• 17.01.2006 11:15

Theissen: "Jeden Schritt größtmöglich machen"

Der BMW Motorsport Direktor über die Herausforderungen im neuen Team, die Fahrerwahl und die Zielsetzungen für das erste Formel-1-Jahr

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Was waren die größten Herausforderungen seit der Ankündigung der Übernahme im Juni des vergangenen Jahres?"
Mario Theissen: "BMW hat hier mit dem Beginn des Januars die Mehrheit übernommen. Wir haben direkt nach Verkündung des Vertrages mit den Arbeiten begonnen, damit hatten wir sieben Monate Zeit. Die waren mit Arbeit natürlich voll gestopft. Wir haben zunächst eine saubere Analyse gemacht, um zu sehen, wo wir stehen. Auf Grundlage dessen haben wir das Programm für die kommenden Jahre entwickelt. Dann haben wir einen Personalplan erstellt und wir würden mehr als 100 Leute mit an Bord nehmen wollen. Wir haben entschieden, die Fabrik auszubauen, wir haben die Partner und die Fahrer nun an Bord. Und schlussendlich haben wir nun auch das Auto vorgestellt."

Titel-Bild zur News: Mario Theissen

Mario Theissen erwartet ein schwieriges erstes Jahr in der Formel 1

Frage: "War die Fertigstellung des Autos eine große Herausforderung? Immerhin waren die Regeln noch nicht beschlossen, als die Übernahme verkündet wurde. Das hat sicherlich zusätzlichen Druck ausgeübt."
Theissen: "Ja, die Herausforderung war groß. Auto und Motor waren noch in der Entwicklung. Das mussten wir dann natürlich ein wenig beschleunigen."#w1#

Frage: "Wie zuversichtlich sind Sie mit diesem neuen Team?"
Theissen: "Ja, es ist ein neues Team, und wir starten vom achten Platz der Herstellerwertung, das ist die Position, die das Team im vergangenen Jahr einfuhr. Unser Ziel ist es natürlich, die Leiter hinaufzuklettern. Wir sind zuversichtlich, dass wir alles Nötige dafür haben, die Ressourcen stehen zur Verfügung. Aber es braucht Zeit, es geht nicht über Nacht. Wir haben 100 neue Leute dabei, die Fabrik wird ausgebaut. Das wird auch 2007 noch in Anspruch nehmen. Das macht auch deutlich, dass wir hier ein mehrjähriges Programm vor uns haben. Aber wir haben das Selbstvertrauen und die Ressourcen, vor allem aber auch die Geduld und Hingabe, das zu erreichen."

Dreijahresplan gilt noch immer

Frage: "Bei der Bekanntgabe der Übernahme war von einem Dreijahresplan die Rede. Steht dieser Zeitplan noch?"
Theissen: "Ich denke, dass dies möglich sein sollte. Aber letztendlich ist es eben ein Sport, und auf Grundlage eines jeden Sports weiß man nicht, wer am Ende gewinnt. Sonst wäre das ja auch nicht mehr interessant. Das macht es ja auch so aufregend."

Frage: "Wie weit ist der Zusammenschluss von BMW und Sauber?"
Theissen: "Wir haben jetzt sieben Monate in dem neuen Team hinter uns, und ich kann sagen, dass diese Integrationsaufgabe weitgehendst abgeschlossen ist."

Frage: "Was haben Sie aus der Ehe mit dem Williams-Team gelernt?"
Theissen: "In der Formel 1 kann man heute nur noch ganz nach vorn fahren, wenn man das beste Gesamtpaket hat. Und um das beste Gesamtpaket zu haben, braucht man ein Team, das eingespielt ist wie ein Orchester. Wir nennen es ein 'voll integriertes Team'. Das ist der Schwerpunkt, um den wir uns in den vergangenen Monaten gekümmert haben."

Frage: "Dürfen wir sie von nun ab Teamchef nennen?"
Theissen: "Bei BMW haben wir nicht solche Bezeichnungen. Wir sind hier keine Chefs. Ich bin hier der Motorsport Direktor, und wir glauben an die Formel 1 als Motorsport, deswegen bin ich hier der Vorsitzende."

Theissen ist sehr zufrieden mit der Fahrerbesetzung

Frage: "Wie wettbewerbsfähig sind ihre Fahrer?"
Theissen: "Ich kann diese Frage natürlich nur nach der Saison beantworten, aber ich bin mit unserer Aufstellung sehr zufrieden. Nick Heidfeld haben wir vor einem Jahr in das Spiel gebracht und er hat sich sehr gut behauptet, nur auf dem Fahrrad hat er sich nicht sonderlich gut geschlagen (Anspielung von Mario Theissen auf den Trainingsunfall von Heidfeld in der Schweiz; Anm. d. Red.). Aber für uns war es klar, dass wir Nick haben wollten."

"Bei Jacques (Villeneuve) hat es ein wenig gedauert, er hatte im vergangenen Jahr einen schwierigen Start. Aber auch ein ehemaliger Weltmeister kann nach einer Pause nicht einfach wieder neu beginnen und gleich vorn mitspielen. Aber in der zweiten Hälfte der Saison hat Jacques zu seinem Teamkollegen aufgeschlossen. Wir haben einige Gespräche geführt und Jacques ist sehr zuversichtlich ist, sich noch weiter verbessern zu können. Wir können sagen, dass Jacques in diesem Jahr unser Mann ist. Wir haben dann noch Robert Kubica ins Bott geholt. Er ist ein sehr viel versprechender junger Mann, er hat das, was er erreicht hat, ohne unsere Hilfe geschafft. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit unseren drei Fahrern."

Frage: "Was wäre ein zufrieden stellendes erstes Jahr?"
Theissen: "Wir starten vom achten Platz der Konstrukteursmeisterschaft aus. Jede Verbesserung wäre zufrieden stellend. Jeden Schritt müssen wir größtmöglich machen. Wir müssen versuchen, die Lücke zu den Top-Teams zu verringern."

"Wir müssen versuchen, die Lücke zu den Top-Teams zu verringern." Mario Theissen

Frage: "Wie weit ist der Weg bis zum Weltmeistertitel?"
Theissen: "Der ist schon ganz ordentlich, wir starten als Vorjahres-Achter in die Saison. Von da aus soll es natürlich nach vorn gehen, und zwar so schnell wie möglich. Aber das geht nicht über Nacht. Wir haben ein Entwicklungsprogramm anzustoßen, wollen 100 neue Leute einstellen und die Fabrik weiter ausbauen. Allein dieser Prozess wird bis Ende 2007 dauern, wir haben also ein mehrjähriges Programm vor uns."

Formel 1 in einer "Übergangsphase"

Frage: "Sie sind nicht nur in den Sport stark eingebunden gewesen, sondern auch in die Politik dahinter? Wir sehen Sie die Zukunft der Formel 1?"
Theissen: "Ich bin da sehr optimistisch. Wir sind in der Formel 1 offensichtlich in einer Übergangsphase und ich bin sehr zuversichtlich, dass die offenen Fragen in diesem Jahr geklärt werden und dass wir zu einer Übereinkunft kommen werden, damit die Formel 1 weitergeht. Ich hoffe das zumindest, aber es gibt auch noch einige offene Fragen, die geklärt werden müssen. Aber wir machen Fortschritte."

Frage: "Welche Unterschiede gab es bezüglich des Designs mit einem V8- anstatt eines V10-Motors?"
Theissen: "In erster Linie war es eine Herausforderung, was den Motor betrifft. Da mussten wir einige Probleme lösen. Der Hauptunterschied, was den Motor betrifft, sind die Vibrationen, die beim V8 bei etwa 16.000 Umdrehungen pro Minute stark auftreten. Das haben wir beseitigen können, jetzt steht die nutzbare Drehzahlbandbreite im Vordergrund. Zweitens betrifft es aber auch das gesamte Auto, denn wegen der Vibrationen mussten wir auch hier einige Arbeiten leisten, um das abfedern zu können. Der Motor ist ein wenig kürzer geworden, es sieht aus, als hätten wir ihn abgeschnitten. Aber natürlich ist das Konzept jetzt völlig anders. Und das Chassis musste sich auf die veränderten Umstände einstellen."

Frage: "Welche Spezifikationen hat der neue Motor?"
Theissen: "In der Formel 1 können sich die Dinge von Woche zu Woche ändern, das gilt natürlich auch für die Entwicklung von Motor und Chassis. Im Mai hatten wir den Motor erstmals auf dem Prüfstand, kurz danach fuhr er auch auf der Strecke. Das haben wir dann immer weiter fortgesetzt, und man kann auch nicht sagen, dass dieses Auto jetzt so auch im ersten Rennen an den Start gehen wird."

"Man kann nicht sagen, dass dieses Auto so auch im ersten Rennen an den Start gehen wird." Mario Theissen

Frage: "Ist das nicht eine großer Herausforderung?"
Theissen: "Ja, das ist es. Es ist ein Technologiewettrennen. Wir müssen jede Minute bis zum ersten Rennen nutzen und die Entwicklung wird natürlich auch in der Saison weitergehen."

Frage: "Wurde auf dem Getriebegebiet für 2006 etwas verändert?"
Theissen: "Die Getriebe kommen in Zukunft hauptsächlich aus München, 2006 jedoch noch aus Hinwil. Es ist eine gründliche Entwicklung des Sauber-Getriebes des Vorjahres, die zukünftigen Entwicklungen werden jedoch in München geleistet."

Frage: "Ist das die ideale Form der Zusammenarbeit?"
Theissen: "Wir sehen es ja nicht als ein geteiltes Team, sondern als sehr integriertes Team, welches an zwei Standorten arbeitet. Wir werden die Arbeit natürlich auf beide Orte verteilen. Und auch wenn der Antriebsstrang in München entwickelt wird, so werden viele Tests und Entwicklungen natürlich auch in Hinwil durchgeführt werden. Man kann nicht sagen, dass es getrennte Operationen sind."