• 16.02.2003 14:38

Richards: "Das Auto wird seinen Erwartungen gerecht"

Der BAR-Teamchef über die Sticheleien zwischen den Fahrern, den neuen BAR005 und wie man ein Team erfolgreich managen muss

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Es gab ja in letzter Zeit in der Öffentlichkeit ein paar Seitenhiebe ihrer Fahrer gegeneinander. Denken sie, dass dies problematisch ist oder glauben sie vielmehr, dass dies zu einem gesunden Wettbewerb dazugehört?"
David Richards: "Ich denke, wenn man damit richtig umgeht, kann man es als gesunden Wettbewerb ansehen. Ich habe die letzten paar Tage mit Jenson in Spanien verbracht, wo er getestet hat, und wir haben uns darüber unterhalten. Es kam primär von Jacques und Jacques ist für seine offenen Ansichten und die Tatsache, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt, bekannt. Ich habe Jenson gefragt, wie er damit umgeht und ob es etwas zwischen ihm und Jacques gibt, in das ich mich einmischen sollte und er sagte 'Nein, das ist wirklich kein Thema. Jacques spricht einfach nicht mit mir'."

Titel-Bild zur News: David Richards

David Richards schießt gegen seinen Vorgänger Craig Pollock

Frage: "Wenn sich Jenson und Jacques nicht miteinander unterhalten, wie hilfreich ist das bezüglich der Entwicklung das Chassis, des neuen Autos oder sprechen sie indirekt über die Ingenieure miteinander?"
Richards: "Ich möchte diese Situation jetzt nicht überbewerten. Ich war vielleicht etwas leichtsinnig mit meiner Ausdrucksweise gewesen sein. Ich denke, dass Jenson damit gemeint hat, dass sie nicht über private Dinge sprechen. Wenn sie sich an der Strecke zusammensetzen, dann sprechen sie über das Auto und die Entwicklung. Es braucht immer Zeit, bis sich eine Beziehung aufgebaut hat, bis man sich respektiert und versteht, wie der andere arbeitet, ich denke also nicht, dass dies ein Problem darstellt."

"Wir haben schon Teams gesehen, die sehr gut arbeiten und diesbezüglich eine großartige Beziehung zwischen den Teamkollegen haben, wir haben aber auch schon Teams gesehen, in denen es ein wenig Spannungen gibt, die aber genauso erfolgreich sind. Mir ist es egal, welches Team ich manage. Natürlich ist das eine einfacher als das andere, aber wenn es im Team ein wenig Spannungen geben sollte, dann werde ich mit diesem umzugehen wissen."

"Das Auto wird seinen Erwartungen gerecht"

Frage: "Welches Fazit ziehen sie nach den ersten Testwochen mit dem neuen BAR?"
Richards: "Das Auto wird seinen Erwartungen gerecht. Wir gehen im Moment Zuverlässigkeits- und Reifentests durch. Wir fahren kommende Woche nach Barcelona und dann noch nach Imola, bevor wir nach Australien los fliegen, wir haben also ein intensives Testprogramm, das wir im Moment verfolgen. Die endgültige Motorversion wird uns erst in der allerletzten Minute zur Verfügung stehen, wir arbeiten im Moment an einer frühen Zwischenversion des Motors, wenn man das so sagen möchte. Wir sind also nicht in der Lage, das Auto mit der vollen Leistung zu fahren."

"Wir schaffen im Moment all die kleinen Probleme aus der Welt, die man mit einem neuen Chassis eben so hat. Alles in allem liegen wir im Plan. Wie immer könnten wir uns mit einer Extra-Testwoche vor Australien anfreunden und wir würden gerne den neuen Motor ein wenig früher testen, aber ich denke, dass auch die meisten anderen Teams in der gleichen Situation sind wie wir."

Geld ist nicht alles

Frage: "BAR ist mit sehr vielen Ressourcen und hohen Erwartungen in die Formel 1 gekommen, die in den vergangenen paar Jahren nicht erfüllt werden konnten. Was sind ihre Erwartungen für dieses Jahr mit Jenson und Jacques?"
Richards: "In den letzten 12 Monaten haben wir wirklich die Zeit damit verbracht, das Team zurück auf die Strecke zu bringen und es auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Ich denke, dass es die einfache Ansicht gab, dass man sich den Platz in der Startaufstellung durch viel Geld und viel Personal kaufen kann. Es ist in jeder Organisation das gleiche: Man muss sich ein großartiges Team aufbauen und man muss ein effektives Team zusammenbekommen das fokussiert und motiviert arbeitet und es muss seine Ziele haben."

"Unser Ziel in den letzten 12 Monaten war es gewesen, dies der Organisation beizubringen. Wir haben das Team bedeutend schlanker gemacht, wir haben ein beachtlich kleineres und besser organisiertes Team als vor 12 Monaten und dieses Jahr ist es aus diesem Grund beinahe wie ein Neuanfang. Ich denke, dass wir dieses Jahr in der Lage sein werden, unseren Kopf nicht hängen zu lassen und wir sagen können, dass wir erwachsen geworden sind."

Kein Fahrer wird bevorzugt

Frage: "Favorisieren sie einen ihrer Fahrer? Jacques oder Jenson?"
Richards: "Nein, nein."

Frage: "Wer soll sich etablieren?"
Richards: "Ich möchte, dass das Team gewinnt. Ich bin ein großer Teamplayer und das Team muss erfolgreich sein. Um das zu erreichen müssen wirklich beide gut sein und aus diesem Grund wird es keine Präferenzen gegenüber jemandem geben und ich gehe davon aus, dass dies die Art und Weise ist, wie das ganze Unternehmen geführt wird. Wir haben erst gerade während ein paar Tagen mit allen Leuten des Rennteams und den Honda-Renningenieuren ein Teambildungs-Seminar durchgeführt. Wir haben rund 80 Leute zu den Testfahrten nach Valencia gebracht und haben einfach Zeit damit gebracht, mit jedem zu sprechen und etablierten den Begriff des Teamworks, vor allem wenn es um die Zusammenarbeit zwischen den Honda-Ingenieuren und den britischen Ingenieuren geht."

"Das war eine interessante Übung und die Leute sind mit dem Glauben raus gegangen, dass sie eine wichtige Rolle innehaben und jeder hat verstanden, dass er gegenüber allen eine Verantwortung trägt. Meiner Meinung nach etablieren wir nun diesen Begriff im Unternehmen und im Rennteam. Man kann aus diesem Grund keinen Fahrer bevorzugen, man muss sie gleich behandeln, auch wenn es Fälle geben wird, in denen vielleicht der eine besser ist als der andere und man ihn unterstützen muss."

"Ich weiß, was ich in der Vergangenheit schon erreicht habe"

Frage: "Können sie vielleicht den Unterschied zwischen ihrem und dem Management-Stil von Craig Pollock beschreiben? Sind sie der bessere Manager?"
Richards: "Ich weiß nicht, wie er das Unternehmen geführt hat, ich weiß nur, was ich geerbt habe und ich weiß, was ich tun kann und was ich in der Vergangenheit schon erreicht habe. Ich denke, dass dies für sich spricht."

Frage: "Haben sie Probleme geerbt? Das klingt ganz danach?"
Richards: "Es war ein ziemlich übles Durcheinander, leider hatte keiner der Leute, die vorher hier waren, irgendwelche Erfahrungen gesammelt, wie man ein Unternehmen führt, schon gar nicht ein Unternehmen dieser Größe, es hat mich deshalb nicht überrascht. Es war eine Gruppe von Leuten, die einen wundervollen Traum hatten aber keinen Plan, wie man dort hinkommt."

"Fragezeichen hinter Ferrari"

Frage: "Können sie uns sagen, was die Fans in diesem Jahr angesichts der Änderungen am Reglement erwarten können? Werden wir in diesem Jahr wirklich Rennsport sehen? Wird Michael Schumacher erneut allen davonfahren?"
Richards: "Es gibt immer noch ein Fragezeichen hinter Ferrari und der Frage, wie sehr sie sich verbessern konnten, denn sie sind ganz klar im Moment ein beeindruckendes Team. Es gibt gute Gründe daran zu glauben, dass sie einen weiteren bedeutenden Schritt nach vorne gemacht haben und sie haben eine großartige Fahrerpaarung und Konstanz. Natürlich wird das nicht immer so weitergehen aber damit müssen wir in diesem Jahr rechnen. Was die anderen angeht, so denke ich, wird es ein paar Überraschungen geben, es wird alles unvorhersehbarer sein mit dem Qualifying am Freitag und Samstag."

"Wenn man sich so umsieht, dann hat McLaren in diesem Jahr eine Menge zu beweisen und Williams wird von BMW gewaltig unter Druck gesetzt, Fortschritte zu machen, Toyota verbessert sich ständig. Ich denke, dass wir einen bedeutenden Schritt nach vorne gemacht haben. Und dann darf man auch die Teams wie Sauber nicht abschreiben, ich denke, dass das Mittelfeld extrem konkurrenzfähig sein wird. Ob wir manchmal mit Ferrari mithalten können, das müssen wir erst einmal abwarten."

"Formel 1 hat sich dramatisch verändert"

Frage: "Können sie in der Formel 1 überhaupt erfolgreich sein, wenn sie nicht wie Frank Williams oder Ron Dennis über alles allein das Sagen haben?"
Richards: "Die Formel 1 hat sich in den letzten paar Jahren durch die größeren Teams und den Einstieg der Hersteller dramatisch verändert. Diese Unternehmen werden nicht mehr durch Einzelpersonen geleitet. Einzelpersonen können diese führen, die Richtung vorgeben und motivieren, aber die Unternehmen müssen von sehr kompetenten Leuten und Experten auf den einzelnen Gebieten geführt werden. Diesen Schritt haben wir auch bei der Umstrukturierung bei BAR vorgenommen. Wir beschäftigen im Moment 362 Leute und indirekt 100 weitere, bei Ferrari sind es vielleicht doppelt so viele und wir haben natürlich noch den Partner Honda. Da braucht man einfach auf jedem Gebiet Spezialisten, die genau wissen, was sie tun."

Frage: "Sind die Tage von Ron Dennis und Frank Williams aus diesem Grund gezählt?"
Richards: "Nein, ich denke, dass dies ein evolutionärer Prozess ist. Die einen passen sich da einfacher an als andere. Ich denke, dass sich Ron außergewöhnlich gut daran angepasst hat. Frank ist einer der außergewöhnlichsten Menschen, die ich je in meinem Leben getroffen habe, wenn man sich anschaut, welche Anstrengung und Leidenschaft er in den letzten 15 Jahren investiert hat. Jeder passt sich da auf seine eigene Art und Weise an. Die Tage, in denen ein Einzelner selbst ein Formel-1-Team leiten kann, sind jedoch vorbei."