Wie Lehren aus der F1 in das neue F2-Auto eingeflossen sind

Die Formel 2 hat ein neues Auto für die Saison 2024 vorgestellt, das sich radikal vom Vorgänger unterscheidet - So entstand der "Mini-Formel-1-Bolide"

(Motorsport-Total.com) - Die neue Formel-1-Ära seit 2022 stellt eine große Revolution dar. Schließlich wurden enorme Anstrengungen unternommen, um Autos zu entwickeln, die viel näher hintereinander herfahren können. In den 18 Monaten seit dem Erscheinen der neuen Ground-Effect-Autos ist nicht alles glatt gelaufen, sodass der Grand-Prix-Sport einige Höhen und Tiefen erlebt hat.

Titel-Bild zur News: Das Formel-2-Auto für 2024 hat stark von Erkenntnissen aus der Formel 1 profitiert

Das Formel-2-Auto für 2024 hat stark von Erkenntnissen aus der Formel 1 profitiert Zoom

Positiv zu vermerken ist, dass die Autos einander deutlich besser folgen können als die ältere Fahrzeuggeneration, was zu engeren Kämpfen geführt hat als erwartet. Allerdings gab es auch Schwierigkeiten, vor allem mit dem Thema Porpoising, das die Teams und Regelhüter in den ersten Rennen mit den neuen Autos zu bewältigen hatten.

Es spricht jedoch sehr für die Vorzüge des neuen Regelwerks, dass die Zubringerserie Formel 2 bei der Entwicklung ihrer nächsten Fahrzeuggeneration für 2024 viele Lehren aus der Formel 1 gezogen hat.

Denn anstatt sich für eine einfache Weiterentwicklung der aktuellen Designformel zu entscheiden, orientiert sich das Regelwerk für 2024 stärker an der aktuellen Formel-1-Generation - mit Ground Effect, ähnlichen Flügelkonzepten (mit Ausnahme des auffälligen DRS-Elements) und ähnlichen Sicherheitsstandards.

Und all das zielt auf eines ab: ein Auto zu bauen, mit dem man gut Rennen fahren kann.

Wichtige Erkenntnisse aus der Formel 1

Didier Perrin, technischer Direktor der Formel 2, sagt dazu: "Bei der Aerodynamik des Autos haben wir uns auf die Möglichkeit zum Überholen konzentriert, also wie gut ein Auto dem anderen folgen kann."

Tim Goss, technischer Direktor der FIA und in allen Kategorien tätig, betont, dass die positiven Erkenntnisse aus der Formel 1 seit Anfang 2022 entscheidend für die Entwicklung des Formel-2-Boliden gewesen sind.

Auf die Frage von Motorsport.com Global nach dem Transfer zwischen Formel 1 und Formel 2 antwortet Goss: "Das Formel-1-Auto von 2022 hat einen bedeutenden Schritt nach vorne gemacht, weil die Autos in den Kurven besser folgen können."

"Das ist auf zwei Dinge zurückzuführen: die Form der Verwirbelungen, die vom Heck des Formel-1-Boliden erzeugt werden, und die Art und Weise, wie die Front des nachfolgenden Fahrzeugs mit der gestörten Strömung umgeht."


Neues Formel-2-Auto für 2024

"Ausgangspunkt für das Formel-2-Auto war die von der FIA entwickelte Formel-1-Baseline. Der Code-Name war 'Uniform'. Daraus haben wir ein Fahrzeug in den Dimensionen der Formel 2 gemacht, mit entsprechenden Reifengrößen und so weiter."

"Da wir dieses Auto nicht einfach als Basis nehmen konnten, mussten wir die Leistungsparameter berücksichtigen, die wir in der F2 anstreben. Außerdem mussten wir die Komplexität des Autos reduzieren, um die Kosten niedrig zu halten."

Der markante DRS-Heckflügel

Die FIA und die Formel 2 haben einige zusätzliche Maßnahmen ergriffen, damit das Auto auch weiterhin guten Rennsport liefert. Nichts zeigt das mehr als der auffällige Heckflügel, der mit einem riesigen fächerförmigen DRS-Element ausgestattet ist, das bei seinem Einsatz einen gewaltigen Geschwindigkeitsunterschied auslöst.

Goss erklärt, dass das Design von dem Wunsch getragen wird, ein sehr effektives DRS einzuführen: "Wir haben nach einer bestimmten Größe für den DRS-Vorteil gesucht. Man muss gewährleisten, dass das DRS mächtig genug ist. Es ist einfach, das DRS abzuschwächen. Man kann das über die Zonenlänge und die Anzahl der Zonen machen, aber man braucht unbedingt ein ausreichend starkes DRS."

"Ehrlich gesagt bestand eine der größten Herausforderungen beim Heck des Autos darin, einen Heckflügel im Formel-1-Stil mit den gerundeten Ecken zu entwickeln. Diese verursachen wenig Verwirbelungen. Gleichwohl müssen wir die Kosten und die Zweckmäßigkeit im Auge behalten."

"Ich denke, dass Dallara eine fantastische Lösung gefunden hat. Sie erfüllt die Anforderungen an die verwirbelte Luft, ist ästhetisch ansprechend und ermöglicht ein mächtiges DRS."

Porpoising als Gefahr

Die Entwicklung hin zu einem Ground-Effect-Auto hat unweigerlich zu Bedenken geführt, dass die Formel 2 das gleiche Porpoising-Schicksal erleiden könnte, das die Formel 1 in den vergangenen 18 Monaten stark beschäftigt hat.

Goss ist sich jedoch sicher, dass das Ausmaß des Hoppelns zu Beginn des Jahres 2022 zwar den kompletten Grand-Prix-Zirkus überrascht hat, jetzt aber ausreichend Wissen über die zugrunde liegenden Faktoren vorhanden ist, um es künftig zu vermeiden. Diese Lehren werden nun auf das Formel-2-Auto angewandt.

Deshalb glaubt er, dass die Nachwuchsserie nicht in die gleiche Falle tappen wird wie die Formel 1: "Wir waren uns dessen sehr bewusst, als wir die Anforderungen an das Auto festgelegt haben. Genau zu dem Zeitpunkt, als wir die Vorgaben für das Auto mit dem Promoter besprochen haben, gab es in der Formel 1 das Problem mit starkem Porpoising."

"Wir haben das natürlich mitbekommen und daher bei der Festlegung der Fahrzeugspezifikation und der Verbesserung des Fahrverhaltens in verwirbelter Luft auch darauf geachtet, dass wir den Unterboden nicht zu stark beanspruchen, wenn wir mehr Ground Effect nutzen."


Shakedown des neuen F2-Boliden in Varano de Melegari

"Es war uns wirklich sehr wichtig, dass die Aerodynamik des Autos auch bei größerer Bodenfreiheit Abtrieb erzeugt. Damit besteht keine Notwendigkeit, beim Set-up immer tiefer zu gehen und Gefahr zu laufen, Porpoising zu bekommen."

Zwar wird man erst mit Beginn der Testfahrten Ende des Monats wissen, wie gut das F2-Auto das Porpoising wirklich vermeidet, doch die Verantwortlichen der Serie sind optimistisch. Perrin sagt: "Wir erwarten natürlich kein Porpoising, weil wir bei der Konzeption des Autos eng mit der FIA zusammengearbeitet haben. Wir haben von den Erfahrungen von FIA und Formel 1 profitiert."

"Das wird eines der ersten Dinge sein, die wir überprüfen werden: dass wir nicht vom Porpoising betroffen sind. Wir sind zuversichtlich, dass das nicht passieren wird."

Die neue Formel-2-Generation ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Erkenntnisse aus einer Kategorie auf eine andere übertragen werden können und welche positiven Auswirkungen die Erfahrungen aus der Formel 1 auf andere Serien haben können.

Doch dabei wird es nicht bleiben. Die FIA hofft, dass die Lehren auch auf den neuen Formel-3-Boliden übertragbar sind, der 2025 eingeführt werden soll. Goss: "Wir versuchen, alle Erkenntnisse aus Formel 1 und Formel 2 zu nutzen, um großartiges Racing zu bieten. Das geht über Überholmanöver mit DRS auf den Geraden hinaus. Deshalb werden wir dieses Konzept in die Formel 3 übertragen."

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