• 20.04.2009 00:26

  • von Pete Fink

Franchitti gewinnt turbulentes Long-Beach-Rennen

Dario Franchitti siegte in Long Beach vor Will Power und Tony Kanaan, Danica Patrick Vierte - Wiederauferstehung bei Andretti-Green

(Motorsport-Total.com) - Dario Franchitti gewann ein äußerst unterhaltsames Long-Beach-Rennen, das die IndyCar-Kräfteverhältnisse wieder zurecht rückte: Die alteingesessenen Teams von Ganassi, Penske und auch Andretti-Green bestimmten die Schlagzahl, während die aufmüpfigen Hinterbänkler, die noch in der Qualifikation eine Palastrevolution anzettelten, durch die Bank einen Dämpfer erhielten.

Titel-Bild zur News:

Dario Franchitti (li.) genießt die Champagnerdusche von Long Beach

Nach 85 Runden unter den heißen Sonne Südkaliforniens - der Planet bescherte den Zuschauern satte 36 Grad Celsius - lagen mit Tony Kanaan (3.), Danica Patrick (4.) und Marco Andretti (6.) gleich drei Andretti-Green-Dallaras unter den Top 6. Dazu gesellten sich die beiden Penske von Will Power (2.) und Helio Castroneves (7.).#w1#


Fotos: IndyCars in Long Beach


Eigentlich sollten mit Ryan Briscoe (Penske) und Scott Dixon (Ganassi) noch zwei der Big-Boys in den Top 10 auftauchen, doch ein äußerst kurioser Auffahrunfall verhinderte dies: Briscoe schickte in Runde 74 den direkt vor ihm fahrenden Dixon ausgangs Turn 11 in einen Dreher - unter Gelber Flagge!

Der amtierende IndyCar-Champion würgte dabei sein Auto ab, stand auf der Start-/Zielgerade minutenlang gegen die Fahrtrichtung, und musste tatenlos zusehen, wie das Feld an ihm vorbeizog. Dixon kam schließlich mit Rundenrückstand als 15. ins Ziel, während Briscoe nach einer 30-Sekundenstrafe auf Platz 13 gewertet wurde.

Horrorstart für Dixon

Scott Dixon

Scott Dixon muss über seinen Saisonstart 2009 wohl selber staunen Zoom

Doch Long Beach hatte noch weit mehr Kuriositäten zu bieten. Nach einem Restart kam es in Runde 24 in derselben Haarnadelkurve zu einem Verkehrsstau. Wieder war Dixon unschuldiger Auslöser, weil ihm Alex Tagliani (Conquest) hinten auffuhr. Im dichten Pulk kam es zu einer Kettenreaktion von fünf Fahrzeugen, der schließlich Justin Wilson zum Opfer fiel.

Der Dale-Coyne-Pilot war zuvor nach einem verunglückten Boxenstopp weit zurückgefallen und wurde prompt von Hideki Mutoh (AGR) umgedreht. Auch Mario Moraes (KV), Darren Manning (Dreyer and Reinbold) und Dan Wheldon (Panther) waren verwickelt, die die langsamste Ecke im gesamten IndyCar-Kalender zu fünft komplett blockierten. Wilson musste kurze Zeit später mit verbogener Aufhängung aufgeben.

Für Champion Dixon gestaltete sich der Saisonauftakt 2009 alles andere als geplant. Nachdem er vor 14 Tagen in St. Petersburg von Mutoh aufs Korn genommen wurde, kamen ihm in Long Beach also erst Tagliani, später Briscoe in die Quere. Doch dabei sollte es nicht bleiben, denn Dixon war noch an einem dritten Aufreger beteiligt.

Der Meister wird wahrscheinlich heilfroh sein, dass die nächsten sechs Saisonrennen allesamt auf dem Oval stattfinden, denn in der Gesamtwertung besteht für den Neuseeländer bereits erheblicher Aufholbedarf. Von engen Stadtkursen dürfte der 28-Jährige bis auf weiteres die Nase jedenfalls gestrichen voll haben.

Franchitti nur zu Beginn unaufmerksam

Will Power

Polesetter Will Power düpierte Dario Franchitti nur am Start Zoom

Ganz im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Franchitti. Dem Schotten unterlief in Long Beach nur ein kleiner Fauxpas, als ihn gleich beim Start Polesetter Will Power austrickste. Der Australier gab sehr spät Gas, Franchitti musste noch einmal verlangsamen, verlor dabei natürlich an Schwung, und kam aus Turn 1 nur als Vierter heraus.

Vorne hatte Power zunächst alles im Griff, dahinter sortierten sich Raphael Matos (Luczo Dragon) und Wilson ein. Es dauerte 15 Runden, bis Franchitti seinen Fehler auf der Strecke korrigiert hatte, indem er erst Wilson, dann Matos sauber überholte.

In Runde 17 wurde es dann turbulent. Mike Conway (Dreyer and Reinbold) landete zum ersten Mal in einem der Reifenstapel, der britische IndyCar-Rookie sollte später nach einem zweiten Abflug aufgeben müssen. Just zu diesem Zeitpunkt gingen Franchitti und weiter hinten im Feld Danica Patrick zu ihren ersten Stopps an die Box, doch die Rennleitung gab noch keinen Full-Course-Yellow.

Das geschah erst, als Spitzenreiter Power - offenbar irritiert und ohne Funk - verlangsamte, weshalb Matos und Wilson vorbeizogen. Als dieses auch Scott Dixon versuchte, blockte Power den Angriff. Der Pechvogel hieß Ernesto Viso, der außen neben dem ausweichenden Dixon fuhr. Für Viso war das Rennen danach beendet.

Strategie entscheidet Long Beach

Danica Patrick

Danica Patricks Erfolgsgeheimnis: Immer an die Box, wenn auch Franchitti kam Zoom

Nun musste Gelb kommen, und die Spitze ging fast geschlossen zum Tanken. Kurz nach diesem Restart kam es dann zu dem bereits erwähnten Verkehrsstau in Turn 11, und als sich der Staub über die IndyCar-Kampfbahn von Long Beach wieder gelegt hatte, bot die Spitze ein völlig anderes Erscheinungsbild.

Dario Franchitti lag plötzlich vor der Rennamazone Patrick, die wiederum Will Power im Genick sitzen hatte. Dahinter folgten Helio Castroneves, Graham Rahal und Scott Dixon. Das IndyCar-Establishment hatte Long Beach im Griff, der Angriff der kleinen Teams war fürs Erste abgewehrt.

Dieses Strategiespiel wiederholte sich ab Runde 51 fast auf identische Art und Weise: Wieder zogen erst Patrick, Power und auch Dan Wheldon, dann Franchitti und Kanaan ihre zweiten Stopps vor, und wieder war es Conway, der wenige Sekunden später eine Gelbphase auslöste.

So konnte Franchitti, nun im sicheren Wissen, nicht mehr zum Tanken zu müssen, das Feld kontrollieren, und auf- und davon fahren. Erstaunlich war nur, dass hinter Will Power die AGR-Dallara von Kanaan und Patrick auf den Plätzen drei und vier das Tempo der Spitze scheinbar mühelos mitgehen konnten. 24 Stunden zuvor bat der AGR-Routinier Kanaan nach dem unterirdischen Qualifying des Teams noch öffentlich um Hilfe, die über Nacht gekommen sein muss.

Franchitti am Ende souverän

Dario Franchitti

Ashley Judd und Dario Franchitti: Siegerkuss oder Geburtstagskuss? Zoom

Die fünfte und letzte Gelbphase, der Briscoe und Dixon zum Opfer fielen, änderte an diesem Szenario nichts mehr: Franchitti gewann vor Power, Kanaan, Patrick und Wheldon. Ein angriffiger Marco Andretti rundete als Sechster die überraschende AGR-Leistung ab, während Castroneves bei seinem IndyCar-Comeback als Siebter ins Ziel kam.

Geht es nach der Statistik, dann wurde der IndyCar-Titel übrigens bereits am Sonntagabend entschieden. Denn immer, wenn ein Ganassi-Pilot das Long-Beach-Rennen gewann, wurde er später in der Saison auch Meister. US-Schauspielerin Ashley Judd, der Ehefrau von Sieger Franchitti würde dies sicher gefallen, denn sie feierte in Long Beach zu allem Überfluss auch noch ihren 41. Geburtstag.

Hinter Tabellenführer Franchitti (84 Punkte) liegt Will Power (69) auf Platz zwei, der jedoch kommende Woche in Kansas aller Wahrscheinlichkeit nach zuschauen muss. Mit dem 1,5 Meilen-Speedway im Herzen Amerikas beginnt nun eine Serie von sechs Ovalrennen, die die Monate Mai und Juni komplett abdeckt.