• 15.05.2009 18:20

Ullrich: "Es gibt keine Alternative zur DTM"

Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich im Interview: Über Wirtschaftskrise, Sparmaßnahmen, Einheitsbudgets, neue Hersteller und Le Mans

(Motorsport-Total.com/SID) - Frage: "Am kommenden Wochenende startet die neue DTM-Saison. Wie groß ist die Gefahr, dass es für Audi angesichts der Wirtschaftskrise das letzte Jahr sein könnte?"
Wolfgang Ullrich: "Natürlich macht die Wirtschaftskrise praktisch nichts leichter und einfacher. Aber die DTM hatte schon immer eine gute Kosten-Nutzen-Rechnung. Es wird intensiv daran gearbeitet, die Kosten weiter zu reduzieren - mit dem Format der Zwei-Tages-Veranstaltung, aber auch mit Hilfe eines neuen Reglements. Wenn das gelingt, kann die DTM gestärkt aus der Krise hervorgehen. Denn der Sport, den die DTM bietet, ist spannend und spektakulär. Deshalb ist mir nicht bange um diese Serie. Im Übrigen sehe ich weit und breit keine vergleichbare Alternative zur DTM. Es ist die beste Tourenwagen-Serie Europas."

Titel-Bild zur News: Wolfgang Ullrich

Trotz Wirtschaftskrise: Wolfgang Ullrich sieht Audi für die Zukunft gut gerüstet

Frage: "Entlassungen, Kurzarbeit, Verluste - die Autobauer trifft die Krise besonders hart. Lohnt sich ein Engagement im Motorsport überhaupt noch?"
Ullrich: "Ich kann hier nur für Audi sprechen. Das erfolgreiche Motorsport-Engagement hat einiges dazu beigetragen, dass die Marke Audi heute die weltweite Nummer eins im Premiumsegment ist. Wir haben hervorragende Produkte und ein gutes Image, das Audi bestimmt auch den Erfolgen im Motorsport zu verdanken hat. Dass Audi weitaus geringere Rückgänge bei den Verkäufen zu verzeichnen hat als die Wettbewerber, ist kein Zufall. In wichtigen Märkten wie den USA oder Westeuropa baut Audi seine Marktanteile weiter aus. In China haben wir gerade einen Absatzrekord erzielt. Auch wir spüren die Krise, aber nicht ganz so stark wie viele Wettbewerber."#w1#

Frage: "Wie oft müssen Sie dem Vorstand Bericht erstatten?"
Ullrich: "Jeder im Vorstand weiß, dass der Motorsport für die Entwicklung der Marke Audi wichtig ist und interessiert sich daher auch sehr für das, was wir tun. Audi Sport ist Teil der Technischen Entwicklung der AUDI AG, mein Chef, Michael Dick, ist Vorstandsmitglied. Es findet ein permanenter Dialog statt. Unsere Vorstände werden nach jedem Rennwochenende informiert. In jeder Vorstandsitzung gibt es detaillierte Infos durch Herrn Dick."

"Wir wollen es anderen Automobilherstellern auch leichter machen, in die DTM einzusteigen." Wolfgang Ullrich

Frage: "Die DTM ist im Vergleich zur Formel 1 eine kostengünstige Rennserie. Müssen Sie trotzdem weiter Geld einsparen? Und wenn, wo kann man überhaupt noch sparen?"
Ullrich: "In diesem Jahr sparen wir zum Beispiel dadurch Kosten, dass die Veranstaltungen nur noch zwei statt drei Tage dauern. Das reduziert die Personal- und Reisekosten. Für die Zukunft gibt es noch Einsparpotenzial. Insbesondere die Autos müssen noch kostengünstiger werden. Wir wollen es anderen Automobilherstellern auch leichter machen, in die DTM einzusteigen. Wenn man weniger Autos einsetzen muss, sinken automatisch die Kosten."

Frage: "Verkauft Audi durch Erfolge in der DTM mehr Autos?"
Ullrich: "Ein erfolgreiches Motorsport-Engagement hat positiven Einfluss auf das Markenimage. Der Audi-Vorstand untersucht permanent die Zusammenhänge zwischen dem Motorsport-Engagement und den Verkäufen. Hier lässt sich ganz klar ablesen, dass die Marke Audi dann besonders gut dasteht, wenn sie im Motorsport besonders erfolgreich war."

Nein zu Einheitsbudget, ja zu neuem Reglement

Frage: "Würde ein Einheitsbudget wie in der Formel 1 auch der DTM helfen?"
Ullrich: "Ich halte das für einen falschen Weg. Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe eines Verbandes sein soll, Budgets zu kontrollieren. Man muss die Kosten durch sinnvolle Vorgaben seitens des Reglements in den Griff bekommen. Für einen Automobilhersteller ist es wichtig, dass es ein klares, stabiles Reglement gibt."

"Man muss die Kosten durch sinnvolle Vorgaben seitens des Reglements in den Griff bekommen." Wolfgang Ullrich

Frage: "Audi startet auch bei den 24 Stunden von Le Mans, obwohl man dort bereits alles gewonnen hat. Wird 2009 das Abschiedsrennen?"
Ullrich: "Warum sollten wir nicht versuchen, diese Erfolgsgeschichte fortzusetzen? Die 24 Stunden von Le Mans passen perfekt zu Audi. Wir können bei diesem Rennen neue Technologien einsetzten und Vorsprung durch Technik demonstrieren. Wir haben uns bewusst langfristig für die DTM und Le Mans entschieden, weil wir uns dort gut aufgehoben fühlen. Le Mans ist jedes Jahr eine neue Herausforderung und ein Motorsport-Event, der weltweit große Beachtung findet. In diesem Jahr ist unser Ziel, Effizienz zu dokumentieren und mit Ferrari in der ewigen Bestenliste auf Platz zwei gleich zu ziehen. Dann hätte nur noch Porsche mehr Siege in Le Mans."

Frage: "Audi setzt im Gegensatz zu Mercedes nicht auf bekannte Rennfahrer. Dabei wären Stars doch gerade in diesen schwierigen Zeiten besonders wichtig, um neue Fans zu gewinnen und zu begeistern. Was sagen Sie dazu?"
Ullrich: "Wir haben hier eine etwas andere Philosophie. Die meisten unserer Fahrer sind seit vielen Jahren bei uns und mit der Marke Audi gewachsen. Für uns und viele Fans sind sie im Übrigen auch Stars. Sie sind wesentlich authentischere Markenbotschafter als Fahrer, die von Marke zu Marke wechseln. Und noch einmal: es ist nicht so, dass wir keine bekannten Rennfahrer haben. Nehmen wir nur Tom Kristensen: Er ist in seiner Heimat Dänemark ein Sportidol und aufgrund seiner Le-Mans-Siege auch weltweit bekannt."

Frage: "Haben Sie keine Angst, dass Mercedes mit einem Ralf Schumacher Ihren Fahrern in der Medienresonanz die Schau stehlen könnte?"
Ullrich: "Klar bekommt Mercedes durch Ralf Schumacher eine große Medienresonanz. Aber für Schlagzeilen gibt es keine Meisterschaftspunkte. 2008 hat er diese Schlagzeilen am Saisonende nicht mehr gehabt. Uns geht es darum zu zeigen, dass Audi die besten Autos baut und mit einem sympathischen Team erfolgreich ist. Schlagzeilen um der Schlagzeilen willen, das ist nicht unser Ansatz. Wir unterscheiden immer noch zwischen positiven und negativen Headlines."

Wann kommt der dritte Hersteller?

Frage: "Ist das derzeitige DTM-Reglement noch zeitgemäß? Wie wäre es wieder mal mit zwei Sprintrennen? Das wären zweimal Show und Spektakel für Fans und Fernsehen ..."
Ullrich: "Die DTM hat sich vor einigen Jahren bewusst vom Format mit zwei Rennen gelöst, weil es besser ist, nur einen Sieger pro Wochenende zu haben. Aber natürlich wird immer darüber nachgedacht, wie man das Format noch attraktiver gestalten kann. So gibt es in diesem Jahr im Qualifying erstmals ein viertes Segment, in dem die schnellsten vier Fahrer noch einmal für eine Runde auf die Strecke gehen und um die Pole-Position kämpfen. Wir alle wollen, dass die Serie immer weiter an Attraktivität gewinnt und noch spannender wird. Glauben Sie mir, wir denken sehr intensiv in alle Richtungen."

"Ich bin zuversichtlich, dass es trotz Wirtschaftskrise gelingen wird, weitere Hersteller für die DTM zu begeistern." Wolfgang Ullrich

Frage: "Seit Jahren bemüht sich die DTM um weitere Hersteller. Haben Sie die Hoffnung schon aufgegeben oder warum klappt das nicht? Citroën soll offenbar ein Thema sein. Was ist da dran?"
Ullrich: "In Audi und Mercedes starten zwei Marken in der DTM, die im Motorsport so ziemlich alles gewonnen haben, was es zu gewinnen gibt. Entsprechend hoch ist das Niveau. Jedem Hersteller ist klar, dass es schwierig ist, gegen diese beiden Marken anzutreten - vor allem, wenn ein Regelwerk schon so lange gilt wie in der DTM. Deshalb wird es ein neues Reglement geben, das anderen Herstellern den Einstieg in die DTM erleichtern soll."

"Ich bin zuversichtlich, dass es trotz Wirtschaftskrise gelingen wird, weitere Hersteller für die DTM zu begeistern. Denn es gibt nur wenige Rennserien, die eine derart gute Kosten-Nutzen-Rechnung bieten. Der Kernmarkt der DTM ist Deutschland - ein Markt, der für jeden Automobilhersteller wichtig ist. Ich bin optimistisch und zuversichtlich, dass uns dieses gelingt. Wir wissen, dass die Fans diese Serie lieben, und eine Alternative zur DTM gibt es nicht. Wir sind unserer Verantwortung sehr bewusst. Am Thema DTM und ihren Partnerserien hängen direkt und indirekt rund 8000 Arbeitsplätze."

Frage: "Was hat Audi noch in der Pipeline, um sich auch in den nächsten Jahren auf der Motorsport-Bühne zu behaupten? Gibt es neben DTM und Le Mans nicht noch andere interessante Einsatzgebiete?"
Ullrich: "Wir haben in diesem Jahr mit unserem Sportwagen R8 LMS ein drittes Standbein, den Kundensportbereich, geschaffen. Diesen Bereich möchten wir in den nächsten Jahren sukzessive ausbauen. Durch das GT3-Projekt wird die Marke Audi in Zukunft bei so vielen Rennen auf der ganzen Welt vertreten sein wie noch nie zuvor. Audi Sport ist froh, dass wir den Rennsport auf diesem hohen Niveau betreiben dürfen. Mit den Sport-Prototypen, der DTM und dem seriennahen Kundensport für die GT3-Kategorie fühlen wir uns für die Zukunft gut gerüstet."