt: "Jetzt kann ich physischer fahren, wenn wir nicht durch Talent oder Performance nach vorne kommen. Davon kann ich profitieren. Es bedeutet auch mehr Risiko. Aber das kann ich jetzt wieder."

Das ist zunächst ein positives Zeichen, denn er kann seinen Körper und seine Kraft wieder einsetzen, um Schwächen der Honda zu kompensieren. Der lange Leidensweg scheint vorbei zu sein und sein rechter Arm wieder in Ordnung und stark genug.

Miguel Oliveira, Marc Marquez

Marc Marquez hat sich den Unmut der portugiesischen Fans zugezogen Zoom

Dazu kann man ihm in erster Linie auch beglückwünschen, dass er diese schwierigen drei Jahre gemeistert hat. Das war sein großes Ziel. Und sein nächste großes Ziel lautet natürlich, wieder Weltmeister zu werden. Sein Willen und sein Ehrgeiz sind riesengroß.

Aber wie eingangs erwähnt, sollte es Marquez nicht mit der Brechstange versuchen. Vor allem nicht mit seiner Erfahrung - sowohl sportlich als auch gesundheitlich. Honda wird irgendwann technisch wieder den Schritt nach vorne machen, davon bin ich überzeugt.

Bis Honda wieder diesen Punkt erreicht hat, sollte Marquez besonnener zu Werke gehen. Denn sonst landet er schneller wieder im Krankenhaus und kann sich von seinem großen Ziel vielleicht komplett verabschieden.

Update: Kurz nach Veröffentlichung dieser Kolumne hat Honda bestätigt, dass sich Marquez einen Knochen beim Daumen der rechten Hand gebrochen hat. Er wurde bereits operiert. Am kommenden Wochenende wird er in Argentinien nicht dabei sein.

Wer sonst noch schlecht geschlafen hat

Für die Aktion im Grand Prix hat Marquez für das nächste Hauptrennen zwei Long-Lap-Strafen erhalten. Dabei ist festzuhalten, dass er die Strafe nur im Sonntagsrennen absolvieren muss, nicht aber im Sprint.

Ist die Strafe zu mild? Einige Fahrer haben eine Rennsperre gefordert. Ich würde einen Start aus der Boxengasse für angemessen halten - sowohl im Sprint als auch im Hauptrennen. Aber die Rennkommissare haben jene Strafe ausgesprochen, die im Reglement festgehalten ist.

Trotzdem waren einige Entscheidungen seltsam. Luca Marini ging für den Unfall mit Enea Bastianini im Sprint straffrei aus. Joan Mir erhielt für eine Berührung mit Fabio Quartararo eine Long-Lap-Strafe, obwohl nur er gestürzt ist.

Enea Bastianini, Luca Marini

Luca Marini hat für den Sprint-Unfall mit Enea Bastianini keine Strafe erhalten Zoom

Die Begründung der Rennkommissare: Marini ist gestürzt und sein Motorrad hat dann Bastianini berührt. Deshalb gibt es keine Strafe. Mir hat mit dem Ellbogen Quartararo berührt. Und für diesen Kontakt gab es die Strafe. Muss man diese unterschiedliche Auslegung verstehen?

Ihr,


Gerald Dirnbeck

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