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12h Sebring: Castroneves/Taylor retten IMSA-Titel 2020 beim Penske-Abschied

Mazda holt beim IMSA-Saisonfinale in Sebring den Sieg, aber Helio Castroneves erringt seinen ersten Titel überhaupt - Packende Entscheidung zwischen drei Teams

(Motorsport-Total.com) - Packende Titelentscheidung in der IMSA SportsCar Championship beim Saisonfinale 2020, den aufgrund der COVID-19-Pandemie von März auf November verschobenen 12 Stunden von Sebring!

Titel-Bild zur News: Helio Castroneves, Ricky Taylor, Alexander Rossi

IMSA-Titel 2020 für die Penske-Piloten Helio Castroneves und Ricky Taylor Zoom

Während Jonathan Bomarito, Harry Tincknell und Ryan Hunter-Reay im weinroten Mazda mit der Startnummer 55 das Rennen gewannen, genügte den Penske-Stammfahrern Helio Castroneves und Ricky Taylor zusammen mit Alexander Rossi beim letzten IMSA-Rennen von Penske der achte Platz mit sieben Runden Rückstand, um sich in der Topklasse DPi gerade so den Titel zu sichern (Ergebnis: 12h Sebring als IMSA-Finale 2020).

Bemerkenswert: Obwohl Castroneves seit fast 30 Jahren erfolgreich Rennen fährt, 30 IndyCar-Siege (darunter drei beim Indy 500) auf dem Konto hat und sage und schreibe 21 Jahre lang Penske-Pilot war, ist der IMSA-Titel 2020 der erste Titelgewinn überhaupt in der Karriere des 45-jährigen Brasilianers. Derweil ist es für Ricky Taylor der zweite IMSA-Titel nach 2017, aber sein erster als Penske-Pilot (Fotos: 12h Sebring als IMSA-Finale 2020).

"Ich kann mich bei diesem Kerl gar nicht genug bedanken", so die ersten Worte von Castroneves in Richtung Taylor, der den Schlussstint fuhr, während Castroneves selbst an der Boxenmauer mit den Tränen kämpfte. "Ihr habt ja keine Ahnung, was mir das bedeutet", so der Brasilianer nach dem ersten Titelgewinn seiner Rennfahrerkarriere.

Mit dieser Erfolgsgeschichte, die beim Finale trotz sieben Runden Rückstand geschrieben wurde, geht nicht nur die 21-jährige Zusammenarbeit zwischen Castroneves und Penske, sondern auch die dreijährige Zusammenarbeit zwischen Penske und Acura zu Ende. Für Penske-Acura ist es der zweite IMSA-Titel. Im vergangenen Jahr hatten sich Juan Pablo Montoya und Dane Cameron im Schwesterauto durchgesetzt.
Mazda verliert Sieg und erringt ihn doch


Fotostrecke: Alle Penske-Champions: ALMS, Can-Am, IMSA, IndyCar, NASCAR, Supercars & Co.

Für Castroneves/Taylor war der Weg zum Titelgewinn am Samstag in Sebring ein dramatischer, im Zuge dessen der Sieg für die Mazda-Piloten Bomarito/Tincknell/Hunter-Reay ebenso unterging wie die weiteren Podestplätze für Juan Pablo Montoya, Dane Cameron und Simon Pagenaud (Penske-Acura; 2.) sowie Oliver Jarvis, Tristan Nunez und Olivier Pla (Mazda; 3.).

30 Minuten vor Schluss lagen Jarvis/Nunez/Pla im weißen #77 Mazda auf Siegkurs. Doch ein Ausritt von Jarvis zog einen Reifenwechsel nach sich. Mutmaßlich war der Reifen schon vorher beschädigt und löste den Ausritt aus.

Jonathan Bomarito, Harry Tincknell

Sebring-Sieg für Bomarito/Tincknell/Hunter-Reay nach Ausritt der Teamkollegen Zoom

So oder so ging die Führung bei dieser Gelegenheit an das Schwesterauto mit Bomarito/Tincknell/Hunter-Reay über. Der erste Langstreckensieg für Mazda hat also doch noch geklappt, aber nicht für die Besetzung, die eine halbe Stunde vor Schluss noch in Führung gelegen hatte.

Übrigens: Zwar fehlen Bomarito/Tincknell unterm Strich nur fünf Punkte auf die Champions Castroneves/Taylor. Den Titel aber konnten sie nicht mehr einfahren, denn mehr Punkte gutmachen als sie es mit dem Sieg beim gleichzeitigen achten Platz für das Penske-Duo getan haben, war für die Mazda-Piloten schlicht und ergreifend nicht möglich.

Dramatischer Titelkampf mit drei Teams

Von IndyCar-Pilot Alexander Rossi im Penske-Acura mit der Startnummer 7 unterstützt, gingen Castroneves/Taylor mit zwei Punkten Vorsprung als Tabellenführer und dank Qualifying-Bestzeit von Taylor auch als Polesetter ins Rennen.

Ryan Briscoe und Renger van der Zande, die im schwarzen Wayne-Taylor-Cadillac (Startnummer 10) zwei Punkte Rückstand auf Castroneves/Taylor aufwiesen, starteten zusammen mit IndyCar-Champion Scott Dixon von P2.

Und Pipo Derani, der mit neun Punkten Rückstand antrat, bildete im roten Action-Express-Cadillac (Startnummer 31) mit Felipe Nasr und Gabby Chaves die Fahrerbesetzung von P6 in der Startaufstellung kommend. Um den Titel zu erringen, war Derani auf den Rennsieg angewiesen.

Frühe Rückschläge für die Titelanwärter von Penske und Taylor

Nach gewonnenem Start verloren Castroneves/Taylor noch in der ersten Rennstunde sage und schreibe elf Runden und damit die virtuelle Tabellenführung. Grund war ein notwendig gewordener Wechsel des Turboladers. Dank günstig gefallener Gelbphasen waren drei der elf Runden zügig wieder aufgeholt. Eine weitere wurde später noch aufgeholt. Dennoch verharrten Castroneves/Taylor/Rossi bis Rennende auf der achten und damit letzten Position der DPi-Klasse.

Derweil erlebten die Titelkandidaten aus dem Lager von Wayne Taylor Racing gleich mehrere Rückschläge. Direkt nach dem Start gab es eine Durchfahrtsstrafe, weil van der Zande beim Beschleunigen zu früh die Spur gewechselt hatte. In der fünften Rennstunde, als Scott Dixon am Lenkrad drehte, kam es ausgerechnet in Kurve 10 zu einer Kollision mit Oliver Jarvis im weißen #77 Mazda.

Die Folge: Der schwarze Cadillac mit der Startnummer 10 musste zur Reparatur in die Garage abbiegen. Weil der Kühler gewechselt werden musste, gingen fünf Runden verloren. Wenig später gab es aufgrund eines Überholvorgangs unter Gelb eine zweite Durchfahrtsstrafe, die eine weitere Runde kostete.

Beinharter Zweikampf um P1: Derani dreht Montoya um

Die Probleme im Lager von Penske und von Wayne Taylor Racing servierten Action-Express-Pilot Derani vorübergehend die virtuelle Tabellenführung. Dass der junge Brasilianer die 12 Stunden von Sebring zum vierten Mal in fünf Jahren gewinnen würde, war aber alles andere als gesetzt.

In der zehnten Rennstunde - Derani lag an zweiter Stelle und Castroneves/Taylor weiterhin an achter und letzter Stelle der Klasse - waren diese Titelkandidaten punktgleich. Um den Titel zu gewinnen, musste Derani mit seinen Kollegen Nasr/Chaves unbedingt das Rennen gewinnen.

Luis Felipe Derani, Felipe Nasr, Gabby Chaves

Pipo Derani hätte für Action Express den Titel holen können, aber es kam anders Zoom

Keine drei Stunden vor Schluss aber kam es zwischen Juan Pablo Montoya im zu diesem Zeitpunkt führenden #6 Penske-Acura und Derani im Action-Express-Cadillac kurz hintereinander zu zwei Berührungen. In Kurve 7 bremste sich Derani zunächst an Montoya vorbei, wurde aber ausgangs der Kurve vom Kolumbianer mitsamt rustikaler Berührung wieder überholt. Die zweite Berührung war dann kurz darauf ein aussichtsloser Angriff Deranis in Kurve 11.

Während sich Montoya drehte und damit die Führung verlor, hatte Derani nur ganz kurz Freude an der erneuten Übernahme der Führung. Denn weil er als Verursacher ausgemacht wurde, gab es eine Durchfahrtsstrafe. Mehr noch: Weil auch die Lenkung Schaden genommen hatte, gingen im Zuge der Reparatur zwei Runden verloren. Die Chance, das Rennen noch zu gewinnen und damit den Titel noch zu erringen, war für Derani dahin. Am Ende sprang nicht mehr als P6 im Rennen und P4 in der Meisterschaft heraus.

Wayne Taylor Racing verpasst Titel um zwei Punkte

Ryan Briscoe und Renger van der Zande, die Titelkandidaten von Wayne Taylor Racing, schafften es zusammen mit Scott Dixon nach ihren zahlreichen Rückschlägen nicht einmal mehr, Derani/Nasr/Chaves im Rennergebnis noch abzufangen.

Mit sechs Runden Rückstand auf P7 im Rennen haben Briscoe/van der Zande den Titel um zwei Punkte gegen die auf P8 ins Ziel gekommenen Castroneves/Taylor verloren. Der abschließende Punkteunterschied beträgt zwar nur einen Zähler. Im Falle eines Tiebreaks wäre der Titel aber dank der höheren Anzahl Saisonsiege ebenfalls an die Penske-Besetzung gegangen.

Nicht zu vergessen: Auch die Vorjahreschampions Montoya/Cameron haben entscheidenden Anteil daran, dass Castroneves/Taylor ihre Nachfolger sind. Denn ohne die Einhaltung der Stallregie beim vorletzten Saisonrennen auf dem Laguna Seca Raceway, die dort eingangs der letzten Runde um den Sieg ausgegeben wurde, hätten Castroneves/Taylor unterm Strich drei Punkte weniger. In diesem Fall wären Briscoe/van der Zande die Titelträger gewesen.

Renger van der Zande, Ryan Briscoe, Scott Dixon

Briscoe/van der Zande: Ein Punkt Rückstand, auch Gleichstand hätte nicht gereicht Zoom

Gänzlich im Schatten des Titelkampfs in der Topklasse DPi stand der Fahrertitel in der mit nur vier Autos besetzten LMP2-Klasse schon vor dem Rennstart in Sebring zu Gunsten von PR1-Pilot Patrick Kelly fest. Beim Finale feierte Kelly zusammen mit Simon Trummer und Scott Huffaker in überlegener Manier seinen dritten Saisonsieg und setzte dem Titel damit die Krone auf.

GTLM: Abschiedssieg für Porsche nach Pech für Corvette und BMW

Auch in der GTLM-Klasse war die Titelentscheidung schon vor dem Saisonfinale gefallen. Das Corvette-Duo Jordan Taylor und Antonio Garcia steht ebenfalls schon seit Laguna Seca als Titelträger fest. "Die Gelben" konnten von Glück sagen, dass dem so ist. In Sebring nämlich hatte man Pech.

Trotz zweier Kollisionen (mit dem PR1-Oreca aus der LMP2 und mit einem der beiden Porsche aus der GTLM) lag die gelbe Corvette in der zehnten Stunde in Führung. Dann aber ging es mit Schaden an der linken Hinterradaufhängung in die Garage. Aus genau demselben Grund war gut eine Stunde zuvor schon die zweite Corvette (Gavin/Milner/Fässler) gestrandet. Für Oliver Gavin wurde es damit ein enttäuschendes letztes Rennen als Vollzeitfahrer.

Der Finalsieg in der GTLM-Klasse schien an BMW zu gehen. Doch ein Auto aus der GTD-Klasse sorgte weniger als 20 Minuten vor Schluss dafür, dass es anders ausging. Was war passiert? Beim letzten Restart lagen der in der GTLM führende #25 BMW (Spengler/de Phillippi/Herta) und der in der GTD führende Scuderia-Corsa-Ferrari (MacNeil/Balzan/Westphal) Seite an Seite.

Wenige Kurven nach dem Restart aber räumte Lawson Aschenbach im Riley-Mercedes (Robinson/Aschenbach/Miller) sowohl den BMW als auch den Ferrari unglücklich ab. Für beide war der jeweilige Klassensieg dahin und für den Mercedes das Rennen gelaufen.

Was die GTLM betrifft, nahm man im Porsche-Lager das unerwartete Geschenk dankend an. Denn Nick Tandy, Frederic Makowiecki und Earl Bamber kamen so im Porsche 911 RSR mit der Startnummer 911 zum Klassensieg. Das Schwesterauto mit der Startnummer 912, das von Laurens Vanthoor, Neel Jani und ebenfalls Bamber gefahren wurde, kam auf P2 ins Ziel. Und damit ist Porsches IMSA-Werkseinsatz nach sieben Jahren mit einem Doppelerfolg zu Ende gegangen.

Porsche-Sonderdesign für die 12h Sebring 2020

Im USA-Design kam Porsche unerwartet noch zum Doppelerfolg beim Abschied Zoom

BMW musste sich mit P3 und P4 zufriedengeben, wobei der letzte Podestplatz nicht an Spengler/de Phillippi/Herta ging, sondern an Krohn/Edwards/Farfus im Schwesterauto. Corvette schloss die Saison mit P5 und P6 im Rennergebnis ab. Mehr als sechs Autos weist die GTLM-Klasse der IMSA seit dem Rückzug von Ford (Ende 2019) nicht mehr auf. Für 2021 sieht es momentan danach aus, dass es sogar noch weniger werden.

GTD: Titel für Shank-Acura bei Sieg für Wright-Porsche

Anders als in LMP2- und GTLM- ging es in der GTD-Klasse beim Finale noch um die Meisterschaftsentscheidung. Und wie in der Topklasse DPi, so fiel diese auch hier denkbar knapp aus.

Den Titel holten sich Mario Farnbacher und Matt McMurry, die im Acura NSX GT3 mit der Startnummer 86 von Meyer Shank Racing von Shinya Michimi unterstützt wurden. Trotz eines Drehers von Farnbacher im dichten Pulk der vierten Rennstunde reichte P3 mit zwei Punkten Vorsprung zum Titel.

Zwar ging der Klassensieg nach dem bereits erwähnten unglücklichen Manöver des Riley-Mercedes nicht an den Scuderia-Corsa-Ferrari, sondern an den Wright-Porsche mit Patrick Long, Ryan Hardwick und Jan Heylen. Damit aber haben Long/Hardwick beim gleichzeitigen dritten Platz für Farnbacher/McMurry den GTD-Titel trotzdem knapp verpasst.

Auf ein Neues 2021: Champions wechseln das Team

Mit den 12 Stunden von Sebring ist die coronabedingt bis in den November dauernde IMSA-Saison 2020 somit packend zu Ende gegangen. Die Winterpause ist kurz. Denn in gut zwei Monaten beginnt bereits die Saison 2021. Die 24 Stunden von Daytona stehen als Saisonauftakt für den 30./31. Januar im IMSA-Kalender 2021.

Kurios: Die Champions Helio Castroneves und Ricky Taylor treten dann für das Team an, das sie im Titelkampf 2020 knapp bezwungen haben: Wayne Taylor Racing. Während Ricky Taylor auf Vollzeitbasis ins Team seines Vaters zurückkehrt und dort neben Filipe Albuquerque einer der beiden Stammfahrer sein wird, dockt Castroneves als Zusatzfahrer an und wird nach aktuellem Stand einzig die 24 Stunden von Daytona fahren.

Castroneves' Hauptaufgabengebiet 2021 werden sechs IndyCar-Rennen für Meyer Shank Racing sein. Seinen Abschied von Penske hätte sich der Brasilianer nach 21 Jahren wohl kaum besser ausmalen können.

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