MotoGP-Champion Fabio Quartararo im Interview: "Es ist absolut verrückt"

Kurz nach seinem Titelgewinn steht Fabio Quartararo Rede und Antwort: An wen er beim Zieleinlauf dachte, was ihn 2021 so stark machte und was es jetzt weitergeht

(Motorsport-Total.com) - Am vergangenen Sonntag erfüllte sich Fabio Quartararo mit dem Gewinn des MotoGP-Titels einen lange gehegten Traum. Er ist der erste Franzose, dem dies gelungen ist, und der erste Weltmeister auf einer Yamaha seit Jorge Lorenzo im Jahr 2015.

Titel-Bild zur News: Fabio Quartararo

So wirklich fassen konnte Fabio Quartararo sein Glück in Misano noch nicht Zoom

Trotz ausgiebiger Feierlichkeiten nahm sich der 22-Jährige auf dem Heimweg von Misano nach Nizza die Zeit, unseren spanischen Kollegen von 'Motorsport.com' als frisch gebackener Champion einige Fragen zu beantworten.

Frage: "Wer war die erste Person, die Ihnen in den Sinn kam, als Sie die Ziellinie überquerten?"
Fabio Quartararo: "Mein Vater. Mein Vater. Nun, wir beide, die ganze Familie, aber vor allem mein Vater. Wegen der vielen Kilometer, die wir zusammen zugelegt haben, als ich noch klein war, um fahren zu können."

"Ich will keinen Unsinn erzählen, aber wir haben fünfzig- oder sechzigtausend Kilometer im Jahr zurückgelegt, um zu trainieren und um zu Rennen zu fahren, sogar noch mehr. Dieses Bild ist das erste, das mir in den Sinn kam."

Quartararo will "weitere Träume verwirklichen"

Frage: "Vor drei Jahren waren Sie nur ein Moto2-Fahrer von vielen und diesen Sonntag wurden Sie von Emmanuel Macron beglückwünscht. Fällt es Ihnen schwer, all das zu verdauen?"
Quartararo: "Es ist absolut verrückt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir 2018 sehr weit unten waren. Die Entwicklung war brutal."

"Das alles gibt mir einen großen Schub für die Zukunft. Im Moment kann ich immer noch nicht glauben, was passiert ist. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich das so schnell, mit gerade einmal 22 Jahren, erreichen kann. Und das Gute daran ist, dass ich noch viele Jahre vor mir habe, um weiter zu kämpfen und weitere Träume zu verwirklichen."

Frage: "Sie haben eben von 2018 gesprochen. Waren Sie trotz der schwierigen Zeiten immer glücklich?"
Quartararo: "Ich war schon immer so, selbst in den schwierigsten Zeiten war ich glücklich. Das ist das Wichtigste im Leben. In diesen Momenten habe ich, auch wenn ich nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt habe, den Job gemacht, von dem ich immer geträumt habe."


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"Ich denke oft an Menschen, die einen wirklich schweren Job haben oder die jeden Tag etwas tun müssen, was sie nicht mögen. Das ist mit uns nicht vergleichbar. Auch wenn die Ergebnisse nicht gut waren, war ich glücklich im Leben."

Frage: "Wie hat es sich angefühlt, von den Fans auf der Heimstrecke von Valentino Rossi und nach dem Sieg über Francesco Bagnaia bejubelt zu werden?
Quartararo: "Zu sehen, wie die Fans von Valentino Rossi den Titel mit mir feierten, sogar beim Sieg über Pecco (Bagnaia) und im letzten Rennen von Vale, war etwas ganz Besonderes. Das ist etwas, das ich für immer mitnehmen werde."

Anerkennung der Konkurrenz bedeutet ihm viel

Frage: "Das ganze Fahrerlager, von den direkten Konkurrenten bis zu den anderen Teams, hat sich sehr für Sie gefreut und gratuliert. Wie schaffen Sie es, dass alle Sie mögen?"
Quartararo: "Ich bin wirklich glücklich, wenn sich Fahrer wie Marc (Marquez) für mich freuen. Sie wissen, wie schwer es ist, auf diesem Niveau zu sein. Der Sonntag war der glücklichste Tag meines Lebens, und das ist auch ein Teil des Grundes."

Frage: "Werden Sie von nun an mit weniger Last auf Ihren Schultern fahren, weil der Druck von Ihnen genommen wurde?"
Quartararo: "Ich hatte den Druck vor dem Rennen, aber wenn ich auf dem Motorrad sitze, habe ich ihn nicht. Vielleicht war es in Misano ein bisschen anders, weil ich wusste, dass ich keine Fehler machen darf."

"Ich denke, das wird mich für die letzten beiden Rennen entlasten, aber nächstes Jahr fangen wir wieder von vorne an. Ich würde nicht sagen, dass ich es von Grund auf neu sein wird, aber fast. Aber ich bin sicher, dass ich dann viel glücklicher sein werde."

Frage: "Was sind die Schlüssel für die Veränderung im Vergleich zum vergangenen Jahr? Am Anfang waren Sie damals auch so stark, aber in der zweiten Saisonhälfte verloren Sie den Weg."
Quartararo: "Die diesjährige Yamaha ist nicht viel besser als die letztjährige, aber wir haben ein Gefühl für sie gefunden, das es mir erlaubt, viel schneller zu fahren."

Fabio Quartararo

2021 waren Quartararo und die Yamaha M1 eine unschlagbare Einheit Zoom

"Was wir am meisten verbessert haben, ist die Frontpartie, aber letztendlich hatte Yamaha immer das ausgewogenste Chassis. Ich würde sagen, dass wir nicht nur das Motorrad von 2020 verbessert haben, sondern auch etwas zurückgewonnen haben, das wir auf dem Weg verloren haben."

"Ich persönlich verbessere mich jedes Mal, wenn ich auf die Strecke gehe, und das Gefühl, das ich dank der Front gefunden habe, hat es mir ermöglicht, einen großen Schritt nach vorne zu machen."

Titel lässt "schwierige Zeiten bei Yamaha vergessen"

Frage: "Glauben Sie, dass der jetzige Fabio vergangenes Jahr Weltmeister geworden wäre?"
Quartararo: "Ich wäre nicht in der Lage gewesen, den Titel zu gewinnen, aber ich bin mir sicher, dass wir in der Gesamtwertung nicht Achter geworden wären."

"Ich denke, dass ich 2020 normalerweise auf dem dritten Platz gelandet wäre, aber das habe ich ziemlich schlecht hinbekommen. So konnte ich viel lernen, um in diesem Jahr zu gewinnen."

Frage: "Hat dieser Titel mehr Wert, wenn man bedenkt, dass es kein einfaches Jahr für Yamaha war? Ich sage das vor allem wegen dem, was mit Maverick Vinales passiert ist."
Quartararo: "Es war kein einfaches Jahr für Yamaha, aber wenn man durch schwierige Zeiten geht, hat man am meisten Spaß, wenn der Erfolg danach kommt."


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"Zu sehen, wie alle Ingenieure und der Projektleiter am Sonntag in Misano den Titel feierten, war ein großer Kontrast zum ersten Rennen des Jahres in Katar, wo alles sehr unterkühlt war. Man merkt, dass der Stress und der Druck von uns abgefallen sind. Dieser Titel lässt all die schwierigen Zeiten vergessen, die Yamaha durchgemacht hat."

Frage: "Sie haben sich nie gescheut, zuzugeben, dass Sie zeitweise einen Sportpsychologen aufgesucht haben. Glauben Sie, dass Sie dadurch auch in den Augen der anderen stärker macht?"
Quartararo: "Ich habe kein Problem damit, es zuzugeben. Das letzte Mal war ich im Dezember 2020 bei ihm, und dieses Jahr war ich nicht da."

"Ich war eineinhalb Stunden bei ihm, aber das ganze Jahr über habe ich in Zeiten, in denen ich sauer und gestresst war, an das Gespräch gedacht, das ich hatte. Das hilft mir wirklich, aber ich gehe nicht sehr oft hin."

Frage: "Sie und Ihr diesjähriges Motorrad sind zu einer echten Einheit geworden. Haben Sie nicht Angst, dass Yamaha es verändert?"
Quartararo: "Das Einzige, was ich mir wünsche, ist mehr Leistung. Wir konnten das 2022er-Chassis in Misano testen. Es fährt sich sehr gut, aber was uns fehlt, ist Leistung."

"Was ich mir von Yamaha wirklich wünsche, ist mehr Topspeed, um mir das Leben beim Überholen ein wenig leichter zu machen. Im ersten Misano-Rennen hätte ich zum Beispiel gewinnen können, wenn ich nur ein bisschen mehr Topspeed gehabt hätte."

Frage: "Würden Sie gerne mit Marc Marquez konkurrieren, wenn er 100 Prozent fit ist?"
Quartararo: "Sehr gerne. Marc ist in guter Form, er hat die beiden zurückliegenden Rennen gewonnen und ich freue mich darauf, mit ihm zu kämpfen. Marc ist ein Vorbild, das ich seit vielen Jahren verfolge."

"Ich mag ihn sehr als Fahrer und als Mensch, und die Kämpfe, die wir 2019 hatten, auch wenn er sie fast immer gewonnen hat, bleiben mir als die Momente in Erinnerung, in denen ich am meisten lernen und genießen konnte. Ich durfte sagen, dass ich gegen einen achtfachen Weltmeister gefahren bin."

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