• 21.11.2012 14:48

White Power: Technologie aus Österreich

Sandro Cortese ist mit Dämpferelementen der Firma White Power Weltmeister geworden - Im Interview sprechen die Entwicklungschefs über die Herausforderung

(Motorsport-Total.com) - Sandro Cortese hat sich in der ersten Moto3-Saison mit Technik aus Österreich zum Weltmeister gekrönt. KTM arbeitete bei den Werksmotorrädern mit Dämpferelementen von White Power zusammen. Diese Firma ist in erster Linie aus dem Offroad-Bereich bekannt und hat 2012 erfolgreich das Comeback in den Straßensport geschafft. Im kommenden Jahr wird das Engagement auf die Moto2 ausgeweitet. Cortese wird ein Kalex-Chassis fahren, bei dem die Vordergabel und die Dämpfung von White Power stammt. Die ersten Testfahrten wurden mit diesem Motorrad bereits absolviert. Toby Gustafson, der Chef der Entwicklungsabteilung bei White Power, und Jürgen Peko, der Chef der Entwicklungsabteilung für Rennprodukte, sprechen über die Entwicklung und Pläne von White Power.

Titel-Bild zur News: White Power

Die Dämpferelemente von White Power wurden in Österreich entwickelt Zoom

Frage: "Kannst du uns etwas über White Power erzählen? Wie hat sich die Firma im vergangenen Jahr entwickelt? White Power war im Offroad-Bereich sehr erfolgreich und hat in der Moto3 gleich im ersten Jahr den WM-Titel gewonnen."
Toby Gustafson: "Ich denke, die meisten Leute kennen White Power von unseren Offroad-Erfolgen. Die Firma gibt es seit fast 35 Jahren und wir waren in den verschiedensten Motorsportserien aktiv. In vielen Kategorien haben wir mehr als 200 WM-Titel gesammelt, von Offroad, Straßensport, Superbike oder Formel 1. Gegen Ende der Neunzigerjahre durchlief die Firma eine schwierige Periode. Hauptsächlich haben wir uns auf den Offroad-Bereich konzentriert."

"Im Jahr 2007 wurden alle Aktivitäten in die neue Zentrale in Österreich verlegt. Bis Ende 2009 war dort alles mit Ausnahme des Offroad-Rennbereichs untergebracht. Die Firma hat sich in Österreich gut entwickelt. Der Moto3-Titel mit Sandro Cortese hat bestätigt, dass wir die richtigen Entscheidungen getroffen haben und sich die harte Arbeit ausgezahlt hat."

Frage: "Die Moto3 war also die ideale Plattform, um in den Straßenrennsport zurückzukehren. War es für die Firma ein großes Projekt?"
Gustafson: "Ja es war ein sehr großes Projekt. Es war auch das erste große Projekt der R&D-Abteilung in Österreich. White Power war lange Zeit im Offroad-Bereich, aber wir wollten in allen Motorsportkategorien vertreten sein. 2010 begannen wir mit den Plänen für die Rückkehr auf Asphalt und wir hatten mehrere Szenarien ausgearbeitet. 2011 gab es dann die Möglichkeit in diesem Moto3-Projekt bei KTM involviert zu sein. Zu dieser Herausforderung konnten wir natürlich nicht nein sagen."


Fotos: White Power: Ein Blick hinter die Kulissen


Frage: "Und wie sieht es mit der MotoGP aus?"
Gustafson: "Wir wollen in Zukunft für Hersteller und Teams aller Klassen ein verlässlicher Partner sein. 2012 haben wir uns ausschließlich auf das KTM-Werksteam von Aki Ajo konzentriert. Das war schon für sich eine große Aufgabe. 2013 werden wir die Zusammenarbeit mit dem KTM-Werksteam und dem Rookies-Cup fortsetzen. Wir wollen aber auch unsere Aktivitäten mit mehr Teams und Fahrern für alle Motorräder ausbauen. 2013 steigen wir auch in die Moto2 ein."

Mit Cortese in die Moto2

Frage: "Jürgen, kannst du uns etwas über das Moto2-Chassis erzählen, das ihr in Valencia vorgestellt habt?"
Jürgen Peko: "Wir haben die neue Moto2-Dämpfung für 2013 vorgestellt. Es war der logische Schritt nach unserem erfolgreichen ersten Jahr in der Moto3. Zu Beginn war es unser Ziel, all unser Wissen, das wir uns in verschiedenen Serien angeeignet haben, zusammenzubringen. Für 2012 entwickelten wir ein neues Produkt für ein komplett neues Motorrad. Die Umstände der neuen Moto3 machten es möglich, dass man mit einem weißen Blatt Papier beginnen konnte. Für einen Ingenieur ist das das interessanteste Szenario, aber man steht auch unter großem Druck."

"Es gibt keine Notlösung, die man verwenden könnte. Wir haben viel Aufwand betrieben, vom Basisdesign über die Prüfstandstests bis zu den Tests auf der Strecke. Das ist der erste Schritt, bevor man über die Dämpfung und die Einstellung nachdenken kann. Wir hatten mehrere Elemente mit einer hohen Priorität. Zunächst musste das Gewicht passen. Das ist bei diesen kleinen Motorrädern wichtig. Man darf aber das Gewicht nicht zum Nachteil der Funktion reduzieren. Nachdem wir an einigen Konzepten gearbeitet haben, fanden wir eine Lösung, die alle Vorteile beinhaltet."

Sandro Cortese

Sandro Cortese wird in der Moto2 Technologie von White Power verwenden Zoom

"Nach einigen Prüfstandstests wurde klar, dass eine stabile Gabel wichtig ist, damit der Fahrer dem Motorrad vertrauen kann. Man muss die Steifigkeit und die Stabilität voneinander trennen, denn wenn man nur die Steifigkeit erhöht, würden wir nicht zu einer Lösung kommen. Wenn das System zu steif ist, dann würde man das Gefühl für das Motorrad verringern."

"Die Antwort war eine Aluminium-Gabel mit einem fixierten und beweglichen Bush-System. Durch eine unterschiedliche Dichte wurde es möglich, den Durchmesser mit geringerem Gewicht zu vergrößern und die Steifigkeit zu optimieren. Die Reibung in der Gabel wird geringer, wenn man den Arbeitstakt erhöht. Im Zusammenspiel mit der speziellen Behandlung der Oberfläche wird die Reibung minimiert. Nachdem wir das grundsätzliche Layout im Entwicklungsprozess definiert hatten, haben wir viele Stunden damit verbracht das Hydrauliksystem am Prüfstand und auf der Strecke zu optimieren."

"Beim Dämpfer wussten wir gleich, was wir wollten. Mit dem 4618-System hatten wir bereits eine gute Basis. Die Achse hat 18 Millimeter Durchmesser und der Kolben 46 Millimeter. Das Ventilsystem wurde optimiert. Wir arbeiteten an einem perfekten Ölfluss, damit die Reibung optimiert wird und dabei das Öl nicht zu sehr belastet wird. Das optimierte das Hysteresis-Verhalten, wodurch der Dämpfer in einem breiten Arbeitsfenster funktioniert."

Frage: "Was waren die Hauptbereiche der Entwicklung 2012 und was werden wir 2013 sehen?"
Peko: "2011 und 2012 haben wir viel Entwicklung betrieben. Das ist die Basis unserer Produktfamilie. 2013 stellen wir die Moto2-Aufhängung vor. Das ist das Ergebnis unserer bisherigen Arbeit. Wir wissen also, dass wir in der Moto2 mit einer vielversprechenden Basis starten. Wir haben aber auch eine neue Entwicklung geplant. Dabei geht es mehr um das Dämpfungssystem in der Gabel. Es wurde in den letzten drei Jahren entwickelt und kommt nun gemeinsam mit der Aufhängung. Ich möchte diesbezüglich nicht zu sehr ins Detail gehen, aber dieses System sollte ein bekanntes Problem in der Moto2 beheben. Beim Dämpfer haben wir bei der Federung auch eine Neuentwicklung, die wir bald vorstellen."

Frage: "White Power unterstützt auch den Nachwuchs und rüstet den Rookies-Cup aus."
Peko: "Absolut. Wir dürfen nicht die Rookie-Fahrer vergessen. Sie sind die künftigen Gesichter der MotoGP. Der Speed und das Fahrtalent dieser Nachwuchsfahrer ist unglaublich hoch. Das beansprucht auch das Material. Wichtig ist eine sehr gute Basis auf hohem Standard, damit die Fahrer Vertrauen zum Motorrad finden. Das erlaubt es ihnen zu lernen und sich zu verbessern. Darum geht es bei der Aufhängung für den Rookies-Cup. Es ist ein Ableger von der Moto3-Maschine. Wenn der Fahrer in den Grand-Prix-Sport aufsteigt, dann weiß er, wie eine Aufhängung arbeitet und was man braucht um schnell zu sein."