• 12.10.2005 12:10

Ralf Schumacher: "Wir wollten auf das Podium!"

Im Interview analysiert Ralf Schumacher seinen verkorksten Poker mit drei Boxenstopps nach der Pole Position im japanischen Suzuka

(Motorsport-Total.com) - Mit der Pole Position im Regen-Qualifying bescherte Ralf Schumacher den anwesenden Toyota-Vorstandsmitgliedern in Suzuka ein schönes Geschenk, doch am Sonntag fiel der Deutsche wegen der Safety-Car-Phase, die seine Strategie durchkreuzte, auf den achten Platz zurück. Dabei wäre unter Umständen wesentlich mehr möglich gewesen.

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher und Luca Marmorini

Die Freude über die Pole Position währte bei Ralf Schumacher nur recht kurz

Frage: "Ralf, die Pole Position in Japan muss dir ein sehr schönes Gefühl gegeben haben..."
Ralf Schumacher: "Es war extrem zufrieden stellend, bei Toyotas Heim-Grand-Prix in Japan auf der Pole zu stehen. Nach dem letzten Test in Jerez hat das Team die Entscheidung getroffen, erstmals den TF105B einzusetzen, und das war ein großartiger Einstand für dieses Auto. Es fühlt sich anders an als das alte Auto, also habe ich am Freitag mehr Runden gedreht als sonst üblich. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, recht gut in Form zu sein."#w1#

TF105B laut Schumacher im Rennen konstanter als der TF105

Frage: "War es ein Risiko, das überarbeitete Auto nach Japan mitzunehmen?"
Schumacher: "Ja und nein. Es war eine vernünftige Entscheidung, denn unsere Chancen, Ferrari in der Konstrukteurs-WM noch einzuholen, waren sehr gering, und der TF105B wird unsere Basis für das Wintertestprogramm und für nächstes Jahr sein. Daher macht es Sinn, in den letzten beiden Rennen damit Daten zu sammeln. Außerdem wussten wir, dass das Auto auf die Renndistanz gesehen konstanter sein würde."

"Der einzige Nachteil war, dass wir für den TF105B nicht so viele Ersatzteile hatten und es logistisch schwierig hätte werden können, zu Überseerennen zu fliegen. Aber wir hatten ja auch die alten TF105-Autos als Absicherung, von daher hat das schon Sinn gemacht."

Frage: "Ist Suzuka für dich anders als ein anderer Grand Prix?"
Schumacher: "Ja, es ist meine Lieblingsstrecke. Fahrer neigen dazu, keine Lieblingsstrecken zu nennen, weil man auf allen Strecken einen professionellen Job machen muss, aber Suzuka ist so schnell und herausfordernd, dass man definitiv ein geiles Gefühl im Bauch hat, wenn man eine Runde richtig hinbekommt."

Frage: "Was ist so besonders an Suzuka?"
Schumacher: "Es ist schnell und technisch und erfordert gleichzeitig Mut vom Fahrer. Der Abschnitt der S-Kurven von Kurve zwei bis Kurve sieben ist unglaublich zu fahren, eine der anspruchsvollsten Kurvenfolgen überhaupt in der Formel 1. Wenn man zu Beginn dieses Abschnitts einen Fehler macht, bezahlt man dafür bis zum Ende - und man hält sich dort ganz schön lange auf..."

Aggressive Rennstrategie hätte auch aufgehen können

Frage: "Wie sehr hat dir die geplante Dreistoppstrategie dabei geholfen, auf Pole Position zu fahren?"
Schumacher: "Natürlich hilft eine geringere Benzinmenge, aber wir haben uns darüber sorgfältig Gedanken gemacht und entschieden, dass es auch eine gute Rennstrategie sein sollte. Wir wussten, dass es im Qualifying feucht oder nass sein würde, und bei solchen Bedingungen macht die Benzinmenge noch mehr aus. Wir wussten auch, dass wir nahe genug an der Pace sein würden, um auf den ersten oder zweiten Platz fahren zu können, und nur so kann so eine Strategie funktionieren. Ich habe Druck gemacht, aber wir haben uns dafür entschieden, aggressiv zu sein. Die Fahrbahn war wirklich rutschig und das Auto hat übersteuert. Es war ein schmaler Grat zwischen hart genug attackieren und es übertreiben, aber zum Glück habe ich das hinbekommen."

Frage: "Inwiefern hat das Safety-Car zu Beginn deine Pläne durchkreuzt?"
Schumacher: "Total! Das war ein Desaster für uns. Uns war bewusst, dass es in Suzuka in der Anfangsphase ziemlich oft zu einer Safety-Car-Phase kommt, aber wir hatten gehofft, dass es nicht passieren würde - und wenn schon, dann bestimmt nicht so lange! Es hat extrem lange gedauert, bis das Auto meines ehemaligen Teamkollegen weg war. Bis Runde sieben mussten wir hinter dem Safety-Car fahren."

Frage: "Nach so einem guten Start muss das besonders frustrierend gewesen sein, oder?"
Schumacher: "Klar. Ich war zuversichtlich, Jenson Button in die erste Kurve hinein zu schlagen, und ich startete großartig. Ich konnte in der ersten Runde einen Vorsprung von zwei Sekunden aufbauen. Es sah wirklich gut aus."

Vorsprung zu Beginn wurde vom Safety-Car zunichte gemacht

"Für meine Strategie war entscheidend, mit leichtem Auto zu Beginn einen größtmöglichen Vorsprung herauszufahren, um beim ersten Boxenstopp nicht zu weit zurückzufallen. Durch das Safety-Car konnten aber alle Zweistopper genauso schnell wie ich um den Kurs fahren, was alle Vorteile unserer Strategie zunichte machte. Je länger das Safety-Car draußen blieb, desto schlechter wurde es."

Frage: "Hast du danach über einen Wechsel auf eine Zweistoppstrategie nachgedacht?"
Schumacher: "Das Team hat sich das angesehen, aber der Schaden war ja schon da. Ich bin so natürlich viel weiter im Feld zurückgefallen als wenn ich mein eigenes Tempo gegangen wäre, aber mit einer schweren Benzinlast hätte ich mich kaum nach vorne orientieren können. Wir sind bei drei Stopps geblieben, und so konnte ich wenigstens durchgehend attackieren und einen Punkt retten. Das war aber natürlich nicht das erhoffte Resultat für uns. Wir wollten auf das Podium!"

Frage: "Nun geht es noch zum Saisonfinale nach China..."
Schumacher: "Es war ein langes Jahr - 19 Rennen bedeuten den längsten Kalender der Formel-1-Geschichte. Irgendwie wurde das aber dadurch aufgewogen, dass meine Saison besser verlaufen ist als erwartet. Dass Toyota in der vierten Saison schon so nahe an den Spitzenpositionen dran ist, ist den Bemühungen in Köln und in Japan zu verdanken. Es wird angenehm für uns alle, nach China einmal Pause zu machen, aber dann werden wir schon wieder mit Vollgas daran arbeiten, nächstes Jahr noch stärker zu sein. Die Chinesen haben mit der Anlage einen unglaublichen Job gemacht. Ich hoffe nur, dass wir ihnen eine ähnlich gute Show bieten können wie den Japanern!"