Timo Glock: Darum schenkte er BMW-Teamkollege Lucas Auer den Sieg
Wieso ein Gummiteil dafür sorgte, dass sich BMW-Pilot Timo Glock bei Lucas Auers Schlussattacke nicht wehrte und inwiefern er die Lage falsch einschätzte
(Motorsport-Total.com) - Was für ein Finale beim spektakulären DTM-Sonntagsrennen auf der Lausitzring-Grand-Prix-Strecke: Lucas Auer setzte sich eingangs der letzten Runde auf der Start-Ziel-Geraden neben seinen RMG-BMW-Teamkollegen Timo Glock, der wenig Gegenwehr zeigte - und fuhr daraufhin zu seinem fünften DTM-Sieg.

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Entscheidendes Manöver eine Runde vor Schluss: Auer überholt Glock Zoom
Doch wollte oder konnte sich der ehemalige Formel-1-Pilot nicht wehren? "Es ist hart, den ersten Platz in der letzten Runde zu verlieren", sagt Glock, der 1,210 Sekunden hinter Auer, aber nur 0,565 Sekunden vor Robin Frijns ins Ziel kam.
"Ich habe einfach ans große Ganze und an BMW gedacht und mir gesagt: 'Komm, ich lasse Lucas vorbei. Er kann das Rennen gewinnen und ich versuche, irgendwie den zweiten Platz zu retten.'"
Reifengummi-Teil löst bei Glock enorme Vibrationen aus
Aber wie kam es zu dieser Entscheidung? Auer hatte Glock bereits in der 25. von 34 Runden von der Spitze verdrängt, doch Glock konterte zwei Runden später - und setzte sich sogar leicht ab. "Aber dann hab ich leider vier Runden vor Schluss mit dem rechten Vorderreifen ein großes Stück Gummi in Kurve 10 erwischt. Ich habe es gerade noch gesehen und bin da mit Untersteuern rein, habe den Pick-up am rechten Vorderreifen gehabt. Das wurde ich einfach nicht los."
Das Ergebnis: "Ich hatte enorme Vibrationen, konnte nicht mehr ordentlich einlenken", offenbart Glock. "Deswegen habe ich die Hinterreifen deutlich mehr rangenommen, als ich wollte." Und so kam Auer wieder in Schlagdistanz und machte enormen Druck.
"Mein Ziel war es, so gut wie möglich aus der letzten Kurve zu kommen. Aber es hat dann nicht mehr funktioniert. Die Reifen waren hinüber", schildert Glock. "Den ganzen Weg von der letzten bis zur ersten Kurve dachte ich: Verteidige ich mich jetzt richtig, kämpfe um den Sieg und werden wir dann vielleicht noch von den Audis geschnappt, die spät gestoppt sind und frischere Reifen hatten?"
Glocks Fehleinschätzung: Auer hatte kein DRS mehr
Am Ende habe er sich dafür entschieden, Auer ziehen zu lassen. "Es war klar, das er noch DRS übrig hatte", so Glock. Doch das erwies sich später als Fehleinschätzung, denn der Österreicher hatte sein DRS bereits aufgebraucht. "Ich habe nur Push-to-pass verwendet", sagt Auer auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com' grinsend in Richtung Glock. Ob sich dieser anders verhalten hätte, wenn er das gewusst hätte? "Ich denke, dass er mit DRS noch schneller vorbei gekommen wäre", antwortet Glock.
"Ich wusste, dass die Audis frischere Reifen hatten. Ich habe die Schlange hinter mir gesehen. Da muss man nur eins und eins zusammenzählen. Wenn ich durch Kurve eins und zwei angreife, zerstören wir uns die Reifen. Und dann hätten die Audis uns gehabt. Ich habe mich dafür entschieden, nicht entschlossen zu verteidigen und das Spiel richtig zu spielen."
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Seiner Meinung nach "die richtige Entscheidung. Ich wollte ihm etwas Luft zum Atmen geben, damit er das Rennen gewinnt. Heute ging es um das Gesamtbild - den Sieg für BMW zu holen." Scherzhafter Nachsatz in Richtung des Teamneulings: "Für den Sieg, den ich ihm auf dem Silbertablett serviert habe, muss er ganz schön was springen lassen."
Auer: Reifenvorteil als Trumpf
Aber hat Auer das Gefühl, dass ihm der Sieg geschenkt wurde? Der Österreicher schüttelt den Kopf: "Ich habe hart um den Sieg gekämpft. Ich hatte ihn ja bereits einmal überholt - und dann hat er mich zurücküberholt. Dann habe ich entschieden: 'Das ist nicht gut für uns, wenn wir einander jetzt jede Runde überholen. Ich bleibe hinter Timo und schone meine Reifen. Und wenn ich es versuche, dann ganz am Ende'. Das hat dann funktioniert."
Auch für Auer war es schwierig, den richtigen Mittelweg aus Kontrolle und Risiko zu finden. "In einer Runde dachte ich: Okay, ich bin schneller als Timo. In der nächsten Runde dachte ich: Ich muss mich gegen die Audis verteidigen", war auch er zunächst unsicher. "Aber in den letzten paar Runden hatte ich noch etwas in den Reifen. Das hat geholfen und ich konnte es mir einteilen."


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