Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Alessio Deledda
Nach einer peinlichen Formelkarriere suchte Skandal-Pilot Alessio Deledda in der DTM sein Glück: Doch Zandvoort zeigte ganz klar, dass er auch hier fehl am Platz ist
Liebe Leserinnen und Leser,
© Alexander Trienitz
Wie so oft auf Abwegen: Alessio Deledda war in Zandvoort von der Rolle Zoom
rein von den Ergebnissen wäre Oschersleben-Sensationsmann Tim Heinemann der logische Kandidat für diese Kolumne: Als DTM-Leader zum zweiten Saisonwochenende in Zandvoort angereist, holte der langjährige Simracer in beiden Rennen keine Punkte, war in Zwischenfälle verwickelt und mehrmals neben der Strecke. Das muss nach so einem fulminanten Auftakt weh tun.
Doch wir dürfen eines nicht vergessen: Heinemann ist "Rookie", fuhr gerade sein drittes und viertes DTM-Rennen. Jahrelang krähte in der DTM kein Hahn nach ihm - und hätte er in Oschersleben nicht so aufgetrumpft, würde niemand von einer Zandvoort-Pleite sprechen.
Einer, der hingegen bereits seine zweite DTM-Saison bestreitet und auch dieses Jahr völlig überfordert ist, ist Alessio Deledda. Ja, genau derjenige, der in zahlreichen YouTube-Videos als "schlechtester Fahrer aller Zeiten" und "größte Enttäuschung im Motorsport" verschmäht wurde.
6,3 Sekunden Rückstand: Deleddas peinliche Formel-Karriere
Das hat einen Grund: Denn der inzwischen 28-jährige Römer, der erst im Alter von 22 Jahren mit dem Motorradsport begann und ein Jahr später in den Formelsport wechselte, holte 2018 in der italienischen Formel 4, 2019 und 2020 in der FIA-Formel-3-Meisterschaft und 2021 in der Formel 2 keinen einzigen Punkt.
Stattdessen fiel er mit fragwürdigen Crashes und bitteren Platzierungen auf: So wurde er zum Beispiel 2020 bei Campos in der Formel 3, als er sich seiner Teamkollegin Sophia Flörsch geschlagen geben musste, in einem Feld von 30 Fahrzeugen 34. - was darauf zurückzuführen war, dass sogar Gaststarter am Ende bessere Ergebnisse hatten. Platz 20 war damals sein Saison-Highlight.
Und auch die Monaco-Blamage bleibt in Erinnerung: 2021 war der damalige Formel-2-Pilot von HWA im Qualifying um über 6,3 Sekunden langsamer als die Pole-Zeit in seiner Gruppe, wodurch er trotz Einheitsautos an der 107-Prozent-Hürde scheiterte. Nur mit einer Ausnahmegenehmigung durfte er starten.
Deleddas Social-Media-Skandal
Dass er im falschen Moment Gas geben kann, bewies er 2020 mit einigen Skandalvideos auf Social Media: Denn Deledda veröffentlichte Aufnahmen, die ihn dabei zeigen, wie er in einem Verkehrsstau auf der Autobahn mit hoher Geschwindigkeit Slalom zwischen anderen Autos fährt. Und er filmte im Straßenverkehr auch sein Armaturenbrett, das Tempo 300 anzeigte.
Nach einem Shitstorm argumentierte er in einem grotesken Twitter-Statement, wonach er mit seinen Videos eigentlich nur ein Bewusstsein schaffen wollte gegen vergleichbare Schandtaten. Soweit zum Sündenregister des Italieners, der gerne mit nacktem Oberkörper am Strand posiert und seine Tattoos zeigt. Und trotz seiner Racing-Ambitionen vor Facebook-Profilbildern mit Zigarette nicht zurückschreckt.
Neustart im GT-Sport: In der DTM chancenlos
Doch dann kam das Jahr 2022 - und Deledda wollte im GT-Sport einen Neustart hinlegen. Okay, sich dafür ausgerechnet die DTM als härteste GT3-Serie der Welt mit einem Fahrer pro Auto auszusuchen, ist durchaus ambitioniert, aber jeder verdiente eine zweite Chance. Nach einem Jahr bestätigt sich aber, dass er offenbar an chronischer Selbstüberschätzung leidet.
Obwohl er nach einem Jahr DTM bei Grasser eigentlich Fortschritte machen sollte, wirkte er bei seinem neuen Team SSR in Zandvoort überforderter denn je. In fast jeder Session war der Teamkollege der beiden Lamborghini-Werksfahrer Franck Perera und Mirko Bortolotti neben der Strecke, im zweiten Qualifying flog er ab und verursachte den Abbruch, der dann auch die schlechten Startplätze seiner SSR-Teamkollegen auslöste.
Aber vor allem das Tempo ist schockierend: In beiden Qualifyings fehlten ihm in Zandvoort rund 2,9 Sekunden auf die Poleposition. Das ist eine Ewigkeit, wenn man bedenkt, dass die Top 23 von 27 Piloten am Samstag innerhalb von einer Sekunde lagen. Auch auf der kürzeren Strecke in Oschersleben hatte er als Letzter im Qualifying Respektabstand.
Hockenheim-Wunder: Wie er den einzigen Punkt holte
Aber geht zumindest im Rennen was? Fehlanzeige. Im zweiten Zandvoort-Rennen handelte er sich in nur zehn Runden einen Rückstand von rund zehn Sekunden auf den Vorletzten ein, während das restliche Feld eng beisammen lag. Am Samstag verlor er sogar noch mehr Zeit und wurde am Ende als einziger überrundet, nachdem er nur einmal aufgefallen war und nach den Stopps der Konkurrenten das Feld aufhielt.
Interessant ist, dass Ex-Teamchef Gottfried Grasser Ende des Vorjahres bei Deledda einen Aufwärtstrend erkannte. "Er braucht vor allem Kilometer", argumentierte der Österreicher. Und prompt wurde der Underdog für die Truppe aus Knittelfeld beim Saisonfinale in Hockenheim zu einer Art Matchwinner, als er wie durch ein Wunder als Zehnter seinen bisher einzigen Punkt holte. Und Lamborghini damit in der Herstellerwertung an Ferrari vorbeibrachte.
Klar hatte das auch damit zu tun, dass das Feld nach dem Crashfestival vom Vortag ausgedünnt war und nur zwölf Fahrer ins Ziel kamen (Ergebnis Hockenheim 2022). Und dass Deledda durch den Qualifying-Abbruch von Startplatz 14 losgefahren war, aber seine Rundenzeiten im Rennen waren durchaus in Ordnung.
Warum sieht Deledda dieses Jahr noch schlechter aus?
Von SSR wird der Paydriver, der von Lamborghini kurioserweise in den Nachwuchskader aufgenommen wurde, bei privaten Testfahrten dieses Jahr jedoch meist nicht berücksichtigt. Das darf nicht verwundern, denn das ehrgeizige Team strebt nach dem Wechsel von Porsche zu Lamborghini den Titel an und konzentriert sich auf die Arbeit mit Perera und Bortolotti.
© ADAC Motorsport
Zu langsam: Nur beim Start hatte Deledda (ganz rechts) Anschluss an das Feld Zoom
Das ist aber eine mögliche Erklärung, warum Deledda 2023 noch schlechter aussieht - abgesehen davon, dass vor allem Zandvoort für die Fahrer eine besondere Herausforderung ist.
Hat Deledda also im Motorsport nichts verloren? Das wäre zu hart. Deledda träumt seit dem Alter von acht Jahren von einer Rennfahrerkarriere, obwohl sich sein Vater lange querlegte, weil er den Sport für zu gefährlich hielt. Dass er sein Wirtschafts-Studium abbrach und seinen Traum doch noch verwirklichte, spricht für seine echte Begeisterung.
Dennoch wäre Deledda gut beraten, sich eine andere Serie zu suchen als die DTM, die sich bis zum Ende als Herstellerserie Ende 2020 dafür gerühmt hatte, ohne Paydriver auszukommen. Deledda ist der Prototyp eines Paydrivers - und auch ein Beweis dafür, dass sich die Zeiten in der DTM geändert haben.
Er selbst hätte aber mehr davon, wenn er sich einen Profi sucht, von dem er lernen kann - und mit ihm in einer Pro-Am-Serie das Cockpit teilt, anstatt sich von Werksfahrern jede Woche vorführen zu lassen.
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