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  • 06.05.2011 00:09

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Formel-1-Zukunft: Boullier fürchtet Machtkampf

Arbeitet ein ehemaliger Teamchef schon an einer "Piratenserie"? Eric Boullier hofft jedenfalls auf problemlose Concorde-Agreement-Verhandlungen...

(Motorsport-Total.com) - Hinter den Kulissen befindet sich die Formel 1 seit einigen Wochen im Aufruhr. Hauptgrund dafür dürfte sein, dass das aktuelle Concorde-Agreement Ende 2012 ausläuft und die Teams noch mehr Geld vom großen Einnahmenkuchen der Königsklasse wollen. Zum Drüberstreuen gibt es noch weitere Baustellen wie den Machtkampf zwischen Bernie Ecclestone und Jean Todt sowie die Übernahmepläne von News Corporation und Exor, die die kommerziellen Rechte von der Investmentgesellschaft CVC und den anderen Teilhabern übernehmen möchten.

Titel-Bild zur News: Eric Boullier

Eric Boullier befürchtet harte Verhandlungen um das Concorde

Das Tauziehen um ein neues Concorde-Agreement hat in Form von versteckten Positionierungen schon längst begonnen, langsam beginnt aber die entscheidende Phase der Gespräche. Insider gehen davon aus, dass es ähnlich wie 2009 zu zähen und langwierigen Verhandlungen kommen wird, die möglicherweise eskalieren könnten. Denn die Teams wollen sich nicht länger mit 50 Prozent der Einnahmen abspeisen lassen, während der Rest des FOM-Topfs unter den Inhabern der kommerziellen Rechte aufgeteilt wird.

Ganz einfach, aber nur in der Theorie...

Dabei könnte alles so einfach sein: "Sie wollen eine bessere Show und einen Mehrwert für ihre Firma", analysiert Renault-Teamchef Eric Boullier im Interview mit 'Autosport'. "Wir wollen auch eine bessere Show, einen Mehrwert und dass alles besser wird. Wir haben also den gleichen Wunsch. In Theorie sollte es da ganz einfach sein, sich an einen Tisch zu setzen und Anknüpfungspunkte zu finden." Doch die Realität sieht natürlich anders aus.

"Es ist immer schwierig, über gemeinsame Interessen zu sprechen, wenn es um die Aufteilung von Einnahmen geht", weiß Boullier. "Ich rechne daher mit schwierigen Verhandlungen, aber wir werden sehen. Ich glaube nicht, dass wir schon an einem Punkt sind, über eine Alternativserie zu sprechen. Zuallererst müssen wir uns darauf konzentrieren, dass alle Teams innerhalb der FOTA zusammenhalten." Dass er nicht von einer neuen Rennserie spricht, ist kein Zufall, denn mit diesem Thema dürfen sich die unterzeichnenden Parteien des aktuellen Concorde-Agreements frühestens ab 1. Januar 2012 befassen. So sieht es die geheime Vereinbarung vor.

¿pbvin|512|3642||0|1pb¿Boullier unterstreicht daher, dass es "derzeit" nicht richtig wäre, mit einer Alternativserie zu drohen, und: "Ich hoffe, dass die Diskussionen diesen Punkt nicht erreichen werden. Das würde der Formel 1 mehr schaden als helfen." Doch in Insiderkreisen wird schon wieder darüber spekuliert, dass Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo das Schreckgespenst einer Alternativserie erneut aus dem Keller holen könnte. Nur: Wie will er das anstellen, wenn es doch vom Concorde-Agreement ausdrücklich untersagt wird?

Exor, also eine der an den kommerziellen Rechten interessierten Investmentgruppen, wird von Montezemolos Freund John Elkann kontrolliert. Zum Konzern gehört der Automobilhersteller FIAT und damit auch Ferrari. Nur: Exor ist keine Concorde-Agreement-Partei - und kann daher völlig bedenkenlos eine eigene Rennserie planen. Verschwörungstheoretiker vermuten daher, dass die Übernahmepläne nur eine Finte sein könnten und Exor in Wahrheit Montezemolo als Plattform dient, um indirekt doch an einer Alternativserie zu arbeiten.

Ex-Teamchef mit Alternativserie beauftragt?

Ob diese dann auch wirklich in die Tat umgesetzt wird oder wieder nur als Drohung am Verhandlungstisch dient, sei dahingestellt. Gerüchten zufolge befasst sich mit dem Thema Alternativserie auch der frühere Teamchef eines Werksrennstalls, der sich inzwischen aus der Formel 1 zurückgezogen hat. Derjenige war schon damals einer der wichtigsten Planer einer möglichen Alternativserie und gilt als einer der Architekten des aktuellen Concorde-Agreements.

Unabhängig von den verschiedenen Verhandlungsszenarien fordern die Teams von CVC nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr Engagement in der Promotion der Formel 1. Boullier fordert dabei, dass neue Wege eingeschlagen werden: "Wir müssen realisieren, dass sich der Rest der Welt verändert hat. Wenn du als Show und Sport und Wettbewerb erfolgreich sein willst, musst du ein bisschen anders denken."

Luca di Montezemolo und John Howett

Luca di Montezemolo zündelt häufig mit dem Schreckgespenst "Piratenserie" Zoom

"Die Eigentümer müssen sich Gedanken machen, wie sie Geld investieren könnten, um das Business zu promoten, das ihnen gehört, und den Wert zu erhöhen, der ein Unternehmen wie CVC interessiert", so der Renault-Teamchef. "Aber dafür braucht es eine Zukunftsperspektive und eine entsprechende Strategie. Das Concorde-Agreement läuft in zwei Jahren aus. Das muss gelöst werden - und zwar jetzt, denn das ist die einzige Art und Weise, wie die Zukunft dieser Serie aufgebaut werden kann."

Aber Boullier sieht ein, dass die Teams die Verantwortung nicht komplett von sich schieben können: "Wir tragen auch eine Verantwortung. Die Teams sind Teil der Show und müssen diese ebenfalls promoten. Aber die Balance muss stimmen. Wir müssen uns alle zusammensetzen und uns die Arbeit gleichermaßen teilen. Es kann jedenfalls nicht sein, dass die Teams die Formel 1 für CVC promoten", stellt der Franzose klar.