Rosberg: "Lewis und ich begegnen uns auf Augenhöhe"

(Motorsport-Total.com/SID) - Vom Sorgenkind zum Geheimfavoriten? Nach den Bestzeiten an den letzten beiden Testtagen von Barcelona gilt Mercedes vor dem Start der Formel-1-Saison 2013 für einige als Geheimfavorit. Nico Rosberg rät aber dazu, die Ergebnisse der Testfahrten mit Vorsicht zu genießen. Im Interview zieht der Wiesbadener ein Fazit der Wintertests und blickt voraus auf seine vierte Saison bei den Silberpfeilen. Außerdem spricht Rosberg über sein Verhältnis zu Lewis Hamilton, der nicht nur sein neuer Teamkollege, sondern auch sein Nachbar ist.

Frage: "Herr Rosberg, Sie wohnen in Monaco mit Ihrem Kumpel und neuen Teamkollegen Lewis Hamilton im gleichen Haus. Haben Sie Angst, dass er Ihnen in der Garage den Lack zerkratzt?"
Nico Rosberg: "Warum sollte er das tun?"

Frage: "Wenn Sie ihn schlagen, dürfte er nicht sonderlich erfreut sein ..."
Rosberg: "Klar, der Teamkollege ist der erste Konkurrent. Aber was meinen Lack betrifft, mache ich mir keine großen Sorgen. Lewis und ich kennen uns schon sehr lange, sind schon zusammen Kart gefahren und Freunde geworden - gleichzeitig waren wir auch Mega-Konkurrenten. Es wird ein harter Kampf auf der Strecke, keine Frage. Aber wir fahren beide für Mercedes und wollen gemeinsam für Erfolge sorgen."

Frage: "Nach dem Abschied von Michael Schumacher wurde Ihnen wieder ein Top-Star an die Seite gestellt. Wie groß ist der Frust, dass Sie nicht zur Nummer 1 aufgestiegen sind?"
Rosberg: "Bei uns gibt es keine Nummer eins oder Nummer zwei. Wir bekommen das gleiche Material, das ist unsere Philosophie - so war es auch in den vergangenen drei Jahren mit Michael. Lewis und ich begegnen uns auf Augenhöhe."

Gleichberechtigung bei Mercedes

Frage: "Was überwiegt bei Ihnen: Die Vorfreude mit Ihrem Kumpel in einem Team zu fahren? Oder die Herausforderung einen der Besten im Feld schlagen zu können?"
Rosberg: "Die Herausforderung, ganz klar. Ich weiß, dass Lewis sauschnell ist. Aber ich muss mich nicht verstecken. Ich bin top motiviert und so gut vorbereitet wie noch nie. Ich habe viele Abläufe noch einmal optimiert, zudem durch die drei Jahre mit Michael viele Erfahrungen sammeln können. Ich brenne auf die Saison, am Ende muss ich schauen, was dann dabei herauskommt. Und ich hoffe, dass wir uns als Team pushen und immer weiter an die absolute Spitze heranrücken."

Frage: "Sie stehen vor der Saison an einer Weggabelung Ihrer Karriere: Wenn Sie Hamilton schlagen, steigen Sie zu einem Top-Star auf. Wenn Sie das Team-Duell verlieren, wäre das ein Karriereknick."
Rosberg: "Ich bin nicht darauf aus, zu einem Star aufzusteigen. Sondern ich fokussiere mich darauf, eine gute Leistung zu bringen. Natürlich ist es wichtig, den Teamkollegen zu schlagen. Deshalb ist der Druck da, aber wie vor jeder anderen Saison auch. Schon vor drei Jahren wurde gesagt: 'Wenn mich Michael schlägt, ist Ende.' Heute kann ich happy sein, wie es gelaufen ist. Jede Saison ist wichtig. Und klar: Ich bin lieber vor meinem Teamkollegen als hinter ihm."

Frage: "Bei den Testfahrten hat Mercedes überrascht. Sollten sich unsere Leser noch schnell Daimler-Aktien besorgen?"
Rosberg: "Der Konzern hat eine gute Zukunft vor sich, also warum nicht?"

Frage: "Sie können mit guten Ergebnissen zu einer positiven Kurs-Entwicklung beitragen?
Rosberg: "Wir sprechen von einem Hammer-Konzern. Da ist unser Beitrag zum Marketing sicher entscheidender als auf den Aktienkurs. Und wir wollen natürlich auch mit starken Leistungen für eine gute Stimmung sorgen."

Neues Auto ein Fortschritt

Frage: "Zuletzt hatten Aktionäre den Ausstieg von Mercedes aus der kostspieligen Formel 1 gefordert."
Rosberg: "Natürlich lief es in den vergangenen Jahren nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Aber allein durch meinen Sieg in Shanghai gab es einen unheimlich positiven Imagetransfer. China ist einer der wichtigsten Märkte für Mercedes, mit riesigen Wachstumsmöglichkeiten. Ich habe ein paar Zahlen gesehen, was mein Sieg aus Marketingaspekten gebracht hat - das ist unbezahlbar auf anderen Wegen. Aber natürlich müssen wir Erfolg haben - und zwar öfters Erfolg haben."

Frage: "Wie optimistisch sind Sie, dass die mageren Zeiten 2013 ein Ende haben?"
Rosberg: "Ich bin mir sicher, dass wir Erfolg haben werden. Wir haben bei den Testfahrten eine gute Basis geschaffen und das Team marschiert voran. Wir gehen in die richtige Richtung - aber wo wir wirklich stehen, wird sich erst in Melbourne zeigen."

Frage: "Bei der Konkurrenz wird der Silberpfeil schon als Geheimfavorit gehandelt ..."
Rosberg: "Manche Teams, die nicht schnell sind, reden sich besser als sie sind. Und manche Teams reden sich langsam, obwohl sie schnell sind. Da wird viel geblufft vor der Saison, die ganzen Aussagen sind mit Vorsicht zu genießen. Ich fühle mich sehr wohl im neuen Auto, es liegt im Vergleich zur Vorsaison besser auf der Straße. Der nächste Schritt, konstant vorne unterwegs zu sein, muss jetzt unser Ziel sein."