powered by Motorsport.com
  • 30.09.2008 09:22

  • von Pete Fink

Das große Exklusiv-Interview mit Andreas Wirth (1)

Andreas Wirth war bislang der letzte Deutsche, der einen ChampCar-Boliden fuhr - hier Teil eins des großen Exklusiv-Interviews mit 'Motorsport-Total.com'

(Motorsport-Total.com) - Viele Motorsport-Fans sind der Meinung, dass Timo Glock in der Saison 2005 der bislang letzte deutsche ChampCar-Pilot war, aber das ist nicht richtig. Andreas Wirth fuhr Ende 2006 zwei ChampCar-Rennen und stand 2007 ganz dicht vor dem Sprung in die damalige Top-Liga des US-Formelsports. Doch dann geschahen einige Dinge, die die motorsportliche Karriere des 23-Jährigen ins Stocken brachten.

Titel-Bild zur News: Andreas Wirth

Andreas Wirth will nach zwei verkorksten Jahren wieder einen Neuanfang

2003 war Wirth in der Formel BMW Deutschland der Teamkollege von Sebastian Vettel, als dort unter anderem auch Adrian Sutil aktiv war. Anschließend zog es den Heidelberger in Richtung USA, wo er 2004 prompt die Formel BMW USA gewann - zu einer Formel-1-Testfahrt, wie für den Sieger der Formel BMW Deutschland üblich, kam es übrigens nie.#w1#

Für Wirth folgte der logische Schritt in die Atlantic-Serie, deren Titel er 2005 und 2006 jeweils mit ein wenig Pech verpasste. Damals lauteten seine Meisterschaftskonkurrenten unter anderem Graham Rahal und Simon Pagenaud, die später beide den Sprung zu den ChampCars schaffen sollten.

Was seit dieser Zeit alles warum geschah, wie es nach zwei verkorksten Jahren weitergehen soll, und wie USA-Fachmann Andreas Wirth die derzeitige Situation im US-amerikanischen Formelsport sieht, verriet der permanente Positivdenker gegenüber 'Motorsport-Total.com' in Detroit in einem großen Exklusiv-Interview.

Zweimal ChampCars in Australien und Mexiko

Frage: "Andreas, 2006 bist du für Dale Coyne in Surfers Paradise und in Mexiko City zweimal ChampCars gefahren. Wie kam es dazu und was ist an den beiden Wochenenden damals alles passiert?"
Andreas Wirth: "Die Saison 2006 mit Forsythe in der Atlantic-Serie hat super angefangen. Ich habe nach acht von zwölf Rennen die Gesamtführung innegehabt, damals gab es noch zwei Millionen US-Dollar für den Sieger. Nach dem achten Rennen hat dann leider eine Pechsträhne angefangen, denn drei der vier letzten Rennen habe ich nicht beendet."

Andreas Wirth Dale Coyne Surfers 2006

2006: Andreas Wirth bei seinem ChampCar-Debüt in Surfers Paradise Zoom

"Zwei davon aufgrund mechanischer Probleme, was also nicht meine Schuld war. Der dritte Ausfall war ein Rennunfall. Trotzdem habe ich von Dale Coyne die Chance bekommen, in Surfers und in Mexiko City zu fahren. Das superschnelle Surfers Paradise war für mein erstes ChampCar-Rennen natürlich die härteste Strecke, die man sich aussuchen kann."

"Während der Freien Trainings hatte ich auch genügend Dreher und wollte das Auto in der Qualifikation dann nicht in die Mauer werfen. Aber ansonsten lief es ganz gut - es war ein solides Rennen und ich bin Neunter geworden. Das war schon gut und auch völlig angemessen, wie ich finde."

"Mexiko City war dann ein Rennen zum Vergessen. Ich hatte von Beginn an Bremsprobleme, die sich das gesamte Wochenende durchgezogen haben. Dann gab es Probleme beim Boxenstopp, noch dazu ging dann der Funk kaputt. Zu allem Überfluss fing es dann noch an zu regnen und ich habe auf die Boxentafel gewartet."

"Leider hat mich keiner reingeholt. Dann bin ich noch eine Runde draußen geblieben, weil ich mir dachte: 'Na gut, dann fahr ich lieber weiter', aber die Tafel kam nicht. Wie auch immer, ich betrachte Mexiko City aus heutiger Sicht - wie man so schön sagt - als charakterbildendes Lernwochenende."

Winter 2007 - eine Option nach der anderen platzt

Frage:"Für die Saison 2007 standest du dann auf den Listen einiger ChampCar-Teams. Was genau passierte da im Winter?"
Wirth: "Für 2007 hat alles eigentlich ganz gut ausgesehen. Ich hätte mein erstes komplettes ChampCar-Jahr für Dale Coyne Racing fahren sollen, aber leider kam dann alles anders, als Katherine Legge plötzlich ins Spiel kam. Es ging ums liebe Geld und auf einmal stand ich wieder ohne Renncockpit da."

Andreas Wirth Dale Coyne Mexiko 2006

Zwei ChampCar-Rennen fuhr Andreas Wirth für Dale Coyne - hier in Mexiko Zoom

"Ich habe 2007 dann für Dale Coyne getestet und bin auch die ganzen ChampCar-Demonstrationen gefahren, zum Beispiel in Assen oder bei den Rizla-Racing-Days. Das hat zwar Spaß gemacht, ist aber natürlich nicht das, was ein Rennfahrer machen möchte."

"Meine Hoffnung war, dass ich durch die Testfahrten für 2008 vielleicht einen Platz finden kann, aber dann kam - Stichwort Wiedervereinigung - natürlich wieder alles ganz anders, als wir uns erhofft hatten. Wir waren von Ende 2007 bis eigentlich März 2008 auch in Gesprächen mit TME für ein DTM-Cockpit, was sich dann aber zerschlagen hat."

"Tja und dann hatten wir Ende März, meine USA-Optionen hatten sich auch zerschlagen, weil die ChampCars und die IRL wie gesagt zusammengingen, was nicht anderes bedeutet hat, dass es plötzlich mindestens 18 Cockpits weniger gegeben hat. Und wenn man in dieser Situation quasi als Rookie in die Serie einsteigen will, und Leute mit großer Erfahrung auch auf Cockpitsuche sind, dann geht es halt ohne eine Menge Geld nicht - und genau das war der Fall."

Notlösung 2008: Atlantic zum Dritten

Frage: "Was geschah dann im März 2008? Warum wieder die Atlantic-Serie?"
Wirth: "Ich hatte ja für TME getestet, aus meiner Sicht lief dieser Test sehr gut. Nur hat es halt nicht sollen sein und Ende März war dann einfach die Frage, was man jetzt machen soll. Dann gab es halt nur noch eine Option und das war die Atlantic-Serie."

Andreas Wirth

Andreas Wirth 2007 und 2008: Beinahe komplett zum Zuschauen verurteilt Zoom

"Das wäre dort mein drittes Jahr gewesen, also bei Weitem nicht das, was man machen sollte, wenn man in einer Serie schon zwei Jahre lang erfolgreich gewesen war. Aber bevor ich gar nichts mache, dachte ich mir, Rennpraxis und sich auf nordamerikanischem Boden bewegen kann nie schaden."

"Dann bin ich die ersten drei Rennen gefahren und es gab viele Probleme mit dem Team, bis dann die Sponsoren gesagt haben, dass es so nicht weitergehen kann. Dann hat man sich entschlossen, das nicht weiter zu verfolgen und nun stehe ich hier - ohne Cockpit."

Frage: "Liegen deine weiteren Ziele in den USA oder bist du da nicht festgelegt?"
Wirth: "Gut, in den letzten Jahren habe ich mir in Nordamerika einen Namen aufgebaut. Aber wenn es Europa werden würde, wäre ich momentan nicht abgeneigt."

Wie Paul Tracy und Robert Doornbos...

Frage: "Aber im Prinzip bist du einer aus der Gilde Paul Tracy, Robert Doornbos und so weiter, also ein Opfer der Wiedervereinigung?"
Wirth: "Ja. Und was eben dazu kam, war, dass die Atlantic ja nicht mehr von den ChampCars unterstützt wurde. Da waren viele Dinge im luftleeren Raum wie etwa das Thema Fernsehen und die Medien generell. Ich hatte ja sozusagen einen Last-Minute-Deal, aber trotzdem sind in den ersten drei Rennen so viele Sachen passiert, die in einem Team einfach nicht passieren dürfen - ohne jetzt auf Details eingehen zu wollen."

Andreas Wirth

Andreas Wirth fuhr 2006 in der Atlantic-Serie für das Forsythe-Team Zoom

Frage: "Was waren das für Dinge?"
Wirth: "Einfache Dinge, die im professionellen Rennsport auf diesem Level nicht passieren dürfen. Und irgendwann hat mein amerikanischer Sponsor dann gesagt, dass er sich das nicht mehr anschauen wolle. Ich hatte in der Atlantic meine Erfolge, ich hatte mich dort bewiesen."

"2005 war ich Zweiter, bis ich mir meine drei Rückenwirbel gebrochen habe. 2006 lag ich nach acht von zwölf Rennen vorne und wurde am Ende Dritter in der Meisterschaft. Ich hatte also mehrere Sachen zu verlieren, aber ich will im Rennsport bleiben und ich will in den kommenden Jahren damit auch meinen Lebensunterhalt verdienen."

Frage: "Hat der Sponsor denn mit dir gebrochen oder mit dem Team?"
Wirth: "Mit dem Team."

Wie geht es nun weiter?

Frage: "Jetzt ist es natürlich eine Frage der Alternativen. Wenn wir einmal die Möglichkeiten in den USA durchgehen, dann bleiben eigentlich nur die IndyCars, die IndyLights oder die ALMS übrig. Sind für dich alle drei Alternativen gangbar?"
Wirth: "Bei den IndyCars haben wir jetzt zum Saisonende genau das gleiche Problem wie zu Jahresbeginn. Zu viele gute und erfahrene Fahrer suchen ein Cockpit, und um derzeit ein IndyCar-Cockpit zu bekommen, braucht man momentan einfach sehr viel Geld."

Andreas Wirth Laguna Seca 2008

Eine IndyCar-Saison ist eine recht teure Angelegenheit, weiß Andreas Wirth Zoom

"Wenn man nun nicht die Unterstützung einer multinationalen Firma hat, oder eine Familie im Rücken weiß, deren Ressourcen so groß sind, dass es einfach nicht darauf ankommt - beides habe ich nicht - dann ist das nicht einfach. Für mich war es schon immer schwierig, mich in einer Rennserie mit den Mitteln zu beweisen, die ich zur Verfügung habe, insofern sehe ich eine volle IndyCar-Saison als sehr schwierig an."

Frage: "Man sagt, dass eine IndyCar-Saison sechs bis sieben Millionen US-Dollar kostet. Kannst du das bestätigen?"
Wirth: "Das kann ich bestätigen, aber das ist nicht der Betrag, der von einem Fahrer aufgerufen wird. Doch selbst wenn wir jetzt einmal von der Hälfte ausgehen, dann sind das immer noch eine Menge Dollars, die nach wie vor schwierig zu finden sind - auch nach der Fusion."

"Klar, der Merger war für den US-Formelsport der absolut richtige Weg, aber es sind halt auch 18 Cockpits weggefallen. Es sind Fahrer wie Paul Tracy auf dem Markt, seines Zeichens ein früherer ChampCar-Champion, aber auch andere, die richtig gut sind und schon mehrere Jahre Erfahrung haben. Und wenn man jetzt gegen solche Leute konkurrieren muss, um ein Cockpit zu bekommen, dann ist das schon schwierig."

Teil zwei des großen Exklusivinterviews mit Andreas Wirth beschäftigt sich morgen vor allem mit der aktuellen IndyCar-Situation, seinen weiteren Aussichten und was er mit seiner USA-Erfahrung einem jungen deutschen Nachwuchspiloten mit auf den Weg geben würde.