Michael Andretti vs. Paul Tracy: Duelle, Crashs und schlaflose Nächte

In der Blütezeit der CART-Serie lieferten sich Michael Andretti und Paul Tracy hitzige Duelle mit dramatischen Aussagen - Heute lachen beide über ihre damalige Rivalität

(Motorsport-Total.com) - Die IndyCar-Karrieren von Michael Andretti und Paul Tracy überschnitten sich für mehr als zehn Jahre. Als Tracy anno 1991 in der CART-Serie zunächst auf Teilzeitbasis für die Teams von Dale Coyne und später von Roger Penske an den Start ging, war Andretti bei Newman/Haas gerade auf dem Weg zu seinem einzigen IndyCar-Titel als Fahrer.

Titel-Bild zur News: Michael Andretti, Paul Tracy

Andretti und Tracy: Als Gegner waren sie sich nicht grün, als Kollegen schon Zoom

Ein Jahr später, 1992, übernahm Tracy im Penske-Team das Cockpit von Rick Mears, der seine aktive Karriere infolge eines schweren Trainingsunfalls beim Indy 500 beendete. Direkt beim nächsten Rennen - der IndyCar-Premiere auf der Belle Isle in Detroit - gerieten Platzhirsch Andretti und der aufstrebende Youngster Tracy zum ersten Mal aneinander. Es ging um die Führung im Rennen und es war alles andere als das letzte Mal, dass sich die beiden in die Quere kamen.

"Wenn man bei uns von Rivalität sprechen möchte, dann war das wohl der Anfang", sagt Andretti im spannenden Doppelinterview mit Tracy bei 'NBC Sports' über Detroit 1992. Tracy entgegnet mit: "Du hast ein gutes Gedächtnis" und schildert den denkwürdigen Zwischenfall aus seiner Sicht.

"Michael und ich, wir hatten uns beide weit vorne qualifiziert und das halbe Rennen lang Vollgas gegeben", so Tracy. "Dann gerieten wir in der engen Passage rund um den Springbrunnen mit den Rädern aneinander. Und während sich die Räder unserer Autos mehrmals touchierten, zog Bobby Rahal an uns beiden vorbei, um das Rennen zu gewinnen." (YouTube-Video: Andretti vs. Tracy in Detroit 1992)


Andretti vs. Tracy in Detroit 1992

1996 kam es zur nächsten denkwürdigen Kollision der beiden. Andretti fuhr inzwischen wieder für Newman/Haas, nachdem er 1993 unter schwierigen Umständen für McLaren Formel 1 gefahren war und 1994 bei Chip Ganassi Racing sein erfolgreiches Comeback in der CART-Serie gegeben hatte. Tracy war 1996 wie 1992 Penske-Pilot, als die beiden in Surfers Paradise an der Goldküste Australiens kollidierten.

"Michael Andretti Driving School For The Blind"

Andretti nahm Tracy bei der Kollision in Kurve 9 des Stadtkurses in Surfers Paradise aus dem Rennen. Es war nicht Andrettis erster Zwischenfall mit einem Kontrahenten in jener Saison, aber jener mit Tracy hatte ein doppeltes Nachspiel.

Beim nächsten Rennen (Long Beach) war Tracy einer von mehreren Piloten, die bei der Fahrerbesprechung mit einem T-Shirt mit dem Aufdruck "Michael Andretti Driving School For The Blind", also "Michael Andrettis Fahrschule für Blinde", aufkreuzten.

Andretti fand die T-Shirt-Nummer - von Tracy damals "als reiner Joke" bezeichnet - alles andere als komisch. Doch damit nicht genug. Die Rennkommissare rund um Wally Dallenbach sahen es ähnlich und setzten den Newman/Haas-Piloten aufgrund der diversen Kollisionen (unter anderem mit Mauricio Gugelmin in Homestead) für mehrere Monate auf Bewährung. Bezeichnend: Drei der vier anschließenden Rennen gewann Andretti.


Fotostrecke: Die Bestenliste der IndyCar-Rennsieger

1998, als Andretti nach wie vor für Newman/Haas fuhr, Tracy aber inzwischen für das Team Green am Start war, gerieten die beiden in Surfers Paradiese erneut aneinander - diesmal nicht nur einmal, sondern gleich mehrmals im Rennen.

Ein Jahr später, 1999, krachte es auf dem heute nicht mehr existenten Chicago Motor Speedway in Cicero (Illinois) dann richtig. Hinter Juan Pablo Montoya und Dario Franchitti, die sich um die Führung duellierten, kämpften Andretti und Tracy um P3.

In Turn 3 des flachen Ein-Meilen-Ovals kam es zur Kollision, wobei sowohl der schwarze Newman/Haas-Bolide von Andretti als auch der weiß/grüne Team-Green-Bolide von Tracy rückwärts in die Betonmauer einschlugen. (YouTube-Video: Andretti vs. Tracy in Chicago 1999)


Andretti vs. Tracy in Chicago 1999

Andrettis O-Ton damals im Fernsehinterview direkt nach dem Crash: "Unglaublich! Normale Fahrweise von Paul Tracy! Irgendwann wird er damit jemanden umbringen. Ich kann nicht glauben, was er da getan hat und vor allem, warum. Ich verstehe nicht, was in seinem Kopf vorging. Hatte er einen Todeswunsch? Will er uns beide umbringen?"

Heute reagiert Andretti wesentlich entspannter. Auf die Frage, ob ihm Tracy im Zuge ihrer Rivalität jemals schlaflose Nächte bereitet habe, antwortet er mit direktem Verweis auf das Beispiel Chicago 1999: "Vielleicht in der Nacht nach einem Rennen" und erntet damit ein Grinsen von Tracy: "Ich bin mir sicher, dass ich dir ein paar mal einen Brummschädel bereitet habe."

Als Teamkollegen keine Probleme miteinander

Kurios: Für drei Jahre waren Andretti und Tracy im Verlauf ihrer Karrieren Teamkollegen: 1995 bei Newman/Haas und auch 2001 und 2002 beim Team Green. Andretti hatte sich für die letzten beiden Jahre seiner CART-Karriere ins Team von Barry Green eingekauft und fuhr dank Sponsor Motorola ein drittes Auto des Teams neben Tracy und Franchitti, die beide von KOOL gesponsert wurden.

Paul Tracy, Michael Andretti

2002: Dritte Saison von Andretti und Tracy als Teamkollegen nach 1995 und 2001 Zoom

Mindestens genauso kurios: Trotz ihrer jahrelangen Rivalität mit diversen Crashs und Kollisionen kamen sich Andretti und Tracy als Teamkollegen nicht in die Quere. "Wir kamen gut miteinander aus. Wir stachelten uns gegenseitig an, hatten aber nie ein Problem miteinander", denkt Andretti an die gemeinsame Newman/Haas-Saison 1995 zurück.

Auf die Frage, ob er mit Tracy als Teamkollege besser mit ihm zurecht kam als in den Jahren, als die beiden für unterschiedliche Teams fuhren, sagt Andretti: "Ja, denn wenn wir aneinander geraten wären, hätten wir das vor derselben Person aussprechen müssen. Ich glaube, wir kamen uns damals überhaupt nicht in die Quere." Tracy bestätigt: "Ja, da würde ich zustimmen. Wir hatten immer nur dann Probleme miteinander, wenn wir für unterschiedliche Teams fuhren."

Unterschiedliche zweite Karrieren in der IndyCar-Szene

Als Tracy in der CART-Saison 2003 für Forsythe Racing endlich seinen einzigen IndyCar-Titel errang, war Andretti bereits in die Indy Racing League (IRL) verschwunden. Dort hatte er die Kooperation mit Barry Green ausgebaut und ging für das neue Team Andretti Green Racing sporadisch noch selbst an den Start.

Später wurde aus Andretti Green Racing schließlich Andretti Autosport - heute eines der erfolgreichsten IndyCar-Teams neben den jahrzehntelangen Topteams von Roger Penske und Chip Ganassi. Hingegen verschwand Newman/Haas, das Team von Paul Newman und Carl Haas, im Winter 2011/12 von der Bildfläche.

Paul Tracy, Michael Andretti

Penske (hier Tracy) ist noch immer Topteam, Newman/Haas (hier Andretti) nicht mehr da Zoom

Während Michael Andretti inzwischen seit Jahren als Teambesitzer Erfolge feiert, ist Paul Tracy seit Jahren Kommentator der IndyCar-Rennen für NBC. Das Doppelinterview, das die beiden nun im Auftrag des Senders mit Moderator Leigh Diffey gegeben haben, macht deutlich, dass sie ihre Rivalität längst zu den Akten gelegt haben und heute beide darüber lachen können.

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