• 29.08.2010 04:43

  • von Pete Fink

Chicago-Show: Franchitti siegt - Drama um Power!

Chicagoland sah ein sagenhaftes IndyCar-Rennen mit einer genialen Ganassi-Strategie für Sieger Dario Franchitti und Riesenpech für Tabellenführer Will Power

(Motorsport-Total.com) - Was geht bei Chip Ganassi in dieser Saison eigentlich schief? Offenbar so gut wie nichts, denn ein eigentlich chancenloser Dario Franchitti gewann mit einem fantastischen Reifenpoker einen unglaublichen Indycar-Krimi auf dem Chicagoland Speedway! Gleichzeitig erlebte sein großer Titelkonkurrent Will Power beim selben Stopp in aussichtsreicher Position ein Sprit-Desaster und musste einen Zusatzaufenthalt einlegen. Der Penske-Pechvogel landete nur auf Platz 16.

Titel-Bild zur News: Will Power

Tolle Show: Chicagoland bot ein unglaublich enges IndyCar-Rennen

Das PEAK Antifreeze war eine sagenhafte Motorsport-Show über 200 Runden. Auf dem 1,5 Meilenoval wurde desöfteren zu dritt oder sogar zu viert nebeneinander gefahren. Wie eng das Renngeschehen wirklich war, verdeutlicht die Tatsache, dass zehn Runden vor Schluss die Top 14 innerhalb einer Sekunde lagen. Am Ende holten sich Dan Wheldon (Panther) und Marco Andretti (Andretti) die hochverdienten Plätze zwei und drei.#w1#


Fotos: IndyCars in Chicagoland


Das große Verliererteam hieß Penske. Polesitter Ryan Briscoe lag die ersten beiden Renndrittel in Front, wurde danach bei einem Stopp ins vordere Mittelfeld zurückgeworfen. Einmal im Verkehr, kam der Australier nicht mehr nach vorne. Nach einem Verzweiflungsmanöver streifte Briscoe im Finale erst die Felge Andrettis, dann die Mauer. Nur Rang 11 war die Quittung.

Helio Castroneves erlebte einen desaströsen ersten Stopp, der ihn bis auf Platz 18 zurückwarf. Auch der Brasilianer kam nie mehr an die Spitze zurück und landete als bester aus dem Penske-Trio am Ende wenigstens noch auf Platz sechs. Kein Chicagoland-Resultat, dass dem Vorzeigeteam der IndyCars zu Gesicht steht.

Briscoe lange Zeit in Front

Ryan Briscoe

Marco Andretti fand auf der Außenbahn kein Mittel gegen Ryan Briscoe Zoom

Im Gegensatz dazu die Familie Andretti. Marco Andretti zeigte sich über 200 Runden als extrem gut aufgelegt. Der 23-Jährige attackierte von Beginn an Spitzenreiter Briscoe, verzweifelte dabei jedoch auf der Außenbahn: "Dort war es unglaublich schwer zu überholen, speziell Penske und Ganassi." Egal in welcher Rennsituation sich die Chicagoland-Show später auch befand - ein aggressiver Andretti befand sich immer bei der Musik und wurde dafür zurecht mit seiner ersten Podestplatzierung der Saison belohnt.

Ähnliches gilt für Dan Wheldon. Auch der Brite - seines Zeichens Chicagoland-Sieger 2005 und 2006 - musste einen hundsmiserablen ersten Stopp hinnehmen. "Aber wir haben nicht aufgegeben und uns wieder nach vorne gearbeitet", freute sich Wheldon. Am Ende wurde diese Aufholjagd mit Platz zwei belohnt. Übrigens: Auch IndyCar-Rückkehrer Ed Carpenter im Schwesterauto zeigte bis zu zwei Problemen in der Boxengasse ein tolles Rennen, landete nach einem Defekt schlussendlich aber nur auf Position 20.

Hatte Briscoe - unter dem Dauerdruck Andrettis - die ersten beiden Renndrittel bestimmt, so kippte das Geschehen ab Runde 136 nach den zweiten Tankstopps unter Grüner Flagge. Plötzlich übernahmen Wheldon und Ryan Hunter-Reay (Andretti; 4.) das Kommando, direkt dahinter drängelte Will Power.

Der nach wie vor Meisterschaftsführende ging dabei volles Risiko, ließ sich in der Mitte fahrend sogar auf ein enges Three-Wide gegen Wheldon und Hunter-Reay ein und eroberte die Führung. Danach zeigte sich ein ähnliches Bild wie zu Rennbeginn: Wer auf der unteren Linie fuhr und keinen Fehler machte, der war auf der Außenbahn nur äußerst schwer zu überholen. Zuerst Briscoe, nun Power.

Entscheidung an der Box

Will Power

Will Power drängelt sich durch Marco Andretti und Dan Wheldon in Front Zoom

Die Entscheidung fiel dann während der vierten Gelbphase in Runde 169. Zu diesem Zeitpunkt war klar geworden, dass die Firestone-Reifen durchaus in der Lage waren, mehr als nur einen Stint durchzuhalten. Die Frage war, wer aus dem Spitzenpulk das Risiko eines Fuel-Only-Stopps eingehen würde und die Antwort lautete: Franchitti.

Sagenhafte acht Plätze machte der Schotte gut, was Chip Ganassi am Kommandostand lapidar mit den Worten: "Es ist ein Pokerspiel" kommentierte. "Anders haben wir keine Chance auf den Sieg." Gleichzeitig hatte die Penske-Crew von Nicht-Mehr-Spitzenreiter Power offenbar Probleme beim Auftanken, denn man war sich sofort nach dessen Stopp nicht sicher, ob sein Sprit reichen würde.

Nach dem Restart in Runde 177 machte sich Franchitti extrem breit. Hinter ihm drängelten sein Dauer-Windschattenpartner Wheldon innen und Power außen. Wieder ging der Australier sehr aggressiv zu Werke, schaffte es aber nicht, seine Penske-Nase entscheidend in den Wind zu bringen. Fünf Runden vor Schluss sollten sich die Vorahnungen seines Teams bestätigen: Power rollte ohne Sprit an die Box.

Ein Drama für den Meisterschaftsführenden, dessen Vorsprung mit einem Schlag von 59 auf 23 Punke zusammenschmolz. Umso bitterer, weil es der nach wie vor breite Franchitti mit all seiner Routine tatsächlich verstand, die Konkurrenz bis zur Zielflagge hinter sich zu halten: "Das ist Racing", kommentierte Power. "Aber ich muss auch sagen, dass ich heute unglaublich viel Spaß hatte. Ich wusste nicht, dass ich so gut Ovalfahren kann. Leider wird es jetzt in der Meisterschaft ganz eng."

Ganassi-Poker gewinnt das Rennen

Dario Franchitti

Dario Franchitti und Chip Ganassi bejubeln ihren Mega-Coup Zoom

Sieger Franchitti wiederum wusste genau, bei wem er sich zu bedanken hatte: "Im Verkehr war unser Auto nicht gut. Die Entscheidung der Box hat dieses Rennen für mich gewonnen." Chip Ganassi gab das Kompliment dankend zurück: "Wir haben ihn nach vorne gebracht, er hat den Rest erledigt." Angesichts von noch drei ausstehenden Ovalrennen und der versammelten Ganassi-Cleverness wird die Luft für Tabellenführer Power wohl sehr dünn.

Rang fünf in Chicagoland ging an Tony Kanaan, der in seiner so typischen Manier gleich in Runde eins fünf (!) Autos auf der Außenbahn überholte. Trotzdem war der Andretti-Pilot nicht ganz zufrieden: "Im Mittelfeld ging es so eng und so hart zur Sache - ich bin heilfroh, dass dieses Rennen vorbei ist." Als Siebter in der Gesamtwertung hat Kanaan zudem auch keine rechnerischen Titelchancen mehr: Der neue IndyCar-Champion wird unter den aktuell sechs bestplatzierten Piloten ausgefahren.

Danica Patrick (Andretti) wurde am Ende unauffällige 14., einen Rang vor Sarah Fisher (Fisher; 15.), die sich zu Rennhalbzeit kräftig in Szene setzen konnte. Fisher sparte sich einen Stopp, turnte viele Runden lang auf den Positionen eins und zwei herum, verlor später jedoch alle Chancen, weil die Gelbphasen nicht mehr so fielen, dass sie unbeschadet in den Tankrhythmus der Spitzengruppe zurückkehren konnte. Für Simona de Silvestro (HVM; 23.) war das Rennen nach 150 Runden mit einem Defekt zu Ende.

Nichts Neues auch bei Takuma Sato und KV Racing: Erst warf den Japaner ein früher Reifenschaden unter Grün zurück, dann kollidierte er in der Boxengasse mit seinem Teamkollegen Ernesto Viso. Für beide Piloten war das Wochenende damit vorzeitig beendet. Doch der doppelte Sieger von Chicagoland hieß natürlich Franchitti, der schon am kommenden Wochenende in Kentucky seine am frühen Sonntagmorgen begonnene Aufholjagd fortsetzen könnte.