Haug: "Wir sind bislang hinter den Erwartungen"
Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug gibt zu, dass die Saisonvorbereitungen des McLaren-Mercedes-Teams bisher nicht plangemäß verlaufen sind
(Motorsport-Total.com) - Nachdem McLaren-Mercedes sich in der letzten Saison im Kampf um die WM-Titel Renault und Fernando Alonso geschlagen geben musste, obwohl man das schnellste Auto hatte, hagelt es in der Presse in Vorbereitung auf die kommende Saison erneut jede Menge Negativschlagzeilen. "Wir sind nicht dort, wo wir im Februar sein wollten. Bei uns ist noch Mitte Dezember", so Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug gegeüber der 'auto motor und sport'.

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Haug gibt zu, dass die Vorbereitungen bisher nicht optimal verlaufen sind
Neben dem Verlust einiger Top-Ingenieure kämpft das Team mit Zuverlässigkeitsproblemen und die Konkurrenz dreht bei den Testfahrten nicht nur mehr sondern auch schnellere Runden. Derzeit können die "Silberpfeile" nicht mit Renault, Ferrari und Honda mithalten.#w1#
Viele der Negativ-Schlagzeilen sind jedoch dadurch zustande gekommen, dass sich einige Journalisten schlecht informierten. So ist die Tatsache, dass das Team parallel immer noch mit gedrosselten V10-Motoren testet, nicht auf Motorenprobleme zurückzuführen: "Das war ein von uns mit Bedacht gefasster Plan, um besonders über das Verhalten der Reifen mehr zu lernen", so Haug im Interview mit der 'motorsport aktuell'.
Auch angebliche Probleme mit den Kolben des V8-Motors kann Haug nicht bestätigen. Man habe bei der Umstellung von V10- auf V8-Triebwerke wie die Konkurrenz "eine Menge Hürden" zu überwinden gehabt und sei dabei auf "verschiedene Probleme" getroffen.
"Keiner von uns hätte etwas dagegen, wenn wir einen Monat mehr Vorbereitungszeit hätten, das gebe ich zu. Einige Rennställe sind weiter", gibt der Deutsche zu, allerdings habe man "alles in die Wege geleitet, um in die richtige Richtung zu kommen, bevor in Bahrain das erste Rennen gefahren wird".
In Bezug auf den Motor hat man Nachholbedarf auf die Konkurrenz, die die Umstellung besser bewerkstelligt zu haben scheint. Besonders ärgerlich aus Mercedes-Sicht: Renault begann wesentlich später mit der Entwicklung des Achtzylinders und testete das Aggregat um Monate später erstmals auf der Strecke als Mercedes, dennoch war der RS26 von Anfang an zuverlässig. Warum hat Mercedes trotz der längeren Vorbereitungsphase Probleme? Man habe "einen großen Schritt" in Bezug auf die Bohrung gemacht, was mit "einem großen Lernprozess" verbunden sei, erklärt Haug.
Soundanalysen haben angeblich ergeben, dass Mercedes in Bezug auf die Drehzahl der Konkurrenz gewaltig hinterher hinkt. Haug gibt zwar zu, dass es "Testphasen" gab, in denen man "eher am unteren Rand des Drehzahlspektrums" gefahren ist, aber der Motorsportdirektor beruhigt die Fans der Marke mit dem Stern: "Akkurate Messungen liegen vor, die zeigen, dass wir bei den Drehzahlen vorne dabei sind."
Haug gibt zu, dass man "keinen Traumstart" hatte, bleibt aber dennoch gelassen: "Das kennen wir aus anderen Jahren, und dennoch haben wir am Ende ein Wörtchen um die Titel mitgeredet oder sie geholt." Vergangene Saison hätte man aber wohl beide WM-Titel eingefahren, wenn man zu Saisonbeginn eben keine Probleme gehabt hätte...
Der neue Motor läuft auf dem Prüfstand die vorgegebenen Belastungstests durch, versichert Haug, der den derzeitigen Eindruck der Testfahrten nicht als Spiegelbild des zukünftigen Kräfteverhältnisses der Formel 1 gelten lassen will: "Ich habe jedenfalls so manchen Sommer erlebt, in welchem die Besten aus dem vorhergehenden Winter das Feld nicht mehr angeführt haben."

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Pedro de la Rosa bei den Testfahrten am Dienstag in Valencia Zoom
Norbert Haug gibt zu, dass der Zeitplan bis zum ersten Saisonrennen in weniger als vier Wochen "eng" ist. Die neue Ausbaustufe des V8-Motors scheint dem Team vergangene Woche bei den Testfahrten immerhin zu einem spürbaren Schub verholfen zu haben. Diesen "Boost" hätte man "jedoch gerne vier Wochen früher gehabt", wie der 53-Jährige eingesteht. McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh bezifferte den Leistungsgewinn laut 'ams' auf 50 PS. Die Drehzahl sei mit der neusten Ausbaustufe um 800 auf 19.500 Umdrehungen in der Minute gesteigert worden.
Und wie schätzt Haug die Konkurrenz derzeit ein? "Stark wirken Renault und Ferrari, Honda ist auch schnell. BMW Sauber ist gut unterwegs. Toyota ist für mich die Wild-Card. Wir sind bislang hinter den Erwartungen. Wir waren auch vor einem Jahr nach zwei Testwochen nicht die Schnellsten, aber wir haben das Potenzial, das zu ändern."

