• 20.10.2011 21:38

  • von Pete Fink

Tracy über den Horrorunfall und schlaflose Nächte

Paul Tracy saß im Medical Center von Las Vegas keine zehn Zentimeter entfernt von schwer verletzten Dan Wheldon und berichtet nun über seine Alpträume

(Motorsport-Total.com) - Noch weiß Paul Tracy nicht, ob er in der kommenden Saison wieder in ein IndyCar steigen wird. Zu sehr nagt an ihm die Erinnerung über die schrecklichen Vorfälle von Las Vegas, in denen Dan Wheldon sein Leben ließ. Wie Tracy die Situation genau erlebte, schilderte der 42-jährige IndyCar-Veteran jetzt in einem Interview mit der kanadischen 'Sportsnet'.

Titel-Bild zur News: Paul Tracy

Paul Tracy berichtet im Detail über die schlimmen Minuten von Las Vegas

Es geschah in Runde elf. "In Turn 1 sah ich, wie Wade Cunningham und James Hinchcliffe sich mit ihren Rädern berührten", berichtet Tracy. "Cunninghams Auto kam seitwärts ins Schleudern und rutschte dann nach unten in andere Fahrzeuge hinein. In dem Moment ging ich bereits vom Gas und auf die Bremse. Aber bei den Speeds von 225 Meilen geschieht ein solcher Unfall in Sekundenbruchteilen, sodass du gar keine Chance hast, dein Auto zu einem Stopp zu bekommen, um den Unfall zu vermeiden."

Die Konsequenz war die Massenkarambolage mit insgesamt 15 Autos. "Also fuhr ich Tomas Scheckter hinten auf. Während wir über die Strecke rutschten, kam Pippa Mann über mein Auto geflogen. Das hinterließ einen Reifenabdruck auf meinem Helm und hat mir quasi den oberen Teil meines Lenkrads zerbrochen, das ich zu diesem Zeitpunkt noch in der Hand hatte. Ab da sah ich nichts mehr. Nur noch Rauch, Feuer, Funken, Trümmerteile und Reifen."

"Als dann alles zum Stillstand gekommen war, habe ich natürlich sofort um mich geblickt, um zu sehen was los war. Ich sah überall Rauch und brennende Autos, und ich sprang so schnell wie möglich aus meinem Cockpit, weil ich nicht wusste, ob mein Auto auch brennen würde. Während ich erkennen konnte, dass einige Kollegen ebenfalls bereits aus ihren Fahrzeugen gestiegen waren, ging ich zu Will Powers Auto hinüber, dessen Kopfschutz offenbar festklemmte. Ich nahm seinen Kopfschutz ab, damit er auch aussteigen konnte."

"Es würde an ein Wunder grenzen..."

Dan Wheldon

Las-Vegas-Horror: Dan Wheldon (links oben) schlägt in den Fangzaun Zoom

In diesem Trümmerfeld befand sich auch das Wrack von Dan Wheldon. Tracy: "Dann blickte ich mich wieder um und sah Dans Auto, das vielleicht sechs Meter von mir entfernt war. Auch eine Menge Ärzte waren schon bei ihm und man konnte erkennen, dass da gerade etwas sehr Schlimmes vor sich geht und dass Dan sich in einem kritischen Zustand befindet."

"Im Medical Center saß ich dann nahe der Türe und wartete auf einen Doktor, der mir Puls und Blutdruck messen würde. Draußen lief der Hubschrauber, die Türe wurde aufgerissen und sie haben Dan auf der Krankenliege direkt an mir vorbei gerollt. Als ich seine Verletzungen an Kopf und Körper sah, war mir klar, dass es an ein Wunder grenzen würde, wenn Dan das überleben könnte."

Kurze Zeit später sollten sich Tracys düstere Vorahnungen bestätigen. Der 33-jährige Brite wurde in der Universitätsklinik von Las Vegas für tot erklärt. Ein wahrer Alptraum, auch für den IndyCar-Veteran. "So etwas ist das Letzte, was du sehen willst und es hinterlässt auch einen bleibenden Eindruck. Bei mir ist es so, dass ich nachts die Augen schließe und versuche einzuschlafen, aber dieser Film läuft immer und immer wieder ab. Ich habe einige schlaflose Nächte hinter mir."

Rücktritt noch nicht beschlossen

Paul Tracy

Noch ist nicht klar, ob Paul Tracy jemals wieder in ein IndyCar steigen wird Zoom

Wie es nun weitergeht, weiß Tracy noch nicht. "Dan befand sich in der gleichen Situation wie ich. Wir haben zu Saisonbeginn beide kein Auto gehabt, aber er ging damit ganz anders um. Ich ging an der Rennstrecke auf und ab, war auf die ganze Welt sauer, weil ich das ungerecht fand. Er hat nie sein Lächeln verloren."

"Dann bekam er für das Indy 500 in einem kleinen Team ein Auto. Sein erstes Rennen war gleich das Größte der ganzen Saison. Er hat es gewonnen, aber trotzdem für den Rest des Jahres kein Cockpit bekommen. Was um Himmels willen musst du denn noch machen, um ein Auto zu bekommen? Das ist die Sache, die mich völlig frustriert."

Er weiß: "Leute wie Dan oder ich sind Champions, die eine Menge Rennen gewonnen haben. Aber das scheint nicht zu zählen. Sie setzen jeden in ein Auto, der genug Geld hat. Das ist die frustrierende Seite unseres Sports und ich muss mir jetzt überlegen, ob ich weiter mitfahren will, nur um des Mitfahren willens. Mir war klar, dass meine Zeit irgendwann kommen wird und vielleicht hat dies die Sache beschleunigt. Aber entschieden habe ich mich noch nicht."

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