Ärger bei Ducati: Motor-Kontroverse sorgt für Aufregung in der MotoGP

Ducati wird der Favoritenrolle beim MotoGP-Auftakt in Katar nicht gerecht: Die Diskussion um die unterschiedlichen Motoren sorgt bei den Italienern für Frust

(Motorsport-Total.com) - Einen Tag vor dem Saisonauftakt der MotoGP in Katar überraschte Ducati mit der Entscheidung, die beiden Werkspiloten Francesco "Pecco" Bagnaia und Jack Miller nicht mit dem 2022er-Motor in die neue Saison zu schicken (was am Donnerstag den Stein ins Rollen brachte). Bei den Testfahrten im Winter beklagte vor allem Bagnaia das aggressive Ansprechverhalten des neuen Motors.

Titel-Bild zur News: Francesco Bagnaia

Machte Ducati wegen Francesco Bagnaia einen Schritt zurück? Zoom

Am Freitag wurde klar, dass sich Ducati nach vielen Überlegungen dazu entschloss, eine Art Hybrid aus dem 2022er-Motor und dem Motor aus dem Vorjahr zu kreieren. Damit bestreiten die Ducati-Werkspiloten die MotoGP-Saison 2022. Die drei restlichen 2022er-Ducatis von Jorge Martin, Johann Zarco (beide Pramac) und Luca Marini (VR46) sind mit dem 2022er-Motor ausgerüstet.

Ducati-Teamdirektor Davide Tardozzi versteht die Aufregung um die verschiedenen Versionen nicht. Als er im Rahmen des Trainingsauftakts auf die unterschiedlichen Motoren der 2022er-Ducatis angesprochen wird, verschafft sich der Italiener Luft und reagiert dabei ziemlich emotional.

Ducati zeigt wenig Verständnis für die Aufregung

"Ich verstehe nicht, warum die Leute immer über Ducati sprechen", ärgert sich Tardozzi bei 'MotoGP.com'. "'Pecco' hat nicht gesagt, dass der 2022er-Motor ein Fehler ist und er den 2021er-Motor will. Das ist Unfug. Das möchte ich klarstellen, denn wir haben 'Pecco' einfach nur eine andere Version gegeben."

Francesco Bagnaia, Davide Tardozzi

Davide Tardozzi mit Ducati-Hoffnung Francesco "Pecco" Bagnaia Zoom

"Es besteht die Möglichkeit, den Motor auf den Fahrstil abzustimmen. Und dieser Motor passt zum Stil von 'Pecco', aber auch zu dem von Jack", bemerkt der Ducati-Manager. "Die anderen Fahrer waren mit der anderen Version zufrieden."

Eine Anspielung auf Honda kann sich Tardozzi nicht verkneifen: "Wir wissen, dass ein anderer Hersteller in Sepang drei unterschiedliche Versionen hatte. Warum geht man nicht zu diesem Hersteller und fragt, welche Version Marc (Marquez) verwendet?"

Das Thema dürfte damit aber noch nicht erledigt sein. Laut Aussagen der Pramac-Piloten gab es nicht die Möglichkeit, einen anderen Motor zu wählen. Doch der laut Bagnaia etwas zu aggressive 2022er-Motor hat laut Pramac-Pilot Jorge Martin mehr Leistung. Sollte Ducati im Laufe der Saison die Fahrbarkeit verbessern, dann könnte der 2022er-Motor zu einem Joker werden.

Jorge Martin mit dem 2022er-Motor der schnellste Ducati-Pilot

Beim Trainingsauftakt am Freitag war Jorge Martin als Vierter bester Ducati-Pilot. "Ich fahre die GP22. Bei den Tests fühlte ich mich wohl mit diesem Motorrad. Wir haben noch Arbeit vor uns, vor allem bei der Beschleunigung, doch ich denke, dass dieser Motor Potenzial hat", erklärt der Spanier.

Jorge Martin

Beste Ducati: Jorge Martin landete im FT2 am Freitag auf der vierten Position Zoom

"Bezüglich des anderen Motors (den Bagnaia und Miller verwenden), weiß ich nicht genau Bescheid. Ich kenne den Grund für den Wechsel nicht", äußert sich Martin diplomatisch und weist auf ein Problem hin: "Bei der Elektronik und den Einstellungen bewegen wir uns jetzt in unterschiedliche Richtungen."

"Zuvor konnten wir uns stärker helfen. Doch jetzt fahren Zarco, Marini und ich mit diesem Motor und suchen nach einem Weg. Es wird vermutlich ein bisschen länger dauern, doch wir werden dorthin kommen", gibt sich Martin zuversichtlich. Angst, vom Werk nicht ausreichend unterstützt zu werden, hat er ohnehin nicht.

Der 2022er-Motor könnte für Jorge Martin zum Joker werden

"Ducati will, dass dieser Motor funktioniert. Es ist ein Vorteil für uns, dass das neue Motorrad funktionieren muss. Der Motor entspricht der Zukunft. Er ist die Basis für das kommende Jahr und die folgenden drei oder vier Jahre", ist Martin überzeugt.

Jorge Martin

Jorge Martin ist vom Potenzial des 2022er-Motors überzeugt Zoom

Gleichzeitig weiß der Pramac-Pilot, dass Ducati den neuen Motor noch nicht zu 100 Prozent versteht. "Wir können den 2022er-Motor noch nicht richtig nutzen. Er verfügt offensichtlich über mehr Leistung, doch wir bringen die Leistung noch nicht richtig auf den Boden. Bevor wir nicht die volle Leistung nutzen können, befinden wir uns auf dem gleichen Niveau wie mit dem anderen Motor", so der Ducati-Pilot.

Francesco Bagnaia erlebt durchwachsenen Start in die MotoGP-Saison 2022

Für Werkspilot Francesco Bagnaia lief der Freitag in Katar nicht so gut. Im FT1 stürzte der Vize-Weltmeister und im FT2 zitterte er sich als Zehnter hauchdünn ins provisorische Q2. "Ich bin mit dem Tag nicht zufrieden. Wir mussten viele Dinge testen, um ein klares Bild vom Motorrad zu erhalten", berichtet Bagnaia.

"Wir liegen etwas zurück. Ich bin mit dem Gefühl des Vorderrads nicht zufrieden. Vielleicht waren die Bedingungen heute auch nicht perfekt. Wir wissen bereits, warum ich am Kurveneingang Probleme hatte. Daran arbeiten wir. Wir haben klare Vorstellungen, was zu tun ist. Ich fühlte mich aber heute nicht so richtig wohl", gesteht Bagnaia.

Francesco Bagnaia

Francesco Bagnaia blieb beim Sturz im FT1 unverletzt Zoom

Auf den Sturz im FT1 hätte der Italiener gern verzichtet. "Ich war etwas irritiert, weil ich im FT1 nicht so stürzen wollte. Normalerweise sind das FT1 und das FT3 hier, ich will nicht nutzlos sagen, aber die Bedingungen sind nicht so wie im Rennen. Man muss andere Reifen verwenden. Ich stürzte, weil der Vorderreifen ein bisschen zu kalt war. Das kann passieren, aber ich hätte lieber darauf verzichtet", bemerkt Bagnaia.

Fragen zum Ducati-Motor nerven Francesco Bagnaia

Natürlich musste sich Bagnaia nach den beiden ersten Trainings der neuen Saison auch den Fragen zum Motor stellen. Der Italiener erklärt: "Es ist nicht der Motor, den wir in Jerez, Mandalika oder Malaysia verwendet haben. Es ist ein Hybridmotor aus dem Vorjahres-Motor und dem neuen Motor."

Francesco Bagnaia

Francesco Bagnaia erlebte keinen reibungslosen Trainingsauftakt Zoom

"Wir haben uns zusammen entschieden, diesen Motor zu verwenden", stellt der WM-Zweite der vergangenen MotoGP-Saison klar. Dass so intensiv über die verschiedenen Versionen diskutiert wird, stört Bagnaia. "Es wird immer nur über Ducati gesprochen und nie über die anderen Motorräder. Das ist ein bisschen merkwürdig", so der Italiener.

"Wir haben für das Paket entschieden, das am besten für uns ist. Das ist normal", begründet Bagnaia. "Ich bevorzuge diesen Motor, den Hybridmotor. Ich mag ihn lieber als den alten und neuen Motor. Zusammen mit meinem Team bin ich sehr zuversichtlich, dass dieser Motor am besten für uns ist."

Wurde Jack Miller gezwungen, den Hybridmotor zu verwenden?

Auch wenn Ducati behauptet, die Entscheidung für den Hybridmotor wurde gemeinschaftlich getroffen, so gibt es Stimmen, die behaupten, dass Bagnaias Wünsche ausschlaggebend waren. Bei den Testfahrten im Winter äußerte Bagnaia mehrfach, mit der Leistungsentfaltung unzufrieden zu sein.

Das Reglement besagt, dass es in einem Team nicht zwei unterschiedliche Motorversionen geben darf. Wurde Teamkollege Jack Miller mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen gestellt?

Jack Miller

Die Aussagen von Jack Miller zum Motor der Ducati waren sehr diplomatisch Zoom

"Ich vertraue der Entscheidung zu 100 Prozent. Ich fahre mit dem, was sie mir bereitstellen. Ich beschwere mich nicht", kommentiert Miller diplomatisch und erklärt: "Es ist nicht der 2021er-Motor und auch nicht der 2022er-Motor. Es ist der Ducati-Motor, für den sie sich im Falle des Werksteams entschieden haben. Sie wollen das Beste für uns, damit wir die bestmöglichen Chancen haben."

Nach dem Nachsaison-Test in Jerez hörte man aus dem Lager von Ducati, dass der 2022er-Motor eine große Verbesserung zum 2021er-Motor ist, der faktisch der Motor von 2020 war, weil die Motorentwicklung auf Grund der Coronavirus-Pandemie eingefroren war.

Was war das Problem beim 2022er-Motor? "Wir haben nach dem Jerez-Test Ende des vergangenen Jahres daran gearbeitet. Wir verbesserten den Motor und erreichten ein akzeptables Niveau. Dann machte Ducati einige Änderungen und jetzt haben wir eine andere Version. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich bin nicht derjenige, der darüber Auskunft geben sollte", bleibt Miller diplomatisch.

Verzettelt sich Ducati durch die vielen Motorkonfigurationen?

Dass die fünf 2022er-Ducatis mit unterschiedlichen Motoren ausgestattet sind, sieht Miller nicht als Problem an. "Es muss nicht immer zwangsläufig bedeuten, dass alles gleich ist. Jedes Motorrad ist maßgeschneidert. Das ist das Gute bei Ducati - wir können unterschiedliche Wege einschlagen", bemerkt er.

Jack Miller

Jack Miller auf seiner 2022er-Ducati mit dem Hybridmotor Zoom

"Die Idee ist, vom Werk unterstützt zu werden. Das jeweilige Motorrad wird ständig weiterentwickelt. Das ist der Vorteil (einer Werksmaschine)", so Miller. Beim Trainingsauftakt am Freitag schaffte es der Australier als Sechstplatzierter locker in die Top 10 und befindet sich damit auf Q2-Kurs, sollten im FT3 keine Verbesserungen möglich sein.

Für Erstaunen sorgte die Performance der 2022er-Suzuki. Alex Rins holte sich die Bestzeit, Teamkollege Joan Mir landete auf Platz drei. "Suzuki war für mich die größte Überraschung heute", gesteht Miller und staunt über den Topspeed: "Bei den Wintertests haben sie sich zurückgehalten und hier sind sie auf einmal 355 km/h schnell. Sie haben in Japan offensichtlich ein paar Ponys gefunden."

Hitzige Szene mit Landsmann Remy Gardner wird schnell geklärt

Im FT2 lief Miller auf Landsmann Remy Gardner (Tech-3-KTM) auf, der auf dem Weg in die Box war. Miller winkte wild, weil er offensichtlich furstriert war. Doch das Problem wurde schnell geklärt.

"Ich traf Remy nach dem Training. So etwas kann passieren, vor allem hier, wo die Boxeneinfahrt so fies ist, weil sie sich in der letzten Kurve befindet. Es ist nicht ideal", kommentiert Miller die Szene.

Jack Miller

Jack Miller ließ seinen Emotionen freien Lauf Zoom

"Ich war auf dem Weg in die Box und hob meine Hand. Er war aus irgendeinem Grund frustriert", wundert sich Gardner. "Es ist aus der Welt geschafft. Jeder hat Momente, in denen er frustriert ist."

Miller stellte nach dem FT2 klar, dass Gardner nicht der Grund für den Frust war: "Ich war nicht wegen ihm frustriert, es war eher wegen dem Motorrad. Die Runde war ohnehin gelaufen."