• 24.09.2018 10:28

  • von Julia Spacek

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Warum wir glauben, dass Audi-Pilot Rene Rast eine schlaflose Nacht hinter sich hat und warum die Kritik einer vermeintlichen Audi-Teamorder ungerechtfertigt ist

Titel-Bild zur News: Nico Müller

Durch die Unterstützung von Müller und Rockenfeller bleibt Rast im Titelrennen Zoom

Liebe DTM-Freunde,

eigentlich müsste der Titel dieser Kolumne richtig lauten: wer VORletzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat. Warum? Weil ich dieses Mal Rene Rast dafür nominiere. Warum? Weil er am Samstag den Sieg von Mike Rockenfeller geschenkt bekam.

Nach dem Rennen war Rast anzumerken, dass es ihm unangenehm war, dass er auf dem Siegerpodest ganz oben stand und nicht Rocky.

Rasts Performance ist beeindruckend

Deshalb hätte er ihm auch den Siegerpokal geschenkt, wenn Rocky dies gewollt hätte. Vor kurzem sagte Rast noch, dass kein Rennfahrer einen Sieg geschenkt bekommen möchte. Und genau das ist ihm am Samstag widerfahren. Dass er am Sonntag auch gewonnen hat, weil sich der lange Zeit Führende Abt-Pilot Nico Müller bei Rasts Überholmanöver, nicht groß zur Wehr setzte, sehe ich nicht als einen "geschenkten Sieg" in dem Sinn.

Denn der amtierende DTM-Champion hatte im Rennen eine beeindruckende Pace und kam in Müllers Windschatten näher, ins DRS-Fenster und mit Geschwindigkeitsüberschuss vorbei. Vermutlich wäre er auch vorbeigekommen, wenn sich der Schweizer etwas mehr gewehrt hätte.

Im Hinblick auf die Meisterschaft hat Rast die Punkte sicherlich gerne mitgenommen. Und dennoch hätte er speziell den Sieg am Samstag lieber gerne aus eigener Kraft herausgefahren, so wie beispielsweise am Nürburgring.

Hut ab, Mike Rockenfeller und Nico Müller!

An dieser Stelle muss ich meinen Hut vor Mike Rockenfeller ziehen. Er hat auf den Sieg im ersten Rennen verzichtet - es wäre sein erster 2018 gewesen - um Rast im Spiel um den Titel zu halten. Respekt für dieses selbstlose verhalten. Auch an Nico Müller, der Rast zuerst vorbeiließ und es so überhaupt erst ermöglicht hat, dass Rast auf Rockenfeller aufschließen kann. Beide Audi-Fahrer haben auf ihren eigenen Erfolg verzichtet und so gehandelt, dass es für ihren Hersteller am besten ist.

Dass es seitens Audi keine Ansage gab, glaube ich ihnen auch. Denn seien wir mal ehrlich: Was am Samstag im Rennen alles passiert ist, ein solches Drehbuch hätte nicht mal Hollywood schreiben können.

Rockenfeller ist Sportsmann genug, ihm muss man nicht sagen, was er in der oder der Situation machen muss. Er macht einfach das, was er in dem Moment für richtig hält. Gleiches gilt für Müller.

Nico Müller

Der Zieleinlauf am Samstag: Rast vor Rockenfeller und Müller Zoom

Dass Gary Paffett nicht gefallen hat, zusehen zu müssen, dass Rast erneut den Abstand in der Meisterschaft verkürzt hat, ist verständlich. Dass er aber Audi-Teamorder vorwirft nicht.

Es war keine Teamorder, sondern Teamwork

Natürlich sieht es nicht schön aus, wenn am Ende eines packenden Rennens ein Fahrer dem anderen den Sieg schenkt. Wir alle möchten am liebsten denjenigen als Sieger sehen, der sich den Erfolg auf sportliche Art und Weise auf der Strecke erkämpft hat. Aber mal ehrlich: Teamorder, Teamwork - oder wie auch immer man es nennen möchte, das machen doch alle. Schon immer. Überall. Und werden sie auch immer so machen. Wenn es "um das große Ganze" geht, also um die Meisterschaft.

Angenommen, es wäre nicht Audi gewesen, die untereinander die Plätze getauscht hätten, sondern drei Mercedes, oder drei BMW. Dann hätte sich vermutlich Audi darüber beschwert, oder BMW, oder wer auch immer. Vermutlich hätten sie es nicht so offensichtlich gemacht, sondern auf einem anderen Weg. Wie dem auch sei, was ich eigentlich damit sagen will: Einen Platzaustausch unter Fahrern eines Herstellers hat es in der Vergangenheit schon gegeben und wird es auch in Zukunft geben. Und es ist auch nichts Ungewöhnliches, oder etwas, dass man zu diesem Zeitpunkt in der Saison verachten oder kritisieren darf.

Ob die Aufforderung dazu vom Hersteller kam oder die Entscheidung dazu von den Fahrern selbst getroffen wurde ist eher zweitrangig.

Am Ende zählt das Endergebnis in der Meisterschaft. Und wenn zum Beispiel Rene Rast in Hockenheim zwei oder drei Punkte für den Titel fehlen, dann müsste sich Audi wahrscheinlich von denjenigen, die ihnen Teamorder unterstellen, vorwerfen lassen, warum man so blöd war und KEINE Teamorder gemacht hat.

Nico Müller, Robin Frijns, Dieter Gass, Jamie Green

Audi feiert am Sonntag den 100. Sieg in der DTM Zoom

Wie man es macht, macht man es falsch.

Diejenigen, die eine Teamorder verurteilen, sollen sich mal in die Lage der Sportchefs oder Fahrer hineinversetzen. Die Sportchefs müssen zusehen, dass am Ende der Saison der Titel gewonnen wird. Die Fahrer werden von den Herstellern bezahlt und wollen sich natürlich den Ansagen des Arbeitgebers nicht widersetzen, um auch im nächsten Jahr einen Job zu haben. Wenn die Meisterschaft gewonnen ist, fragt ein paar Wochen später keiner mehr danach, WIE man den Titel gewonnen hat.

Wenn sich ein Fahrer dann aus freien Stücken dafür entscheidet, seinem Teamkollegen zu helfen, dann verdient er dafür keine Kritik, sondern Respekt.

Sollte Rast es tatsächlich schaffen, seinen Titel zu verteidigen, dann fragt kein Mensch mehr danach, warum er in Spielberg zwei Mal gewonnen hat. Was zählt ist das Ergebnis auf dem Papier. Und wenn es ihm tatsächlich gelingt, dann darf er sich auch über einen "geschenkten" Sieg freuen - und sich ein fettes Danke-Geschenk für Rockenfeller und Müller überlegen.

Und wenn Rast mal in die Situation kommen sollte, seinen Audi-Kollegen helfen zu müssen, dann ist er Sportsmann genug und steckt dann selbst zurück, davon bin ich überzeugt.

Ihre
Julia Spacek

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