• 25.08.2008 11:52

  • von Dieter Rencken

Domenicali: "Wir vertrauen Kimi"

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali über Ferraris Ampelsystem bei den Boxenstopps, den Motorschaden in Valencia und Kimi Räikkönens Durchhänger

(Motorsport-Total.com) - Felipe Massa hat gestern in Valencia zwar den Europa-Grand-Prix gewonnen, aber bei Ferrari gab es einige Pannen: die Strafe wegen des zu frühen Freifahrtsignals bei Massas Stopp, Kimi Räikkönens Übersehen des roten Ampelsignals an der Box, durch das der Tankmann eine gebrochene Zehe erlitt, und schließlich auch noch den zweiten Motorschaden hintereinander.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali

Stefano Domenicali hat keine Zweifel an der Klasse von Kimi Räikkönen

Weltmeister sehen anders aus, aber zumindest von den Punkten her haben die beiden Ferrari-Piloten den Anschluss zu WM-Leader Lewis Hamilton noch nicht verloren. Doch die Truppe aus Maranello schwächelt - und wird sogar von der Konkurrenz belächelt: "Vielleicht ein Ferrari-Motor", meinte Mercedes-Sportchef Norbert Haug gestern, als am helllichten Tag in Valencia ein Feuerwerk gezündet wurde. Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali sieht nicht ganz so schwarz.#w1#

Ampelsystem statt Mann mit Lollipop

"Wenn der Tankrüssel am Auto angesetzt ist, wird rotes Licht angezeigt." Stefano Domenicali

Frage: "Stefano, seit wann verwendet ihr bei den Boxenstopps keine Lollipops mehr und wie funktioniert euer derzeitiges System?"
Stefano Domenicali: "Grundsätzlich funktioniert das System so: Wenn der Tankrüssel am Auto angesetzt ist, wird rotes Licht angezeigt. Zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt es ein Blinklicht nahe beim roten Licht, das signalisiert, dass sich der Fahrer bereit machen soll. Und dann springt das Licht auf Grün um, sobald der Tankrüssel abgezogen wird - es sei denn, der Boxenstopp wird manuell kontrolliert, weil zum Beispiel ein anderes Auto gerade die Boxengasse entlang kommt. Dann muss er das Auto blockieren. So funktioniert das System. Wir verwenden es seit vergangenem Jahr."

Frage: "Ihr verwendet das System nun schon eine ganze Weile. Werden damit die Dinge nicht zu sehr verkompliziert, wird damit nicht zu viel Spielraum für potenzielle Fehler geschaffen?"
Domenicali: "Das denke ich nicht. Wenn das Licht rot ist, dann ist es rot. Ansonsten ist halt der Lollipop unten. Ich glaube nicht, dass wir uns das genauer ansehen müssen. Natürlich müssen wir sicherstellen, dass das System immer funktioniert, aber das ist eine andere Geschichte."

Frage: "Es gab heute auch mit Felipe einen Zwischenfall in den Boxen. Was war da los?"
Domenicali: "Wie ihr wisst haben wir als Team - nicht der Fahrer - eine Strafe dafür erhalten, dem Fahrer zu früh die Freigabe zum Losfahren erteilt zu haben. Ehrlich gesagt haben wir die Situation nicht als gefährlich eingeschätzt. Es gab keine Blockade, niemand musste bremsen. Felipe war rechts und blieb stehen, um den Force India durchzulassen, aber die FIA hat das anders gesehen und das müssen wir akzeptieren."

Frage: "In der Vergangenheit konnten am Samstagmorgen mit dem Ersatzauto Boxenstopps geübt werden. Jetzt gibt es kein Ersatzauto mehr. Hat das eure Boxenstopps beeinflusst?"
Domenicali: "Das glaube ich ehrlich gesagt nicht, denn wir üben die Boxenstopps zu Hause. Beim Rennen ist es nicht mehr möglich, das stimmt, aber darin sehe ich kein Problem."

Mechaniker nicht schwer verletzt

"Er hat sich eine Zehe gebrochen, aber es geht ihm gut." Stefano Domenicali

Frage: "Wie ist der letzte Wissensstand hinsichtlich des verletzten Mechanikers?"
Domenicali: "Er ist okay. Er hat sich eine Zehe gebrochen, aber es geht ihm gut. Er freut sich, dass wir gewonnen haben. Er hat sogar gesagt, dass es ihm sehr leid tut, aber es war ja nicht einmal sein Fehler - so viel zum Klima bei uns. So sind Ferrari-Leute eben, so leidenschaftlich und doch professionell. Sie wissen, dass sie Mechaniker sind. Wir können auf die Leute in diesem Team sehr stolz sein."

Frage: "Beim ersten Boxenstopp habt ihr Felipes Radkappen entfernt. Was war der Grund dafür?"
Domenicali: "Wir haben das bei beiden Autos gemacht, um auf der sicheren Seite zu sein. Die Bremsen werden hier sehr stark beansprucht, also wollten wir kein Problem mit dem Verschleiß und den Temperaturen riskieren. Es war einfach die sicherere Variante, vor allem angesichts des Vorsprungs, den wir hatten."

Frage: "Gab es vor Kimis Motorschaden Warnzeigen oder kam alles ganz plötzlich?"
Domenicali: "Leider hatten wir genau wie zuletzt bei Felipe in Ungarn keinerlei Hinweise. Wir sahen nur wieder den Rauch bei Start und Ziel. Wir zerlegen geraden den Motor, um zu verstehen, was die Ursache war, daher kann ich jetzt noch keine klare Antwort geben. Die Jungs arbeiten noch am Motor. Aber es gab keine Vorwarnung."

Frage: "Ihr hattet zwei Motorschäden in zwei Rennen. Habt ihr ein Zuverlässigkeitsproblem? Machst du dir Sorgen, weil Felipe auf der motorenmordenden Strecke in Spa-Francorchamps schon das zweite Rennen mit dem gleichen Motor bestreiten muss?"
Domenicali: "Natürlich ist das ein Zustand, der uns nicht gut schlafen lässt. Wenn du bei den Rennen nicht ins Ziel kommst, verlierst du Punkte in beiden WM-Wertungen. Wir können nur hart arbeiten und versuchen, die Ursachen für diese Defekte herauszufinden. Wir müssen einfach weiterkämpfen, denn die Performance stimmt jetzt wieder und das ist großartig. Einerseits sind wir noch im Titelrennen, andererseits haben wir einen Rückstand. Wir werden bis zum Ende alles geben."

Keine Zweifel an Champion Räikkönen

"Er ist der Weltmeister, wir sind ein Team und wir unterstützten natürlich jedes Mitglied des Teams." Stefano Domenicali

Frage: "Kimi ist Weltmeister, aber er steckt in einem Tief. Heute hat er am Start einen Platz verloren und beim Boxenstopp einen Fehler gemacht. Unterstützt ihr ihn irgendwie, damit er sich wieder aus diesem Tief rausarbeiten kann?"
Domenicali: "Natürlich! Alles ist easy, wenn es gut läuft. Dann klopfen dir alle auf die Schulter und sagen dir, dass du die Nummer eins bist, aber wenn es dann mal daneben geht, dann bist du schnell der große Trottel. Das ist hier nicht der Fall. Er ist der Weltmeister, wir sind ein Team und wir unterstützten natürlich jedes Mitglied des Teams. Außerdem vertrauen wir Kimi hundertprozentig. In schwierigen Momenten muss das Team zusammenhalten. Wir haben keine Zweifel an Kimis Performance und ich bin mir ziemlich sicher, dass er zwischen jetzt und Brasilien wieder auf die Höhe kommen wird."

Frage: "Was stimmt nicht mit Kimi? Er hat am Start einen Platz verloren und ist beim Stopp trotz des roten Lichts losgefahren..."
Domenicali: "Wenn du ein Fahrer bist, dann musst du tief unter die Oberfläche schauen und verstehen, warum etwas passiert, wenn es gut läuft, und wenn es schlecht läuft, dann musst du das genauso tun. Ich möchte unterstreichen, dass wir zusammenarbeiten müssen und dass wir verstehen müssen, wie wir uns verbessern können. Ich bin mir sicher, dass Kimi voll entschlossen ist und dass wir ihn wieder in Topform erleben werden, denn er will beweisen, dass er ein verdienter Weltmeister ist, das könnt ihr mir glauben."

Frage: "Kimi hat gesagt, dass er sich mehr auf das Qualifying konzentrieren möchte. Heute kam Felipe aber früher als er zum ersten Boxenstopp. Hatte Kimi auch die Wahl, auf so eine Strategie zu setzen?"
Domenicali: "Ja, natürlich. Wir hatten während der gesamten Saison im Qualifying immer die normalen Diskussionen. Heute hat man wieder mal gesehen, dass man konkurrenzfähig fahren kann, wenn man freie Fahrt hat. Wenn du hinter einem Konkurrenten bist, dann ist es schwieriger. Natürlich müssen wir uns als Team das Qualifying anschauen."