MotoGP-Kolumne Mugello: Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat

Danilo Petrucci begeistert die italienischen MotoGP-Fans mit einem emotionalen Sieg und könnte laut Redakteur Sebastian Fränzschky zum Gesicht von Ducati werden

Liebe Motorsportfreunde,

Titel-Bild zur News: Danilo Petrucci

Danilo Petrucci holte sich beim sechsten Rennen als Werkspilot den ersten Sieg Zoom

der Italien-Grand-Prix in Mugello ist Jahr für Jahr eine emotionale Angelegenheit. Die leidenschaftlichen Tifosi vergöttern ihre Zweiradakrobaten. Den Löwenanteil der Aufmerksamkeit erhält natürlich Valentino Rossi. "Vale! Vale", tönt das gelbe Meer normalerweise unter dem Podium Doch in diesem Jahr stimmte der Sprecher die Fans um und diktierte "Danilo! Danilo!"-Sprechchöre. Vorausgegangen war ein wahrer MotoGP-Thriller, in dem Danilo Petrucci eine heroische Leistung zeigte.

Fieber, noch kein Vertrag für die Saison 2020, der Druck der Ducati-Manager und Ducatisti, volle Ränge beim Heimspiel und dann auch noch Temperaturen um die 30°C: Wir Beobachter können uns nur schwer ein Bild davon machen, wie angespannt Danilo Petrucci gewesen sein muss und welche Last bei der Zieldurchfahrt von seinen Schultern fiel.

Erschöpft und ausgelaugt parkte der Sympathieträger der MotoGP seine Ducati Desmosedici mit der Startnummer 9 im Parc Ferme hinter dem Schild mit der 1 ab. Das große Saison- und Karriereziel - ein Sieg in der MotoGP - war erreicht.

Der Außenseiter triumphiert über die Supertalente

Ducati-CEO Claudio Domenicali, Rennleiter Luigi Dall'Igna, Sportdirektor Paolo Ciabatti, und Teammanager Davide Tardozzi jubelten mit Petrucci und dürften auch Erleichterung verspürt haben, denn für die Verpflichtung des einstigen Underdogs erhielten sie im Vorfeld viel Kritik und standen genau wie Petrucci unter Druck.

Danilo Petrucci, Marc Marquez

Italien-GP 2019: Danilo Petrucci vor Marc Marquez, Andrea Dovizioso und Alex Rins Zoom

Nicht talentiert genug, zu wenig professionell, zu faul, zu groß und zu schwer: Vergleicht man Petrucci mit den MotoGP-Idealen, dann fällt es schwer, den Sieg beim Italien-Grand-Prix logisch zu erklären. Wie konnte Petrucci seinen auf dem Papier übermächtigen Teamkollegen Andrea Dovizioso und Ausnahmekönner Marc Marquez besiegt haben?

In meinen Augen ist Petrucci der krasse Gegenentwurf zu den gecasteten Ü20-MotoGP-Talenten, nach denen die Teammanager normalerweise suchen. Er schaffte es über die Superstock-EM in die MotoGP, kämpfte jahrelang mit unterlegenem Material und verlor nie seinen einzigartigen Humor. Er ist ein echter Typ, ein Sympathieträger und in Zukunft vermutlich auch ein wichtiges Gesicht für das Markenimage von Ducati.

Emotionen und Lacher in der Pressekonferenz

Was sich am Sonntag zwischen 14:00 und 14:45 Uhr in Mugello abgespielt hat, ist ohne Zweifel ein absolutes MotoGP-Märchen. Entsprechend emotional ging es im Parc Ferme, der Siegerehrung und den folgenden Medienverpflichtungen zu. Petrucci kämpfte mit den Tränen und erinnerte sich an die schwierigen Zeiten, die er auf seinem Weg ins Ducati-Werksteam durchmachen musste.

Danilo Petrucci

Echter Typ: Danilo Petrucci verzaubert die MotoGP mit seinem Charisma und Humor Zoom

Und er dankte Teamkollege Dovizioso, der ihn im vergangenen Winter wie "ein Baby" aufnahm. Mit diesem Versprecher, Petrucci wollte eigentlich "wie ein Bruder" sagen, belustigte er in der Pressekonferenz nach dem Rennen die anwesenden Journalisten und musste auch selbst kräftig lachen.

Ducati hat mit der Verpflichtung von "Petrux" alles richtig gemacht. Klar, der Petrucci-Sieg kostete WM-Kandidat Dovizioso in Mugello wichtige Punkte. Aber die Nummer 9 könnte für "Dovi" beim Kampf gegen Marquez zum entscheidenden Joker werden.

WM-Kampf mit Marquez: Ducati tritt als Team auf

Nachdem Petrucci sein Saisonziel bereits erreichen konnte, kündigte er an, ab sofort alles zu tun, um Dovizioso und Ducati zum WM-Titel zu führen. Ducati tritt als vereintes Team auf, anstatt sich mit fragwürdiger Teamorder selbst zu zerstören. Chapeau!


Fotos: MotoGP in Mugello


Vor der Saison prophezeiten einige Experten, dass Ducati mit Jorge Lorenzo die WM hätte gewinnen können. Der Sieg in Mugello macht Petrucci natürlich nicht gleich zum WM-Anwärter, auch wenn er als WM-Vierter nur 33 Punkte Rückstand auf WM-Leader Marquez hat.

Nicht mit Petrucci als Speerspitze sondern dank Petrucci als Teamplayer hat Ducati nun beste Chancen, erstmals seit 2007 die MotoGP-Krone zu holen. Und das wäre für Italien eine wirklich emotionale Angelegenheit.

Ihr,

Sebastian Fränzschky

P.s.: Die Kolumne "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat" finden Sie auf unserer Schwesterseite Motorsport.com. Dieses Mal dreht sich alles um Valentino Rossi.