Die große Toyota-FAQ mit Ralf Schumacher
Ralf Schumacher erklärt, warum es bei Toyota noch nicht rund läuft, und gibt zu, dass auch vom Auto her mindestens eine halbe Sekunde fehlt
(Motorsport-Total.com) - Toyota war bei den ersten beiden Saisonrennen in Bahrain und Malaysia die wahrscheinlich größte Enttäuschung - und in Australien könnte es für den japanisch-deutschen Rennstall bei niedrigeren Temperaturen noch düsterer aussehen. Ralf Schumacher stellte sich heute in Melbourne einer bunten Journalistenrunde, der er die Ursachen für Toyotas Schwierigkeiten zu erklären versuchte.

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Skeptischer Blick: Ralf Schumacher hatte sich die Saison 2006 anders vorgestellt
Frage: "Ralf, es läuft bei Toyota nicht so, wie du dir das vorgestellt hast. Wie gehst du mit der Situation um?"
Ralf Schumacher: "Wir wollen die Situation so schnell wie möglich hinbiegen. Bahrain war ein Desaster. In Malaysia hatte ich einfach ein bisschen Pech, aber der Rennspeed war ja gar nicht so schlecht."#w1#
Australien könnte für den TF106 zu kühl sein
Frage: "Siehst du Licht am Ende des Tunnels? Könnte es hier noch besser laufen als in Malaysia?"
Schumacher: "Hier ist die Situation wegen der niedrigen Temperaturen wieder ein bisschen anders, aber dafür haben wir neue Reifen bekommen. Ich gehe schon davon aus, dass wir halbwegs mitmischen werden."
Frage: "Hattet ihr zwischen den Rennen überhaupt eine Chance, wirklich etwas zu verändern, oder kommt das erst in Europa?"
Schumacher: "Nicht wirklich. Das wird in Europa kommen."
Frage: "Was genau habt ihr beim Test in Le Castellet gemacht?"
Schumacher: "Wir haben in Ricard noch mal für dieses Rennen Reifen getestet, konnten auch die eine oder andere interessante Sache mitnehmen, aber innerhalb von ein paar Tagen geht halt nicht so viel."
Frage: "Wie kalt war es bei dem Test?"
Schumacher: "Relativ kalt, um die zwölf Grad."
Frage: "Wegen des Reglements müsst ihr im Training den Motor extrem schonen. Würde euch ein dritter Fahrer angesichts eurer Probleme helfen?"
Schumacher: "Wir bei Toyota fahren ja so ziemlich am meisten, was die Stammfahrer im Training angeht, aber natürlich wäre ein dritter Fahrer immer eine Hilfe. Allerdings glaube ich nicht, dass das an unseren Problemen auf irgendeiner Strecke etwas geändert hätte."
Frage: "Nach Bahrain hieß es, dass es ungefähr eine halbe Saison dauern wird bei euch..."
Schumacher: "Ja. Man kann seitens Bridgestone natürlich ein bisschen helfen, in dem sie mit den Reifen etwas machen, aber grundsätzlich kann man nicht einfach weichere Reifen nehmen und damit alles lösen. So wie wir damals bei Williams Schwierigkeiten hatten, das Problem zu verstehen, als die Reifen aufgefressen wurden, so tun wir uns auch jetzt schwer dabei, den Grund dafür zu verstehen, warum sich die Reifen nicht aufheizen lassen. Das wird noch ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen."
Problem liegt in der Radaufhängung begraben
Frage: "Wie kann man dieses Problem einem Laien erklären?"
Schumacher: "Wenn ich das wüsste, könnten wir es auch gleich beheben. Grundsätzlich ist es so, dass andere Autos die Reifen von der Kinematik, von der Radaufhängungsgeometrie her wohl deutlich mehr fordern als unseres. Dadurch bringen wir das Gummi nicht auf die ideale Betriebstemperatur, was sich negativ auf die Haftung auswirkt. Das genau zu erklären, ist aber sehr schwierig."
Frage: "Wie hoch sind denn die optimalen Betriebstemperaturen?"
Schumacher: "Das ist von Reifenhersteller zu Reifenhersteller und von Mischung zu Mischung verschieden. Es bewegt sich im Bereich zwischen 70 und 100 Grad."
Frage: "Wie viel fehlt euch?"
Schumacher: "Das sind geheime Informationen, über die ich nicht sprechen kann."
Frage: "Kann man die Tricks, die ihr vergangenes Jahr mit Michelin hattet, um die Reifen auf Temperatur zu bringen, jetzt vergessen, weil der Bridgestone ein ganz anderer Reifen ist?"
Schumacher: "Es ist ein anderer Reifen, ja. Es ist zwar teilweise schon möglich, mit diesen Sachen zu arbeiten, aber das hilft uns nicht ausreichend."
Frage: "Kannst du als Fahrer dem Problem mit den Reifentemperaturen entgegensteuern?"
Schumacher: "Nur bedingt, eigentlich fast gar nicht. Wenn man weiß, man sollte weniger rutschen, weil man die Reifen sonst kaputt macht, dann kann man etwas vorsichtiger herangehen, aber das ist ja bei uns nicht der Fall."
Wechsel zu Bridgestone war kurzfristig gesehen ein Fehler

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Der Wechsel zu Bridgestone brachte für Toyota bisher keine Vorteile Zoom
"Natürlich haben wir eine Sache unterschätzt: Wenn man nach fünf Jahren die Reifen wechselt, dann wird man nach nur vier Monaten nicht das Beste herausbekommen. Man hat das in Bahrain ganz deutlich gesehen, wo eigentlich nur Ferrari richtig schnell war. Williams war zwar auch ganz gut mit dabei, aber die benutzen die Reifen eben ganz anders als wir. Es war auch zu Michelin-Zeiten schon oft so, dass man plötzlich um sieben Zehntel langsamer war als der Teamkollege, weil es um vier oder fünf Grad kälter geworden ist. Diese Abstimmung ist halt nicht so einfach."
Frage: "Inwieweit seid ihr sicher, dass ihr nur Reifenprobleme habt und keine anderen?"
Schumacher: "Es ist natürlich so, dass das Auto auch verbesserungsfähig ist. Das ist uns schon bewusst. Das größere Problem ist im Moment aber der Umgang mit den Reifen. Das liegt weniger an den Reifen an sich als an uns."
Frage: "Für Außenstehende ist es schwer zu verstehen, dass das Team mit dem größten Budget solche Probleme hat. Wie kann man das erklären?"
Schumacher: "Wir wollen es nicht erklären, sondern wir wollen es ändern! Grundsätzlich glaube ich aber, dass unser Budget nicht größer ist als das von Ferrari und Mercedes - und Teams wie Mercedes kriegen es auch seit Jahren nicht gebacken, um den WM-Titel zu fahren, obwohl sie weitaus mehr Erfahrung haben als wir. Die Formel 1 ist eben ein sehr komplexer Sport. Man wendet inzwischen sicherlich die meiste Zeit dafür auf, das Auto zu verstehen. Das kann man mit Geld nicht kaufen, das hat auch nichts mit Manpower zu tun. Das sind einfach Erfahrungswerte. Man muss die richtigen Leute im richtigen Moment an der richtigen Stelle haben. Da spielen viele Faktoren mit."
Frage: "Toyota scheint nicht die richtigen Leute im richtigen Moment an der richtigen Stelle zu haben..."
Schumacher: "Das würde ich nicht behaupten, sondern ich würde sagen, dass wir noch viel zu lernen haben."
Frage: "In Malaysia hattest du im Qualifying einen Motorschaden. Was war genau das Problem?"
Schumacher: "Es hatte was mit der Ölpumpe zu tun. Dadurch ist der Öldruck abgefallen und dann ist der Motor kaputt gegangen. Mit der Hitze hatte das nichts zu tun, sondern es war ein technischer Defekt in der Peripherie, der sicher nicht wieder vorkommen wird."
Mit dem Motor hat Toyota keine Probleme
Frage: "Kann man sagen, dass der Motor noch eines eurer besseren Teile ist?"
Schumacher: "Der Motor war bisher sicher eine Konstante an unserem Auto, ja."
Frage: "Was wäre denn an diesem Wochenende ein realistisches Ziel?"
Schumacher: "Irgendetwas zwischen Platz vier und acht wäre realistisch."
Frage: "Glaubst du, dass sich am Kräfteverhältnis in dieser Saison noch groß etwas ändern wird?"
Schumacher: "Schwer zu sagen. Das hängt davon ab, was die anderen Teams machen und wie gut wir weiterentwickeln. Wir sind sehr weit von Renault weg. Beim letzten Rennen waren es zwar nur acht Zehntel, aber das ist immer noch eine Welt. Man muss abwarten. Natürlich ist unser Ziel nach wie vor, dieses Jahr ein Rennen zu gewinnen, aber da liegt noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns."
Frage: "Kann man diese acht Zehntelsekunden quantifizieren, sagen, dass zum Beispiel fünf davon von den Reifen kommen?"
Schumacher: "Das ist immer schwierig. In Malaysia war der Reifenanteil sicher geringer als der des Autos. Ich denke, dass uns vom Auto her schon noch mindestens fünf Zehntel fehlen. Renault fährt momentan aber sowieso in einer eigenen Liga."
In Malaysia kam Schumacher nicht an Villeneuve vorbei
Frage: "Apropos Malaysia: Warum kamst du eigentlich nicht an Jacques Villeneuve vorbei?"
Schumacher: "BMW war an dem Wochenende ganz gut unterwegs. Außerdem hat bei Villeneuve der Funk nicht funktioniert, weshalb er nur noch um die Strecke tuckerte, aber als er mich dann im Rückspiegel sah, legte er wieder an Tempo zu. Meine schnellste Runde war schneller als seine, aber es ist in der Formel 1 heutzutage nicht so einfach, jemanden zu überholen. Das ist ein generelles Problem."
Frage: "Welches Kräfteverhältnis erwartest du hier in Australien?"
Schumacher: "Schwer zu sagen, es könnte ja wieder ein Griff ins Klo sein. Damit möchte ich mich ehrlich gesagt gar nicht befassen. Die Situation ist im Moment sehr schwierig einzuschätzen. Ferrari war in Bahrain ganz vorne, aber in Malaysia weg vom Fenster. Ich denke, dass wir im oberen Drittel liegen."
Frage: "In Monaco soll ja eure B-Version des TF106 kommen. Ist das eine B-Version oder eigentlich ein komplett neues Auto?"
Schumacher: "Man kann natürlich ein bisschen was mit dem Setup korrigieren, aber das Ideale wäre, die Probleme voll zu verstehen und sich dann je nach Strecke und Reifenwahl anzupassen. Das wäre perfekt, aber da müssen wir erst noch hinkommen."
Frage: "Was bedeutet es dir, dass du deinen Teamkollegen in diesem Jahr im Griff hast?"
Schumacher: "Es sind ja gerade mal zwei Rennen gefahren. In den Rennen war ich auch letztes Jahr schneller, was natürlich schön ist, aber ob ich jetzt in Bahrain 14. oder 15. werde, ist mir ehrlich gesagt egal. Wenn wir irgendwann mal ein Auto haben, mit dem man gewinnen kann, dann würde ich natürlich schon gerne derjenige sein, der die Siege nach Hause fährt."

