• 14.06.2004 10:05

Die logistischen Herausforderungen der Formel 1

Gestern Europa, heute Kanada und morgen schon Indianapolis - die Formel 1 muss große logistische Herausforderungen meistern

(Motorsport-Total.com) - Zur rechten Zeit am rechten Ort - und alles am richtigen Platz: Wenn die Formel 1 auf Reisen geht, ist das für die Logistiker der Teams trotz sorgfältigster Planung immer noch ein Abenteuer. Ohne die tollkühnen Männer mit ihren fliegenden Kisten würde sich vor allem bei einem Überseerennen wie dem Großen Preis der USA kein Rad drehen.

Titel-Bild zur News: Flugzeug

Per Jumbo-Jet reist die Formel 1 rund um den Globus

Damit ein Team wie BMW-Williams bei einem Grand Prix eine gute Leistung zeigen kann, müssen Teammanager Dickie Stanford und seine Kollegen das Rennen vor dem Rennen gewinnen: Zielort statt Zielstrich. Rund 80 Kisten werden im Williams-Hauptquartier im englischen Grove für jedes Rennen gepackt - die kleinste hat Bierkastenformat, die größte ist ein stattlicher Container.#w1#

Beim Zusammenstellen des Reisegepäcks ist Sorgfalt Pflicht. Doch Dickie Stanford weiß, dass er seinen Leuten vertrauen kann. "Bei uns sind die einzelnen Abteilungen selbst dafür verantwortlich, dass alles eingepackt wird, was sie an der Rennstrecke benötigen", sagt er. "Ich sorge dann nur noch dafür, dass die Kisten auch tatsächlich losgeschickt werden."

100.000 Kilometer rund um die Welt

Miles and more: Für die 18 Auftritte auf vier Kontinenten ist die Formel 1 in dieser Saison rund 100.000 Kilometer unterwegs - immer mit schwerem Gepäck. Allein Williams schickt 24 Tonnen Material zu einem Überseerennen, dazu kommen sechs Tonnen von Motoren-Partner BMW. Bei den Rennen in Europa sind es sogar noch ein paar Tonnen mehr: Weil aus den Trucks an der Strecke extrem gut aus-gestattete Werkstätten werden, sind entsprechend viele Maschinen an Bord. So können während des Grand-Prix-Wochenendes sogar komplexe Arbeiten an den Fahrzeugen ausgeführt werden.

80 DIN-A-4-Seiten Checkliste

Für das Marschgepäck der Formel-1-Karawane gilt eine einfache Regel: So wenig mitnehmen wie möglich - aber so viel wie nötig. Ein Balanceakt. Auf der fast 80 DIN-A-4-Seiten langen Checkliste ist akribisch genau aufgeführt, was in die Frachtboxen muss. Stets dabei sind zwei Rennwagen und ein Ersatzauto, die für den Flug auf Paletten montiert werden, damit sie übereinander in den Bauch einer Boeing 747 passen. Dazu kommen ein Chassis und alle Ersatzteile in sechsfacher Ausfertigung - zusammen mit Werkzeug, Rädern und der Boxenausstattung. BMW bringt zu einem Rennen fünf bis sechs Motoren mit, dazu Werkzeug und Ersatzteile.

Zur Grundausstattung des BMW-Williams-Teams an der Rennstrecke gehören 16 Rechner und 26 Notebooks. Weil schnelle Kommunikation eine wichtige Voraussetzung für eine gute Performance ist, sind 100 Funkgeräte samt Kopfhörer im Einsatz. Nicht zu vergessen all die nützlichen Dinge, die das Leben im Fahrerlager angenehmer machen und die notwendig sind, um die VIP-Gäste zu versorgen - von der Espressomaschine über den Staubsauger bis hin zu den 1.500 Papierservietten mit dem Team-Logo. "Alles in allem", kalkuliert Dickie Stanford, "kommen wir locker auf gut 10.000 Einzelteile." Die rund 3.000 Flaschen Mineralwasser für das Team sind da noch nicht mit eingerechnet.

Routineauftrag Europa-Rennen

Im Gegensatz zu den Reisen nach Übersee sind die Rennen in Europa logistische Routineaufträge für die Teams. Williams setzt dafür zwei Transport-Laster, zwei Trucks, die im Fahrerlager als Werkstätten und Büros dienen, sowie ein Motorhome ein. Von der BMW-Zentrale in München machen sich ein Transport-Laster, ein Truck für die Techniker sowie ein weiteres Motorhome auf den Weg. Auch zu den Überseerennen, bei denen ohne die Trucks im Fahrerlager schon mal improvisiert werden muss, reist die Formel 1 mit großem Gepäck: Ein komplettes Fahrerlager entspricht dem Ladevolumen von acht Jumbo-Jets. Egal auf welchem Kontinent die Formel 1 gastiert - spätestens am Mittwoch vor dem Rennen steht alles an Ort und Stelle.

Die Formel 1 reist standesgemäß im Jumbo

Etwa neun Tage vor dem ersten Training machen sich die Trucks mit dem Werkstatt-Equipment auf die Reise. Diese Vorhut richtet die Boxen für das Team ein, streicht den Boden, hängt die Monitore an die Wand und installiert mit Hilfe von 500 Metern Datenleitung und 300 Metern Stromkabel das aufwändige Computer-Netzwerk. Die Trucks mit den Autos fahren erst später los. Ebenfalls etwa neun Tage vor einem Überseerennen heben die von der Formel 1 gecharterten Jumbos ab. Das BMW-Williams-Team schickt seine Ausrüstung, wie die meisten Teams, von London aus auf die Reise. Für Ferrari, Sauber und Minardi fliegt eine 747 ab Mailand.

Können sich die Teams für das Packen der Ausrüstung etwa eineinhalb Tage Zeit lassen, muss vor allem nach einem Überseerennen das Equipment für den Rücktransport bereits innerhalb von vier bis fünf Stunden verstaut sein. Der Zeitplan der "Formel-1-Airline" ist eng. Auch nach der Zielflagge auf dem 'Indianapolis Motor Speedway' kommt es deshalb wieder zu einer ungeahnten Teilchenbeschleunigung. Jeder Handgriff muss sitzen, wieder ist extreme Teamarbeit gefragt, jeder muss sich auf den anderen verlassen können. Damit bei der nächsten Station des Formel-1-Kalenders nicht das große Suchen beginnt, werden sämtliche Teile peinlich genau exakt an dem für sie vorgesehenen Platz verpackt. Und: Zeit ist Geld. Wer zu spät kommt, den bestraft nicht das Leben, sondern Formel-1-Boss Bernie Ecclestone - mit einer Konventionalstrafe.