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  • 01.05.2015 14:38

  • von Anthony Rowlinson (Haymarket)

Warum es falsch ist, die neuen Formel-1-Strecken zu verteufeln

Traditionsstrecken geraten durch neue Austragungsorte immer mehr in Gefahr, doch Neulinge haben der Formel 1 etwas gegeben, nicht weggenommen

(Motorsport-Total.com) - 2002 war ich eingeladen, bei der Eröffnungszeremonie für den Bahrain-Grand-Prix dabei zu sein. Es war keine große Sache: Weniger als 50 Leute waren auf einem dürren Stück Wüste zusammengekommen, um anzusehen, wie der damalige FIA-Präsident Max Mosley eine Schaufel nahm und sie sanft in den dauertrockenen Boden stieß.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Aus Bahrain ist ein Nachtrennen mit besonderem Flair geworden Zoom

Ich habe damals gedacht, wie glänzend die Schaufel war, als sie im erbarmungslosen Sonnenlicht gefunkelt hat, wie unangemessen Max' Blazer-Outfit bei Temperaturen von über 40 Grad Celsius gewirkt hat und wie surreal es war, mit den Mitgliedern der königlichen Familie über ihr neues Projekt zu sprechen, das Bahrain wie nie zuvor auf die Weltkarte bringen würde, wie sie mir versichert haben.

Den ersten Spatenstich absolviert, gingen wir in ein arabisches Zelt für ein bisschen Schatten, süßen Schwarztee und weitere Gespräche über Hoffnungen für die Zukunft, den großen Stil des Projekts und Bernie Ecclestones Enthusiasmus, der Formel 1 einen Ansatzpunkt im Mittleren Osten zu verschaffen. Bernie Ecclestone wurde zweifellos von der Aussicht auf Bargeld im Voraus ermutigt und vom gewagten Versprechen eines "Wüstenrennens" auf einer modernen Anlage, das den weltweiten TV-Zuschauern mit Sicherheit unvergessliche Bilder bescheren würde.

Nichts ist unmöglich

Bis zu diesem Tag bleibt ein Gefühl um den Bahrain-Grand-Prix, dass wenn nötig immer ein Weg gefunden werden kann, um ihn im Kalender zu behalten. Das bedeutet, einfach gesprochen, dass Geld für dieses Rennen nie ein Problem war. Eine Strecke von Null an aufbauen? Kein Problem. Ein Nachtrennen daraus machen, inklusive der Multi-Millionen-Dinar-Investitionen in eine nötige Lichtanlage? Sicher doch.

So viel dazu, dass der Bahrain-Grand-Prix den "modernen" Weg der Formel 1 repräsentiert hat und weiter repräsentiert: Regierungsunterstützung, eine Tilke-Strecke und eine "Alles-ist-möglich"-Haltung, die sicherstellt, dass das Rennen stattfinden wird, egal welche Beanstandungen über die neue Formel 1 vorherrschen.

Sanddüne neben der Strecke in Bahrain

Zu Beginn war Bahrain nur ödes Wüstenland Zoom

Das war natürlich bei Bahrain nicht immer ganz der Fall. Die vielgezeigten Probleme von 2011 haben die Absage des Events zur Folge gehabt, und viele protestieren weiterhin gegen die Menschenrechtslage in diesem Land. In jedem Jahr bekomme ich zahlreiche unerwünschte Emails, die alle im Grunde sagen, dass sich die Formel 1 und alle dabei arbeitenden Menschen schämen sollten, dem Event beizuwohnen.

Aber da die Formel 1 die Formel 1 ist, wird üblicherweise das zweifelhafte Mantra "man soll Sport und Politik nicht vermischen" bemüht, und die Show geht weiter - wie in Russland, China, den USA oder jedem anderen Formel-1-Gebiet, wo die Menschenrechtslage alles andere als porentief sauber ist. Da das so ist, kann man annehmen, dass Bahrains Platz im Formel-1-Kalender zu den sichersten gehört.

Wer zahlt, schafft an...

Die Formel 1 fühlt sich wohl im Mittleren Osten und findet dort in Bahrain und Abu Dhabi - und vielleicht auch bald in Katar - eine glückliche Harmonie aus Sonnenschein suchenden und Geschwindigkeit liebenden Werten vor. Der einfache Reiz für einen Serienpromoter, wenn ein Veranstalter garantierte und hohe Einnahmen zusammen mit einer glänzenden Anlage und einer aufkeimenden Fanbase bereitstellen kann, macht es einfach zu verstehen, warum Strecken wie der Nürburgring Probleme haben, die Renngebühren bezahlen zu können.

Das finanzielle Defizit, das zur diesjährigen Absage des Großen Preises von Deutschland geführt hat, lag soweit wir wissen bei zehn Millionen Euro, und trotz des Angebots einer Abhilfe von fünf Millionen Euro seitens Mercedes blieb die Lücke zu groß für die Toleranz von Mr. E. Von daher gibt es 2015 keinen Deutschland-Grand-Prix.

Der Verlust erinnert mich an etwas, das ich nach dem ersten Trip nach Bahrain geschrieben hatte: "Die armen, alten Spa und Silverstone, Stützen des Formel-1-Kalenders, und - in Silverstones Fall - Schwerpunkt der britischen Formel-1-Gemeinschaft, haben von Jahr zu Jahr Probleme, ihren Platz auf der Liste zu behalten. Für beide - und vielleicht für die beiden deutschen Strecken plus Österreich und Imola - stehen in den kommenden Monaten mit Sicherheit schlaflose Nächte bevor."


Fotostrecke: Neue Formel-1-Strecken seit 2000

Seit damals wurde Spa zweimal aus dem Kalender gestrichen (2003 und 2006), Österreich ist (nur dank Red Bull) von den Toten auferstanden, Imola ist schon längst Geschichte, und Silverstone stand ebenfalls mehrfach unter Druck, auch wenn man heute sicherer als viele Jahre lang ist. Es wäre einfach, die neuen Grands Prix zu beschuldigen, den "Sport zu zerstören". Aber das wäre zu grob vereinfacht.

Auch Bahrain sorgt sich um Europa

Zum Beispiel: Was glaubt ihr, wer folgenden Satz vor kurzem in Bahrain gesagt hat? "Ich bin extrem enttäuscht, dass in diesem Jahr kein Rennen in Deutschland stattfinden wird. Deutschland ist eines der größten Länder in Europa und einer der größten Märkte, und ich denke, dass wir einen Deutschland-Grand-Prix haben sollten. Es ist ein Kernstück der Formel 1." War es vielleicht Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff? Sebastian Vettel? Nico Rosberg?

Nein, es war kein Geringerer als Mohammed bin Essa Al-Chalifa, Mitglied der bahrainischen Königsfamilie, bekennender Motorsport-Verrückter und einer der treibenden Kräfte hinter dem Grand Prix in seinem Land. "Die Formel 1 ist ein globaler Sport", sagte er weiter, "aber wir müssen anerkennen, dass Europa die Basis ist, und in der Politik heißt es: 'Vergiss deine Herkunft nicht'. Die Formel 1 sollte sich um seine Herkunft kümmern, aber auf seine globalen Zuschauer abzielen."

Mohammed bin Essa Al-Chalifa, Bernie Ecclestone

Al-Chalifa gehörte zur treibenden Kraft hinter dem Bahrain-Projekt Zoom

"In Arabien gibt es ein Sprichwort: 'Wenn du nicht weißt, wo du herkommst, dann wirst du nicht wissen, wo du hingehst.' Genauso ist es mit der Formel 1. Vergiss dein Erbe, deine Geschichte und das, wofür du da bist, nicht. Es wird dir dabei helfen, eine bessere Zukunft aufzubauen."

Vom öden Wüstenrennen zum schillernden Nachtlauf

Der Bahrain International Circuit hat hart an diesem Aufbauprozess gearbeitet, um seinen Platz in der Formel 1 zu sichern. Eine Anlage, die zu Beginn irgendwie seelenlos wirkte, hat nun einen ausgeprägten eigenen Charakter entwickelt. Es findet keinen Nachhall von bedeutenden Ereignissen in der Vergangenheit, und es ist nicht in Blut und Ehre getaucht wie Spa oder Monza, aber es besitzt einen einzigartigen atmosphärischen Ausdruck - mehr noch, seitdem es zum Nachtrennen geworden ist.

Man bräuchte eine hartherzige Seele, um dem Charme des BIC-Paddocks am frühen Abend zu widerstehen, wenn sich der Tag schnell in die Nacht taucht und ein leichter Wüstenwind auch die hitzigsten Köpfe abkühlt. Zudem lässt ein Ort, der nur aus einer einzigen Vision entstanden ist - die Formel 1 in den Mittleren Osten zu bringen - die Augen fest auf die Zukunft gerichtet.

"Als ich zum ersten Mal nach London gefahren bin, um mit Bernie Ecclestone über das Rennen zu sprechen", sagt Al-Chalifa, "habe ich eine Weltkarte mit Stecknadeln genommen und zu Bernie gesagt: 'Da braucht ihr eine.' Zu dieser Zeit gab es nur Japan, Malaysia und Australien im Osten - und dann Europa. Alles andere war leer. Also habe ich einen Punkt in der Mitte des Golfes - dort wo Bahrain war - gesetzt und gesagt: 'Du weißt, dass du ein bisschen globaler denken musst.'"


Lewis Hamilton stellt die Strecke in Bahrain vor

Lewis Hamilton kommt mit viel Selbstvertrauen zum vierten Lauf der Formel 1 2015 in Bahrain. Das Nachtrennen hat einige Besonderheiten aufzuweisen Weitere Formel-1-Videos

"Das war 2001, als ich zum ersten Mal dort war. Seitdem ist die Formel 1 immer globaler geworden, und wir sind stolz darauf, ein Teil davon zu sein. Und wir freuen uns darauf, dass es weiter wächst." In einer Zeit, in der die Unkenrufer der Formel 1 lauter denn je über den Gesundheitszustand des Sports meckern, täten sie vielleicht gut daran, den Beitrag von einigen neueren Partnern der Formel 1 anzuerkennen, anstatt immer nur unbekümmert über den Verlust der alten zu motzen.