• 22.05.2009 09:10

  • von Karl Wendlinger

Wendlinger-Kolumne: Drei Wochen, zwei Rennen, ein Sieg

FIA-GT-Pilot Karl Wendlinger in seiner neuesten Kolumne über den furiosen Saisonauftakt mit dem neuen KplusK-Team

Liebe 'Motorsport-Total.com'-Leser,

Titel-Bild zur News: Karl Wendlinger

Wir können zufireden sein: Beim Auftakt in Silverstone gab es einen Sieg

euer Daumendrücken zum Start in die neue FIA-GT-Saison hat sich wirklich gelohnt! Wir haben mit unserem neuen Team KplusK-Motorsport dem Saleen sofort viel Tempo eingehaucht und konnten in Silverstone Pole-Position und Sieg holen. Ein Traumstart!

Dabei sah der Erfolg vielleicht leichter aus als er tatsächlich war. Zweimal haben wir zwischenzeitlich die Führung im Rennen verloren. Zuerst kam das Safety-Car zu einem unglücklichen Zeitpunkt, dann beim letzten Stopp war die Maserati-Mannschaft einfach den entscheidenden Tick schneller. Aber ich habe das im Schlussstint wieder zurechtrücken können.#w1#

Silverstone: Wenn mal wirklich alles passt

Das Überholmanöver gegen Andrea Bertolini hat richtig Spaß gemacht. Ich habe ihn erst einmal richtig unter Druck gesetzt. Wir sind gemeinsam die Hangar-Straight heruntergefahren und ich habe erkannt, dass vor uns ein langsamer GT2-Wagen in die Stowe-Kurve einbiegt. Dann habe ich die Kurve im dritten Gang etwas von außen angefahren - normal ist dort der vierte Gang.

Karl Wendlinger

Unser Saleen hat schnell ein perfektes Basissetup verpasst bekommen Zoom

Es kam dann genauso wie ich es mir ausgerechnet hatte: Andrea musste rechts zum Überrunden ansetzen und für mich tat sich im letzten Moment links die Lücke auf. Weil die Kurve danach eine Linkskurve ist, war ich dann innen neben dem Maserati, konnte ihn schön ausbremsen und war dann vorbei. Es hat einfach gepasst. Der GT2 hat genau das gemacht, was ich erwartet hatte. So etwas macht richtig Spaß und gibt viel Befriedigung.

Ich muss an dieser Stelle mal ein deutliches Lob aussprechen. Was mein Renningenieur Othmar Welti innerhalb kürzester Zeit mit dem Saleen gemacht hat, ist einfach toll. Er hat ein unglaublich gutes Gespür beim Finden eines guten Basis-Setups. Er hat das Auto eingestellt und wir waren sofort beim ersten Test schnell. Seither müssen wir an den unterschiedlichen Strecken nur noch Feintuning machen. Da ändern wir die Fahrwerkshöhe ein wenig und machen nur noch andere Kleinigkeiten.

Der Cheftechniker als Erfolgsgarant

Uns war von Anfang an klar, dass der Saleen eine gute Basis bietet. Ich muss sagen, dass jedes Auto, welches den Motor hinten hat, erst einmal ein gutes Auto ist. Das taugt mir wirklich am besten. Die Gewichtsverteilung ist gut, der Schwerpunkt liegt gut. Da passt einfach alles. Und der Othmar Welti holt das Beste aus dem Auto und er hat wirklich immer großen Anteil an unseren Erfolgen.

Ford Saleen S7, Karl Wendlinger und Ryan Sharp

Gemeinsam mit Ryan Sharp will ich auch in Oschersleben gewinnen Zoom

In Silverstone hatte ich meine Tochter als Glücksbringer dabei, zum zweiten Lauf in Adria gab es dann eine "Männerrunde". Gemeinsam mit meinem Sohn habe ich in einem Dorf direkt am Meer gewohnt. Da war nicht allzu viel los, also hatten wir viel Platz zum Fußballspielen am Strand. Das hat uns viel Spaß gemacht, war aber leider auch so ziemlich der einzige Lichtblick an dem Wochenende.

Im Qualifying waren wir wieder die Schnellsten, aber wir hatten dann Probleme bei der technischen Abnahme. Die Prüfer bemängelten, dass an unserem Saleen ein Winglet vorne um einen Millimeter zu weit herausstand. Klar, es gibt Regeln und an die müssen wir uns halten. Aber es war in unserem Fall nicht mal das Bauteil selbst, sondern es lag daran, dass die Abrisskante nicht senkrecht nach oben zeigte. Die klappte seitlich etwas weg. Das war dann der entscheidende Millimeter.

Saleen ist auf allen Strecken zuhause

Wir haben die Strafe akzeptiert und wurden dann in der Startaufstellung ganz hinten eingereiht. Sogar aus der Position hätten wir vielleicht noch ein gutes Ergebnis holen können, wenn da nicht das nächste Problem aufgetaucht wäre. Uns ist schon auf der Einführungsrunde der Flansch, der die Antriebswelle am Differenzial hält, abgerissen. Von der Pole-Position hätten wir letztlich auch nichts machen können, denn da wäre das wohl auch passiert.

Karl Wendlinger

In Italien wurde uns ein kleiner Millimeter im Qualifying zum Verhängnis Zoom

Insgesamt bin ich mit dem bisherigen Verlauf der Saison absolut zufrieden. Wir sind konkurrenzfähig und werden auch konkurrenzfähig bleiben. Jede Rennstrecke, die jetzt noch im Kalender der FIA-GT-Saison kommt, passt für uns. Mit uns ist überall zu rechnen. Den Flansch-Bruch von Adria analysieren wir und dann kommen eben neue Teile, damit es nicht mehr passiert. Wir sind da sehr zuversichtlich.

Die FIA-GT-Serie ist zurzeit im Umbruch. Die aktuelle Saison ist eigentlich eine Art Übergangsphase, bevor im nächsten Jahr das neue GT1-Reglement kommt. Ich muss aber sagen, dass der Wettbewerb trotzdem klasse ist. Wir haben Maserati, Corvette, Saleen und das Feld ist ganz gut ausgeglichen. Im Qualifying war es bisher ein Zweikampf zwischen uns und den Maseratis. Aber der Rennspeed speziell der Hezemans-Corvette ist verdammt gut. Wenn die mal ihren Gewichtsvorteil nutzen, dann sind die vorne dabei.

Schon ein Viertel der Saison vorbei

Die Ford und Nissan, die schon jetzt nach dem neuen Reglement fahren, sind natürlich etwas langsamer als wir. Das ist klar, weil die neuen Regeln einfach bremsen. Aber die Autos sind gut gemacht, sehen auch gut aus. Man kann die von der Performance aber wirklich nicht einschätzen. In Silverstone war der Matech-Ford vielleicht etwas schneller, aber das hat kaum Aussagekraft.

Die Saison ist mal gerade drei Wochen alt, aber wir haben schon ein Viertel der Rennen hinter uns - Wahnsinn! Das geht schon ein bisschen zu schnell, denn acht Rennen im Jahr sind einfach sehr wenig. Aber wenn man bedenkt, dass es ein Übergangsjahr ist, ist es auch irgendwie in Ordnung. Bis zum dritten Lauf in Oschersleben haben wir jetzt etwas Zeit. Wir werden arbeiten und analysieren und dann dort wieder um den Sieg fahren.

Drückt mir weiter kräftig die Daumen!

Karl Wendlinger