• 24.10.2023 20:01

  • von James Allen

Wer sind die neuen Formel-1-Fans und wie können sie gehalten werden?

Interessante Gesprächsrunde am Austin-Wochenende: Toni Cowan-Brown, Cristina Mace, Will Buxton und Otmar Szafnauer über die jungen weiblichen F1-Fans

(Motorsport-Total.com) - Die neuen Formel-1-Fans: Jeder im Formel-1-Fahrerlager spricht über sie, Teams und Sponsoren wollen sie erreichen, die Fahrer werden ständig mit ihnen konfrontiert. Jeder, der heutzutage ein Formel-1-Rennen besucht, wird feststellen, dass sich das Profil der Fans seit der Übernahme durch Liberty Media dramatisch verändert hat. Sie sind jünger und der Frauenanteil ist höher als noch vor fünf Jahren.

Titel-Bild zur News: Fans

Jünger und höherer Frauenanteil: Formel-1-Fans in Zeiten von Liberty Media Zoom

Untersuchungen und Daten bestätigen das. Das Durchschnittsalter eines Formel-1-Fans liegt heute bei 32 Jahren. Damit sind sie jünger als die Fans von Sportligen wie NFL (National Football League) oder NBA (National Basketball Association).

Die Netflix-Serie "Drive to Survive" wird weithin für diesen Wandel verantwortlich gemacht, aber ist das die ganze Geschichte? Wie sollte die Formel 1 ihre jungen weiblichen Fans ansprechen? Und sind diese neuen Fans langfristig dabei? Oder besteht die Gefahr, dass sie abwandern?

Um diese Frage zu diskutieren, brachten wir am vergangenen Wochenende im Soho House in Austin vier Persönlichkeiten zusammen. Es handelte sich um den ehemaligen Formel-1-Teamchef Otmar Szafnauer, um Formel-1-Moderator Will Buxton, der das Gesicht von "Drive to Survive" ist, sowie um die weiblichen Influencer Toni Cowan-Brown und Cristina Mace.

Szafnauer erläuterte zunächst die Bausteine der Liberty-Media-Revolution, die uns dorthin gebracht hat, wo wir heute stehen. "Erstens hat es uns sehr geholfen, die Formel 1 und die Hintergrundgeschichten auf Netflix zu veröffentlichen. Die Formel 1 war immer dieselbe, aber in der Ära Bernie war sie ein gut gehütetes Geheimnis. Netflix hat den Sport und das, worum es geht, für alle sichtbar gemacht", sagte er.

"Die andere Sache, die Liberty getan hat", so Szafnauer weiter, "war ein Geniestreich, nämlich die Einführung der Budgetgrenze, sodass die reichsten Teams keinen so großen Vorteil mehr haben. Man kann mithalten. Das hat wirklich geholfen und es wird auch in Zukunft helfen. Ab 2026 wird es auch für die Antriebsstränge eine Budgetobergrenze geben, was dazu beitragen dürfte, dass das Feld enger zusammenrückt. Und drittens ist die Verteilung der Gelder etwas gleichmäßiger geworden".

Was "Drive to Survive" angeht, erklärte Will Buxton, dass es eine Reihe glücklicher Zufälle war, die das Phänomen hervorgebracht haben. "In meiner Schulzeit mochte keiner meiner Freunde die Formel 1. Und jetzt ist es cool. Es ist cool, die Formel 1 zu mögen, die Leute reden darüber. Sie ist keine Randsportart mehr. Ich glaube, der Schlüssel zu 'Drive to Survive' war eine Verkettung von Fehlern, die dazu führte, dass es so brillant wurde."

"Im ersten Jahr wollten Mercedes und Ferrari nichts damit zu tun haben", so Buxton. "Also mussten sich die Produzenten nach anderen Geschichten umsehen. Sie kamen auf Günther Steiner, Daniel Ricciardo, Otmar und all diese großartigen Leute, die nicht um die WM kämpften, die aber einzigartige, faszinierende Geschichten hatten. Dann kam COVID-19. Alle saßen zu Hause und schauten Netflix. Es gab zwei Staffeln zu sehen. Als nächstes schafften es Liberty und die FIA irgendwie, die Formel 1 im Juli [2020] zum Laufen zu bringen. Es war also der erste internationale Sport, der sich selbständig gemacht hat."

Toni Cowan-Brown argumentierte, dass "Drive to Survive" zwar wichtig, aber nur Initialzündung, nicht Treibstoff, für die Explosion der Popularität der Formel 1 war: "Die Kehrseite war, dass wir 2019 eine erste Staffel von 'Drive to Survive' hatten, die kaum gesehen wurde. Dann kam die Pandemie [im März 2020]. Uns allen fehlten Live-Sportereignisse, wir saßen zu Hause fest und sehnten uns nach guten Inhalten. Wir fanden sie und sahen uns die ersten zwei Staffeln an. Aber dann kamen die Influencer. Die Kreativszene boomte zum großen Teil aufgrund der Pandemie. Und dann kam TikTok."

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton mit Fans Zoom

"Ich war das erste Mal in der Schumacher-Ära mit meinem Vater bei einem Rennen", so Cowan-Brown weiter. "Ich habe mich immer wieder in diesen Sport verliebt und wurde immer wieder enttäuscht, vor allem weil ich nie das Gefühl hatte, dass dieser Sport auf mich zugeschnitten war. Es wurde nicht so mit mir gesprochen, wie ich es wollte. Das war das Stichwort für die Kreativszene, die die Hemmschwelle senkt. Jeder kann ein Smartphone in die Hand nehmen und Inhalte für seine eigene Community erstellen, und zwar so wie er oder sie das möchte."

"Das Unglaubliche an jungen Frauen, und das wurde von Taylor Swift sehr deutlich gemacht", so Cowan-Brown, "ist, dass sie sich selbst organisieren, Mundpropaganda machen und von den Dächern schreien. Aber noch wichtiger ist, dass sie Relevanz schaffen. Sie sind eine riesige Wirtschaftsmacht. Und doch werden sie immer noch missachtet, diskreditiert und nicht respektiert. Das finde ich absolut bemerkenswert."

"Die Formel 1 kann sich glücklich schätzen, junge Frauen zu haben", so die Influencerin, um zu erklären: "Denn sie sind es, die für die ganze Relevanz sorgen: Sie kaufen die Tickets, sie besuchen die Grands Prix, sie kaufen Merchandising, sie schalten ein, sie abonnieren F1 TV, sie bringen ihre Freunde mit. Wie können wir eigentllich diese Gruppe, diese Demographie, nicht respektieren?"

Cristina Mace, eine ihrerseits rasch populärer werdende Influencerin, die als cristina.fastcars auf TikTok postet, erklärte, was sie an der Formel 1 interessant findet und ihren Fans vermitteln möchte: "Es ist die Neugier. Es ist ein Sport, bei dem man ständig lernt. Die Autos ändern sich ständig und wir ändern alle paar Jahre das Reglement. Es gibt also immer etwas Neues zu lernen."


Warum Zandvoort ein MUSS für F1-Fans ist!

Max Verstappen hat in den Niederlanden einen regelrechten Hype um die Formel 1 ausgelöst. Das alles mündete in die Rückkehr der Formel 1 nach Zandvoort im Jahr 2021. Da mussten wir mal hin!Bislang hat unser Videohost Kevin immer nur von der ausschweifenden Verstappen-Party gehört, in dieser Saison war es an der Zeit sie zu erleben. Der Große Preis der Niederlande ist besonders. Nicht nur, weil der Kurs in Zandvoort inmitten der Dünen und direkt an der Nordsee liegt, sondern, weil drumherum einfach eine Menge los ist.Zandvoort ist an den Rennwochenende autofrei, bedeutet, Formel-1-Fans müssen mit dem Rad, der Bahn oder zu Fuß anreisen, können es dafür aber abends so richtig krachen lassen. Bei "Kevin allein in Zandvoort" zeigen wir euch zudem, wie ihr sogar direkt an der Strecke campen könnt.Seid ihr bereit für die Party? Dann ab mit euch nach Zandvoort!#F1 #DutchGP #Zandvoort Weitere Formel-1-Videos

"Es gibt immer Leute, die Fragen stellen und wollen, dass man sie beantwortet. So muss man immer mehr nachschlagen. Es sind diese kleinen Details, die die Formel 1 wirklich einzigartig machen. Denn ja, es wird ein Auto konstruiert. Ja, die Fahrer müssen ein allgemeines Verständnis von Physik haben und in der Lage sein, gutes Feedback zu geben", sagte Mace.

"Aber man ist nicht nur von den Fahrern fasziniert, sondern auch von all den Menschen, die in der Formel 1 arbeiten, und davon, wie klug sie sind und wie sie all diese Probleme lösen, wenn sie um die Welt reisen. Es ist wirklich fesselnd, etwas über ihre Geschichten zu erfahren: wohin sie gehen und wo sie angefangen haben. Ich glaube, das ist der Schlüssel. Es geht um die Geschichten, die die Formel 1 in deinen Kopf bringt."

"Ich habe einen Abschluss in Naturwissenschaften", so Mace weiter. "Und ich habe auch einen Abschluss in Darstellender Kunst. Ich weiß also, wie man gute Geschichten erzählt und ich weiß, wie man den wissenschaftlichen Aspekt davon erzählt. Das bedeutet, dass ich Zeit damit verbringe, mich mit der Wissenschaft zu beschäftigten und ich in der Lage bin, sie für Leute zu erklären, die davon einfach nur erschlagen sind. Gleichzeitig kuratiere ich die Wissenschaft gut genug, sodass die Leute nicht davon erschlagen werden."

"Denn das ist das Problem bei Ingenieuren und allen, die sich mit Physik und Chemie auskennen: Sie verzetteln sich schnell in ihrem spezifischen Vokabular. Das Ziel meiner Inhalte ist es, dass ich mich ein wenig als Kurator betrachte: 'Was von dem, was heute auf Twitter aufgetaucht ist, wird bei den Leuten die meiste Neugier hervorrufen?"

Als Mace genauer analysierte, was die Formel 1 ausmacht und welche Inhalte erstellt werden von Schöpferinnen wie ihr, stellte sie fest, dass es eine Frage der Gemeinschaft ist: "Wir als Mädchen, als Frauen, lieben es, Dinge gemeinsam zu tun und gemeinsam zu genießen. Und es ist viel weniger beängstigend, sich auf diese Umgebung einzulassen, wenn wir es als Gruppe tun. So fühlt man sich einfach weniger isoliert."

"Und wir genießen die Dinge auch anders", so Mace. "Wir machen die Freundschaftsarmbänder, wir reden über Witze und wir denken über bestimmte Songs nach, die zu den Persönlichkeiten der Fahrer passen. Es gibt all diese ganz besonderen Dinge der Mädchenkultur. Wenn man die gemeinsam genießt, dann ist es das, worum es wirklich geht."

"Im Falle der Formel 1 schauen wir alle dieselbe Sendung. Deine Freundin empfiehlt dir etwas und du musst es natürlich mit ihr zusammen anschauen, weil sie davon besessen ist. Das ist so eine Sache, bei der wir einfach zusammenarbeiten und die wir gemeinsam genießen. Und solange du dafür sorgst, dass es einen guten, sicheren Platz gibt, an dem wir es gemeinsam genießen können, werden wir einfach weitermachen", sagte Mace.

Während all das für die Formel 1 unglaublich rosig aussieht, mahnte Toni Cowan-Brown zur Vorsicht: "Ich glaube, wir befinden uns in einem Moment, in einer Blase. Aber ich glaube auch, dass wir ein Plateau und sogar das Risiko eines Rückgangs des Interesses an diesem Sport sehen werden, und zwar aus einer Vielzahl von Gründen."

Lando Norris

Lando Norris mit Fans Zoom

"Vor allem", so Cowan-Brown, "liegt es daran, weil wir uns als Sport zu sehr auf den Hype konzentriert haben und herausfinden müssen, wie wir die Fans, die von der Formel 1 begeistert sind, dazu bringen, länger dabei zu bleiben. Die Formel 1 hat ein weltweites, eher weibliches und jüngeres Publikum. Das Durchschnittsalter liegt bei 32 Jahren. Bei der NFL liegt es bei 50 Jahren und, ich glaube, für die NBA bei 42."

"Wir haben ein so lebhaftes und junges Publikum. Und ich glaube nicht, dass wir diesem Publikum gerecht werden", gab Cowan-Brown zu bedenken. "Ich komme noch einmal auf die Idee mit der jungen weiblichen Fangemeinde zurück. Ich glaube, die Wahrheit ist, dass wir uns selbst auf die Schulter klopfen, weil wir diesen neuen Kern von Menschen anziehen. Wir gehen auf dieses Publikum aber nicht ein."

Will Buxton hatte das letzte Wort: "Von dem Interesse und den Einschaltquoten, die wir hier hier in Amerika haben, konnten wir vor zehn oder 20 Jahren, als wir die Formel 1 übertragen haben, nur träumen. Ja, die Formel 1 hat eine Blütezeit. Aber ich stimme zu, dass man, wenn man einen Hype um etwas macht und es auf der Grundlage eines Traums verkauft, dann auch liefern muss."

"Ich glaube", so Buxton, "dass die Art und Weise, wie dieser Sport hier in den Vereinigten Staaten angeboten wird, reif sein könnte für eine Veränderung, wenn wir wollen, dass der Marktanteil nicht nur stagniert, sondern steigt. Die Formel 1 sollte mit NASCAR, mit College-Sport, mit der NFL, mit der NBA konkurrieren. Das ist das Ziel".

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