Nach Superbike-Finale: MotoGP-Piloten diskutieren Stallregie

Nachdem Loris Baz seinen Teamkollegen Tom Sykes im Finale der Superbike-WM nicht überholen ließ, diskutieren die MotoGP-Piloten nun ähnliche Szenarien

(Motorsport-Total.com) - Das Finale der vergangenen Superbike-WM hat große Wellen geschlagen. Im ersten Rennen in Katar ließ Loris Baz seinen Kawasaki-Teamkollegen Tom Sykes nicht vorbei und dieser verlor den WM-Titel daraufhin mit nur sechs Punkten an den Franzosen Sylvain Guintoli. Während die beiden anschließend diverse Giftpfeile austauschten, diskutieren auch die MotoGP-Piloten darüber, ob eine Stallregie im Motorsport sinnvoll ist.

Titel-Bild zur News: Valentino Rossi, Jorge Lorenzo

Würde Jorge Lorenzo im Zweifelsfalls für Valentino Rossi Platz machen? Zoom

"Ich habe das Rennen zuhause auf dem Sofa gesehen", erinnert sich Weltmeister Marc Marquez und erklärt: "Es ist eine schwierige Sache, manche Leute befürworten eine Stallregie und andere nicht. Letztendlich steht immer ein Hersteller hinter einem Projekt und einem Ziel. Manchmal denke ich, dass wir so etwas brauchen. Beziehungsweise wir müssen es respektieren, wenn sie (das Team; Anm. d. Red.) das glauben."

"Aber es ist sehr schwierig. Wir sind Fahrer und wenn wir Zweiter werden können, dann wollen wir nicht Dritter werden", gibt der Spanier zu bedenken: "Aber wenn dir ein Hersteller zwei oder drei Jahre die komplette Unterstützung gibt, dann ist es wichtig, diese Entscheidungen zu respektieren. Ich denke, dass es für Kawasaki in diesem Fall ein wirklich schlechtes Gefühl war, denn nur wegen dieser Punkte haben sie die Meisterschaft verloren."

Ganz richtig liegt Marquez damit allerdings nicht, denn die vier zusätzlichen Punkte hätten Sykes in der Endabrechnung auch nicht zum Titel gereicht. Trotzdem hätte sich dadurch seine Ausgangsposition im zweiten Rennen in Katar deutlich verbessert. "Wer weiß, vielleicht werde ich in Zukunft auch einmal in dieser Situation sein. Darum sage ich lieber nichts dazu", sagt Marquez mit einem Lachen.


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Abschließend erinnert der Weltmeister: "Bei KTM gab es das in der Vergangenheit auch einmal. Als Hersteller investiert man viel Geld und nur wegen einer falschen Entscheidung verliert man dann die Meisterschaft." In der 125er Klasse hatte Gabor Talmacsi 2005 seinen Teamkollegen Mika Kallio entgegen einer Stallregie überholt und sich so - kurioserweise ebenfalls in Katar - den Sieg gesichert. Kallio verpasste den Titel am Ende des Jahres genau um diese fünf Punkte.

"Wenn dir ein Hersteller die komplette Unterstützung gibt, dann ist es wichtig, diese Entscheidungen zu respektieren." Marc Marquez

Rossi: "Immer sehr, sehr schlecht"

Trotzdem gibt es auch kritische Stimmen. Einige Leute sehen in einer Stallregie eine Wettbewerbsverzerrung. "Meiner Meinung nach ist eine Stallregie generell immer sehr, sehr schlecht", erklärt daher auch Valentino Rossi, fügt allerdings hinzu: "Aber am Ende einer Meisterschaft kann sie sehr wichtig sein und für einen Hersteller, der sehr viel Geld ausgegeben hat, um zu gewinnen, den Unterschied machen."

"Bei den Superbikes war es interessant, denn es ist in beiden Teams passiert. Zunächst hatte Melandri Guintoli die Position nicht gegeben und anschließend machte Baz das gleiche mit Sykes. Es hängt auch sehr davon ab, wie das Verhältnis zwischen den Piloten im Team ist. Baz und Sykes hatten eine sehr schlechte Beziehung, denn in Sepang war Baz in Sykes gefahren. Außerdem spielt der Vertrag für die kommende Saison eine Rolle."

Bereits vor dem Finale in Katar stand fest, dass Baz Kawasaki verlassen und in die MotoGP wechseln würde. "Wenn Baz weiter für Kawasaki fahren würde, dann hätte er ihm die Position ganz sicher gegeben", erklärt Rossi daher mit einem Lächeln und ergänzt: "Allerdings kommt er in die MotoGP, also ist es schwierig, das zu kontrollieren." 2015 wird Baz Teamkollege von Stefan Bradl bei Forward.


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"Es war in diesem Fall sehr knifflig", sagt der Deutsche daher diplomatisch und ergänzt: "Wenn mir so etwas passieren würde, dann würde ich vor dem Rennen darüber sprechen und die Situation analysieren. Nach dem Rennen ist es immer einfach zu sagen, aber in diesem Fall würde ich die Entscheidung vor dem Rennen treffen. Während des Rennens sind wir Fahrer und vergessen manchmal etwas. Es ist eine schwierige Situation, aber ich denke, man muss die Entscheidung seines Herstellers respektieren."

"Ich würde vor dem Rennen darüber sprechen und die Situation analysieren." Stefan Bradl

Lorenzo verspricht Schützenhilfe

Das sieht auch Jorge Lorenzo so: "Ich denke, dass du für einen Hersteller fährst, und dass dieser Hersteller dir vertraut und dich bezahlt. Also ist der Hersteller das Wichtigste." Der Spanier ist sich daher sicher: "Wenn ich in der Zukunft in eine Situation kommen sollte, in der ich meinem Teamkollegen helfen muss, wenn zum Beispiel Valentino um die WM kämpft, dann werde ich ihm helfen."

Auch in anderen Rennserien spielt das Thema immer wieder eine Rolle. In der Formel 1 hatte beispielsweise 2002 Rubens Barrichello seinem Ferrari-Teamkollegen Michael Schumacher den Sieg in Österreich überlassen - auf dem Podium wurden die beiden anschließend ausgepfiffen, die Stallorder von der FIA für einige Jahre verboten. Bei den meisten Zuschauern kommt diese "Taktik" nicht gut an, sie wollen echtes Racing sehen.

"Es kommt auf die Beziehung zwischen den beiden Piloten an", erklärt Pol Espargaro die Sicht der Fahrer und ergänzt: "Normalerweise muss man die Entscheidung des Teams und des Herstellers respektieren, denn sie geben viel Geld aus, um die Meisterschaft zu gewinnen. Sie (Kawasaki) waren wirklich nah dran und ich war in der Moto2 einmal in einer ähnlichen Situation."


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"Wenn du einen guten Teamkollegen hast und er dir helfen kann, dann ist das wirklich gut. Aber es kommt auf die Beziehung an und wenn die nicht gut ist und du deinem Teamkollegen nicht zeigen willst, dass du ein guter Kerl bist, dann passiert so etwas. Man muss die Entscheidung des Teams akzeptieren, aber man braucht auch eine gute Beziehung zu seinem Teamkollegen."

"Wenn Valentino um die WM kämpft, dann werde ich ihm helfen." Jorge Lorenzo

Die Gefühle bei den MotoGP-Piloten sind also gemischt, wenn es um das Thema Stallregie geht. Generell bekunden die Fahrer allerdings ihre Treue zum jeweiligen Hersteller und zeigen die Bereitschaft, im Ernstfall tatsächlich für einen Teamkollegen Platz zu machen. Ob sie dieses Versprechen allerdings wirklich einhalten, wenn es hart auf hart kommt, steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt.