Stoner: "Ich gebe immer 120 Prozent"
Ducati-Fahrer Casey Stoner über seinen Sturz in Portugal, seinen bevorstehenden Teamwechsel und sein letztes Rennen für das italienische Ducati-Team
(Motorsport-Total.com) - Es ist eine Saison mit Höhen und Tiefen für Casey Stoner: Der australische Rennfahrer präsentierte sich 2010 mal in bestechender Form, mal in fehleranfälligem Zustand. Zuletzt leistete sich der frühere Weltmeister einmal mehr einen Sturz, als er beim Rennen in Estoril nicht über die Runden kam. In seiner Medienrunde vor dem Saisonfinale in Valencia nimmt Stoner Stellung zu dieser Entwicklung und spricht auch über seine Herangehensweise an dieses letzte Rennen für die Ducati-Mannschaft.

© Ducati
Casey Stoner startet am Wochenende zum letzten Mal für Ducati - und will siegen
Frage: "Casey, kannst du uns schildern, wie es zu deinem Ausfall beim Portugal-Event gekommen ist?"
Casey Stoner: "Ich war ziemlich zufrieden mit dem Bike. Auf der Bremse fühlte es sich recht stark an. Ich hatte insgesamt ein sehr gutes Gefühl. Zwei Runden vor meinem Aus verlor ich die Front ein ganz kleines bisschen. Das ist vollkommen normal. Ich dachte, ich hätte vielleicht eine feuchte Stelle erwischt."
"Aus diesem Grund blieb ich in der entsprechenden Kurve in den beiden folgenden Runden etwas weiter innen, denn da gab es eine trockene Rennlinie. Abseits davon war es noch immer feucht. Erneut verlor ich die Front, doch üblicherweise kann man das noch retten. Ich versuchte mein Möglichstes, doch mein Hinterrad kam dabei wahrscheinlich auf eine feuchte Stelle und ich stürzte."
"Die eigentliche Ursache war also, dass ich die Front verlor. Nur hätte ich diesen kleinen Rutscher sehr einfach wieder korrigieren können. Auf einer leicht feuchten Strecke ist das aber freilich nicht so einfach. Erneut endete ein Wochenende also vorzeitig für mich, weshalb ich etwas enttäuscht bin."
Valencia: Stoner verlässt Ducati
Frage: "Vor dir liegt das letzte Rennen mit Ducati. Wie fühlst du dich vor diesem Wochenende? Ist das eine emotionale Angelegenheit für dich?"
Stoner: "Um ehrlich zu sein: In dieser Saison war es immer das Gleiche für mich. Vielleicht wird es am Rennsonntag ein bisschen seltsam sein."
"Ich trete an, um zu gewinnen - auch wenn ich in diesem Jahr keine Titelchance mehr habe. Man mag mich vielleicht dafür kritisieren, doch ich fahre, um Rennen zu gewinnen und nicht, um Punkte zu holen. Mir ist es egal, ob ich letztendlich Vierter oder Fünfter in der Gesamtwertung bin. Das ist meine Herangehensweise."
"Das vergangene Rennen war ein gutes Beispiel dafür. Bei diesem letzten Rennen sollten wir eine gute Siegchance haben. Das ist das Beste, was ich für Ducati tun kann. Ich denke, wir hatten und haben noch immer eine gute Beziehung zueinander. In meinen Augen war die Entscheidung, das Team zu wechseln, viel schwieriger als der Wechsel an sich sein wird."
"Wir hatten ja nun fast ein Jahr, um uns mit dem Gedanken anzufreunden. Nach dem Rennen werde ich mich vielleicht in gewisser Weise traurig fühlen, andererseits natürlich auch aufgeregt sein. Ich gab und gebe immer 120 Prozent. Es ist nicht so, dass ich mich weniger anstrenge, nur weil ich das Team verlasse. Ich gebe niemals auf, sondern mache immer weiter."
"Ich denke, das konnte ich in diesem Jahr unter Beweis stellen. Bei diesem letzten Rennen wird das nicht anders sein. Es wird so sein wie bei meinem ersten Test 2007. Ich gebe mein Bestes - und das hat sich nie anders verhalten. Ich habe Ducati in den vergangenen vier Jahren stets mein Bestes gegeben. Mehr kann ich nicht tun. So gesehen wird das letzte Rennen keinen Unterschied ausmachen."
Frage: "Was ist deine beste Erinnerung an deine Ducati-Zeit?"
Stoner: "Der Gewinn der Meisterschaft ist natürlich darunter. Ich habe aber viele schöne Erinnerungen. Die Leute scheinen vergessen zu haben, dass wir in jedem Jahr wieder zurückgekommen sind, nachdem man uns bereits abgeschrieben hatte."
"Wir konnten immer wieder für Überraschungen sorgen und das überrascht auch mich selbst. Es ist ein schönes Gefühl, ein Comeback hinlegen zu können, wenn niemand damit rechnet, dass wir überhaupt konkurrenzfähig sein würden. 2008 ist ein gutes Beispiel dafür. Wir brachten es schlussendlich hin, das Bike zum Arbeiten zu bringen - aber leider immer zu spät."
"Wir haben nicht sehr viele Entwicklungen am Start und müssen aus diesem Grund einfach mit unserem Motorrad auskommen. Das ist nicht einfach, wo wir doch nicht testen und nur wenig Streckenzeit zur Verfügung haben. Das hat uns in diesem Jahr ein bisschen gehemmt, doch diesbezüglich sitzen alle im selben Boot. Wir haben einfach stets zu lange gebraucht, um in Schwung zu kommen."
Frage: "An welches Rennen hast du besonders gute Erinnerungen? An deinen Titelgewinn oder vielleicht an Estoril, wo du im vergangenen Jahr zurückgekommen bist?"
Stoner: "Am liebsten war mir das Rennen, nachdem wir die Meisterschaft gewonnen hatten. Der ganze Druck war weg und wir konnten als Weltmeister antreten."
"In Portugal kehrte ich 2009 wieder auf das Bike zurück und begann mich allmählich wohlzufühlen, sodass ich schon das Rennen danach gewinnen konnte. Das war toll. Es gibt viele solcher Momente. Die Meisterschaft zu gewinnen ist gewiss meine beste Erinnerung, aber das war nicht unbedingt unser bester Tag."
Die Crew als Schlüssel zum Erfolg?
Frage: "Im kommenden Jahr wirst du für Honda antreten, aber deine bisherige Crew dorthin mitnehmen. Wie wichtig ist das für dich?"
Stoner: "Für mich ist das meine Familie. Sie gehen mit mir durch dick und dünn. Ich mag meine Jungs und das beruht auf Gegenseitigkeit. Wir sind eine enge Familie geworden und es stand völlig außer Frage, dass wir künftig getrennte Wege verfolgen könnten."
"Es gab keinen Grund, um die Gerüchte in dieser Sache zu entkräften, denn es stand niemals zur Debatte, dass sie nicht bei einem anderen Team für mich da sein würden. Die vergangenen vier Jahre waren großartig und ich wollte es nicht dabei bewenden lassen."
Frage: "Was hat sich in den vergangenen Jahren in dieser Sache verändert? Heutzutage nimmt ein Fahrer bei einem Teamwechsel seine Crew zumeist mit - in der Vergangenheit war das nicht immer so. Was sollte uns das im Hinblick auf die Mannschaft sagen?"
Stoner: "Ich denke, wir Fahrer haben zuletzt einfach viel engere Bande zwischen uns und dem jeweiligen Team geknüpft. Außerdem hat man die Möglichkeit, sein Team mitzunehmen. Üblicherweise hatten die Teams früher auch die Mechaniker langfristig unter Vertrag."
"Wir haben nun nicht mehr so viel Streckenzeit wie früher, also ist es heutzutage umso wichtiger, ein gutes Setup hinzukriegen. Wenn du nur ein paar Meter später bremsen kannst, ist das ein großer Vorteil. Es ist wichtig, alles optimal auf die Reihe zu kriegen. Es ist einfacher, wenn du die Leute um dich herum kennst und ihnen vertrauen kannst."
"Da spielt auch das Testverbot mit rein. Bei der Weitergabe von Informationen müsste man sich sonst bei jedem Teamwechsel auf eine neue Crew einstellen. Früher waren die Fahrer auch recht lange bei einem Team beschäftigt. Es sah also nicht so aus, dass jeder seine Crew mitnehmen würde. Sie blieben einfach zusammen bei einem Rennstall und es gab nur wenige Veränderungen."
Frage: "Wie wichtig ist das Vertrauen in einem solchen Team?"
Stoner: "Das ist definitiv ein großer Teil des Ganzen. Über die Jahre sieht man viele Leute bei der Arbeit. Ich muss meinen Jungs aber nicht über die Schulter trauen. Ich kann ihnen vertrauen. In den vergangenen vier Jahren wurde ich niemals von der Arbeit meiner Jungs überrascht."
"Sie waren perfekt und haben quasi keine Fehler gemacht. Das ist eine gute Bilanz für eine so lange Zeitspanne. Es ist gut, dass man sich keine Sorgen darüber machen muss, ob alles richtig passt, wenn man auf die Strecke geht. Das ist klasse."
Frage: "Wann hast du deine Crew über deine Wechselabsicht unterrichtet?"
Stoner: "Während der Testfahrten gab es zwar noch keine Wechselabsicht, doch die Möglichkeit bestand. Dabei ging es darum, in Erfahrung zu bringen, was sie tun oder nicht tun würden."
"Das dürfte im Rahmen der Testfahrten im März gewesen sein - kurz vor dem ersten Rennen. Ich informierte meine Jungs, doch eine Entscheidung war damals noch nicht gefallen. Ich wollte einfach wissen, was sie davon halten würden. Ihre Reaktion fiel so aus, wie ich es erwartet hatte."
Große Aufgaben für Rossi und Stoner
Frage: "Was denkst du: Vor wem liegt die größere Herausforderung? Vor dir oder vor Valentino Rossi?"
Stoner: "Für uns beide wird es eine großer Herausforderung. Vielleicht ist seine Aufgabe etwas größer, denn er hat ein paar Jahre mehr bei Yamaha zugebracht."
"Er saß mehr Jahre auf dem gleichen Bike und hat mehr Zeit mit dem gleichen System gearbeitet. Ich war nicht so lange bei Ducati wie er bei Yamaha. Vielleicht stellt der Teamwechsel daher eine etwas größere Hürde für ihn dar als für mich."
"Es ist einfach anders, wenn man über viele Jahre hinweg etwas so oder so gewohnt war. Wir müssen einfach abwarten. Vielleicht fällt es ihm auch leichter, ich weiß es nicht. Es dürfte für uns beide sehr interessant werden, denn wir sind die einzigen aus den Top 5, die wechseln. Das ist doch eine aufregende Geschichte."
Frage: "Was hältst du von der aktuellen Rennsaison? Hat die MotoGP 2010 für gutes Spektakel gesorgt?"
Stoner: "Wahrscheinlich nicht (lacht; Anm. d. Red.). Es gab unterschiedliche Sieger, wie immer halt. Andererseits gab es da einige Verletzungen, weshalb uns vermutlich ein paar Duelle entgangen sind."
"Wir haben sonst viele Zweikämpfe um die Positionen eins bis vier gesehen, doch 2010 gab es auch viele Solofahrten an der Spitze. Diese Kategorie ist derart konkurrenzfähig geworden, dass sich kaum mehr jemand auf ein Duell einlassen will. Wir alle sitzen aber im selben Boot und arbeiten Woche für Woche daran, das beste Setup zu finden, um von der ersten Rennrunde bis zur Zieldurchfahrt schnell zu sein."
"Ich habe es schon öfters gesagt: Ich denke, bei mehr Bikes im Starterfeld hätte man auch eine größere Chance, weitere Zweikämpfe zu sehen. Hätten wir 2010 nicht so viele Verletzungen und ein etwas ebeneres Spielfeld gehabt, wären aber auch in diesem Jahr mehr Zweikämpfe möglich gewesen. Als Jorge erst einmal richtig in Fahrt war, konnte ihm niemand mehr gefährlich werden."

