Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Timo Glock

Warum fuhr Timo Glock beim DTM-Comeback nach drei Jahren komplett hinterher? Das Team ist auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen und erlebt Zerreißprobe

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Titel-Bild zur News: Timo Glock

Timo Glock und sein Vater: Härtester DTM-Auftakt beim Comeback mit 43 Zoom

Ja, es gibt sie, die Stimmen, dass Timo Glock selbst in seinen zehn BMW-Jahren in der Hersteller-DTM trotz fünf Siegen nie ein absoluter Topfahrer war, ohnehin längst zum alten Eisen gehört und GT3 sowieso nicht kann. Und all jene fühlen sich jetzt durch das katastrophale DTM-Comeback des Ex-Formel-1-Piloten beim McLaren-Team Dörr Motorsport bestätigt.

Das Auto sei "unfahrbar" und habe ein "fundamentales Problem", es ergäbe "keinen Sinn, zu Ende zu fahren", meinte der 43-Jährige nach dem Sonntagsrennen in Oschersleben bei ProSieben - und beklagte sich über die Fahrweise in der DTM, in der "gefühlt jeder gemeint hat, er müsste da draußen komplett Kamikaze fahren".

Glock gegen Teamkollege Ben Dörr chancenlos

Aber auch vor der Kollision mit dem um 26 Jahre jüngeren Tom Kalender lief es erschreckend, vor allem im Vergleich zum in seiner ersten DTM-Saison kaum in Erscheinung getretenen Teamkollegen Ben Dörr, dem Sohn des Teambesitzers Rainer Dörr.

Die Bilanz: Glock wurde im ersten Qualifying mit 1,669 Sekunden Rückstand 22. und Vorletzter, beim elftplatzierten Dörr waren es nur 0,588 Sekunden. Dörr brachte dann im Rennen Platz elf ins Ziel, Glock erreichte die Zielflagge eine halbe Minute später auf Platz 20.

Am Sonntag schraubte Glock den Rückstand im Qualifying auf 1,013 Sekunden herunter und wurde 21. - Dörr startete mit 0,422 Sekunden Rückstand von Platz zwölf. Er wurde sogar Achter vor Champion Mirko Bortolotti, Glock blieb erneut chancenlos und gab nach der Kollision auf.

Auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen

All das passierte aber nicht völlig unerwartet: Denn Glock hat mir schon Anfang April erstmals gesagt, dass es offenbar ein Problem mit seinem Fahrzeug gibt, man wolle der Sache aber erst auf den Grund gehen. Dass etwas mit dem ehemaligen Boliden von Vorgänger Clemens Schmid nicht stimmt, sei erstmals beim zweiten Testtag in Portimao am 4. März aufgefallen.

Bei den Tests in Zandvoort und beim offiziellen Testtag in Oschersleben habe sich das Problem zwar immer deutlicher gezeigt, aber auch beim Vermessen des kompletten Autos wurde nichts gefunden. Ein Schock war dann das Freitag-Training beim Saisonauftakt: Da einige Teile an Dörrs Fahrzeug bereits am Ende ihrer Laufzeit waren, erhielt der 20-Jährige ein neues Fahrzeug.

Beim offiziellen Testtag Anfang April war Dörr mit dem alten Auto noch drei Zehntel schneller als Glock gewesen. Mit dem neuen verbesserte er sich im ersten Qualifying um 1,2 Sekunden, Glock aber nur um vier Zehntel. "Das neue Auto hat uns quasi bestätigt, dass an Timos Auto was sein muss", bestätigt Technikchef Robin Dörr.

Der eigene Blick beweist: Glocks Auto völlig außer Kontrolle

Laut Glock belegen auch die Querbeschleunigungsdaten, dass sein Auto weniger Grip aufbaut als das von Dörr. Oft reicht aber auch der eigene Blick: Ich habe die Piloten am Freitag in der langgezogenen Hotel-Rechtskurve beobachtet. Nur Glocks Auto schien von Untersteuern plötzlich auf Übersteuern zu wechseln, schien völlig außer Kontrolle. Das deckt sich mit seinen Aussagen. Dabei ist der McLaren, wie man hört, nur dann schnell, wenn man ihn sauber fährt.

Timo Glock

Timo Glocks McLaren machte beim Saisonauftakt in Oschersleben was er will Zoom

Jetzt wird das Auto nach Woking geschickt, um dort von McLaren komplett durchgecheckt zu werden, damit man beim Test auf dem Lausitzring in einer Woche eine Lösung hat. Alles bis auf den filigranen, aus Aluminium bestehenden Heckrahmen, der Motor, Getriebe und Hinterrad-Aufhängung hält, wurde bereits getauscht. Ein Haarriss oder eine ermüdete Schweißnaht könnte sich negativ auf die Steifigkeit auswirken, so der Verdacht des Teams.

Zerreißprobe für McLaren-Team Dörr Motorsport

Für das neu formierte Team ist das aktuelle Szenario eine erste Zerreißprobe. Denn schon im Vorjahr benötigte die nach der Insolvenz des geplanten Einsatzteams Project 1 kurzfristig zusammengewürfelte Truppe mehrere Rennwochenenden, um herauszufinden, dass bei einer Revision die Dämpfer falsch zusammengebaut worden waren.

Diese Saison hat man gutes Personal wie Glocks früheren GP2-Meisterrenningenieur Richard Selwin geholt, sollte also besser aufgestellt sein, aber durch einen bekannten Mann wie Glock ist auch der Druck größer. Er hat immer klar gesagt, dass man Erfolge durch die Aufbauphase nicht von Anfang an erwarten darf und er auf jeden Fall zwei Jahre bleiben will. Aber dass es so schlecht losgeht, hat er wohl nicht mal in seinen schlimmsten Träumen befürchtet.

Jemand, der mit Glock bereits arbeitete, hat mir gesagt: "Timo ist ein sehr sympathischer Mensch, der ein breites Wissen hat. Er ist aber auch sehr feinfühlig und braucht ein Auto, das genau das macht, was er sich vorstellt." Umso schlimmer muss die aktuelle Situation für ihn sein.

Hat Glock das Zeug, um Titel zu fahren?

Ob er das Zeug hat, in der DTM um Siege und Titel zu fahren? Das ist fraglich, denn Glock ist den vergangenen Jahren im Vergleich zu den absoluten Profis, die oft 30 Rennen pro Jahr absolvieren, sehr wenig GT3 gefahren. Das spüren auch Youngsters wie ein Luca Engstler, die sich darum bemühen, mehr Einsätze zu bekommen.

Dazu kommt das Alter: Auch bei Größen wie Bruno Spengler, der jetzt 41 ist, habe man irgendwann gesehen, "dass sie zwar durch ihre enorme Rennerfahrung bei Langstrecken-Rennen immer noch einen wertvollen Beitrag liefern, aber in der DTM geht es um den reinen Speed", sagt ein Kenner, der die Rolle des Alters nicht unterschätzen würde. "Da ist die DTM sehr undankbar."

Was man Glock aber wirklich hoch anrechnen muss: All das Gerede um seine Person, ob er es noch drauf habe oder nicht, hielt ihn nicht davon ab, sich Serien wie dem DMV-BMW-318ti-Cup zu stellen und gegen Amateure anzutreten. Andere hätten Angst, sich eine blutige Nase zu holen, doch Glock genoss die bodenständige Atmosphäre und nahm sich dabei selbst nicht zu ernst. Warum er sich das "antut"? Weil er Spaß dran hat!

Es ist dem "Kampfdackel" zu wünschen, dass er seine Kritiker in der DTM noch einmal widerlegen kann und Highlights setzt - mit ordentlichem Material! Einige davon sind unvergessen, wie sein legendäres Duell 2018 in Hockenheim gegen Gary Paffett, das noch heute bei vielen Fans für Gänsehaut sorgt.

Sven Haidinger

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23. - 25. Mai

1. Qualifying Sa. 09:10 Uhr
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