Marc Marquez im Interview: "Gebe immer 100 Prozent"

Grenzgänger, Ausnahmetalent, Weltmeister: Marc Marquez spricht im Interview über seinen Stil, seine Mentalität und seine Einstellung - Das Gefühl ist entscheidend

(Motorsport-Total.com) - Marc Marquez ist ein Wunderkind, ein Ausnahmetalent im Motorradrennsport. Mit 22 Jahren hat der Spanier alles erreicht: Weltmeister in der 125er-Klasse, Weltmeister in der Moto2 und zweimal MotoGP-Weltmeister. 2014 gewann Marquez die ersten zehn Rennen in Folge und zeigte der ganzen Welt, was für ein außergewöhnlicher Fahrer er ist. Vom Talent her kann Marquez die MotoGP nach der Rossi-Ära dominieren, bis irgendwann ein neues Wunderkind die Bühne betritt.

Titel-Bild zur News: Marc Marquez

Die Lockerheit und die positive Einstellung sind das Erfolgsgeheimnis von Marquez Zoom

Seine Popularität steigt, obwohl Marquez nicht unumstritten ist. Seine aggressive und vor allem kompromisslose Fahrweise begeistert auf der einen Seite mit spektakulären Bildern, auf der anderen Seite hagelt es auch Kritik. War der Crash mit Valentino Rossi in Argentinien wirklich notwendig? Musste er in Assen in der letzten Schikane aus praktisch aussichtsloser Position wirklich die Brechstange auspacken? Dieser kompromisslose Stil hat Marquez zum Weltmeister gemacht. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht er über seine Mentalität und sein Erfolgsgeheimnis.

Frage: "Marc, nach deinem Crash in Silverstone hast du gesagt, dass die WM für dich vorbei ist. Valentino und Jorge sind extrem konstant. Selbst wenn Jorge ein schlechtes Ergebnis hat, nimmt er die Punkte für den vierten oder fünften Platz mit. Du hättest zum Beispiel in Argentinien 20 Punkte mitnehmen können. Denkst du, dass du deinen Stil ändern musst und bei einem schlechten Rennen auch ein vierter Platz wichtig sein kann?"
Marc Marquez: "Das vorrangige Ziel am Sonntag ist es immer, ins Ziel zu kommen und Punkte zu sammeln. Das hängt aber auch mit dem Gefühl mit dem Motorrad und den Umständen ab. Ich versuche immer 100 Prozent zu geben, aber wenn man sich mit dem Motorrad nicht wohlfühlt, können rasch Fehler passieren."

Valentino Rossi, Marc Marquez

In zweieinhalb Jahren hat Marquez schon 22 MotoGP-Rennen gewonnen Zoom

"Wenn man manchmal langsamer fährt, macht man mehr Fehler, weil man nicht diese hohe Konzentration hat. Prinzipiell will ich in den Rennen die Umstände immer zu meinem Vorteil nutzen. In diesem Jahr war es nicht einfach, das Limit des Motorrades zu verstehen. Das war vor allem in den ersten sechs Rennen der Fall. Als wir dann in Holland das Chassis gewechselt haben, wurde es besser. Ich fühle jetzt das Motorrad und das Limit. Es hängt alles miteinander zusammen."

Frage: "Trotzdem hast du die Siegermentalität, du willst immer gewinnen. Das hat dich zu einem mehrfachen Weltmeister gemacht. Wie würdest du deinen Stil mit deinen eigenen Worten beschreiben?"
Marquez: "Ich versuche immer 100 Prozent zu geben und das Rennen zu gewinnen. 2013 bin ich zum Beispiel in vielen Rennen Zweiter oder Dritter geworden. Auch in diesem Jahr bin ich in Katar Fünfter geworden und in Le Mans Vierter. Das waren meine schlechtesten MotoGP-Ergebnisse. Ich denke mir manchmal auf dem Motorrad, dass es unmöglich ist, dieses Risiko einzugehen. Wenn man das Limit nicht spürt, ist es sehr schwierig. Für das nächste Jahr arbeiten wir hart, um die aktuellen Probleme auszumerzen."


Alex & Marc Marquez testen MotoGP

Frage: "Viele Fahrer kommen in die MotoGP und haben in ihrer ersten Saison Mühe das Limit zu finden und schnell zu sein. Du warst von deinem ersten Test an schnell. Was ist das Geheimnis, um auf diesem hohen Level zu sein?"
Marquez: "Für mich ist das Geheimnis die Mentalität. Es geht darum, dieses Risiko einzugehen. Okay, die aktuelle Saison ist nicht so gut, aber diese Mentalität hat mir 2013 den Titel gebracht. Im Vorjahr habe ich 13 Rennen gewonnen. Es hängt aber alles mit dem Gefühl zusammen."

Marc Marquez

Stürze gehören für Marc Marquez ebenso dazu wie der große Erfolg Zoom

"Als ich in die MotoGP gekommen bin, habe ich mich sofort wohlgefühlt. Es ist auf der einen Seite dein Gefühl, aber es geht auch um das Team. Das Team muss dir helfen. Als ich in die MotoGP gekommen bin, hatte ich ein gutes Gefühl für dieses Team. Das Selbstvertrauen und die Zuversicht waren sehr groß."

Frage: "In deiner ersten Saison bist du zu Beginn oft Jorge und Dani gefolgt. Anschließend hast du gesagt, dass du viel gelernt hast, wolltest es aber nicht verraten. 2014 hast du es dann perfekt umgesetzt. Lernst du auch heute noch etwas, wenn du Jorge in Indianapolis und Brünn nachfährst oder zuletzt Valentino im Silverstone-Regen?"
Marquez: "Klar, man lernt etwas. Aber es ist unterschiedlich. Wenn man seinem Teamkollegen folgt, kann man sehen, ob man sich selbst und seinen Fahrstil verändern muss. Wenn ich Jorge oder Valentino folge, die ein anderes Motorrad fahren, dann lerne ich mehr über die mechanische Seite. Wo wir unser Bike verbessern müssen. Diese Information kann ich dem Team weitergeben."

"Wenn ich Dani folge, versuche ich mich mehr auf meinen Stil und meine Technik zu konzentrieren. Folge ich Valentino oder Lorenzo, konzentriere ich mich auf die Technik und die Abstimmung, wo wir unser Motorrad verbessern können."


Misano: Onboard mit Marc Marquez

Frage: "Silverstone war ein Regenrennen. Wie stark wurde dieses Rennen eigentlich von der Elektronik beeinflusst? Oder liegt alles am Gefühl im Handgelenk?"
Marquez: "Im Nassen arbeitet die Elektronik mehr als auf trockener Strecke. Seit Austin hatten wir dieses Bike im Regen nicht mehr probiert. Seit Saisonbeginn haben wir große Probleme mit dem blockierenden Hinterrad. In Austin hatten wir damit im Regen extrem große Schwierigkeiten."

"Im nassen Warmup von Silverstone war das immer noch der Fall. Wir haben versucht, das für das Rennen zu verändern, aber wir hatten zu wenig Zeit. Ich bin gestürzt, weil das Hinterrad blockiert hat, obwohl ich weder Gas gegeben noch gebremst habe. Für alle war es im Regen schwierig, aber wir hatten mit diesem speziellen Problem Mühe. Wir müssen mit diesem Motorrad noch im Regen arbeiten."

Frage: "Valentino ist der populärste MotoGP-Fahrer und wahrscheinlich der beliebteste Rennfahrer der Welt. Aber von den Motorradfahrern kommst du schon dahinter. Wie gehst du damit um, so berühmt zu sein? Mittlerweile wirst du auch auf der Straße erkannt."
Marquez: "In den vergangenen beiden Jahren hat sich dieser Aspekt grundlegend verändert. Vor allem in Spanien und Italien ist es mittlerweile sehr schwierig, ein normales Leben zu führen. Mir gefällt es aber, die Fans zu treffen und ihre Unterstützung zu bekommen."

"Es war immer mein Traum, ein professioneller Motorradfahrer zu sein. Natürlich denkt man als Kind nicht daran, dass man dann kein normales Leben mehr führen kann. Es ist aber sehr schön, die Unterstützung der Fans zu bekommen."