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Teamorder, FCY, etc.: DTM erklärt nachträgliche Änderung des Reglements

Das Thema Teamorder und die nachträglichen Änderungen in der FCY-Phase sorgen für Verwirrung: Die DTM-Dachorganisation ITR stellt sich den Fragen und klärt auf

(Motorsport-Total.com) - Die DTM-Dachorganisation ITR hat das im Januar eingereichte Reglement für die Saison 2022, das inzwischen vom deutschen Dachverband DMSB und von der FIA abgesegnet wurde, noch einmal geändert: Der Teamorder-Paragraph wurde überarbeitet, zudem darf man in der neuen Full-Course-Yellow-Phase nun doch seinen Pflichtstopp absolvieren (hier geht's zu den Änderungen).

Titel-Bild zur News: Marco Wittmann

Zum DTM-Reglement gibt es einige Unklarheiten: Die ITR sorgt für Aufklärung Zoom

Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' erklärt Layla Wagener, DTM-Managerin für Sport und Technik, was man mit den Änderungen bewirken möchte, was man als Teamorder versteht, wie die neue FCY-Phase funktioniert und wie man verhindern möchte, dass ein Fahrer dabei wie 2021 Lucas di Grassi in der Formel E in der Boxengasse überholt.

Frage: "Frau Wagener, warum wurde der Teamorder-Paragraph im Vergleich zum ursprünglich eingereichten Reglement für die Saison 2022 noch einmal geändert?"
Layla Wagener: "Wir sind da noch ein bisschen ins Detail gegangen, denn vom DMSB kam die Rückmeldung, dass wir den Ausdruck Teamorder genauer spezifizieren müssen, um sportrechtlich abgesichert zu sein. Wir haben uns also die Zeit genommen, um genau zu definieren, was Teamorder heißt und was wir nicht sehen wollen."

"Zudem kam vom DMSB zurück, dass wir mit dem Reglement ausschließlich die Fahrer und die Teams reglementieren können, weil es sich bei ihnen um die eingeschriebenen und sportrechtlich genannten Teilnehmer handelt. Wir mussten also das Wording anpassen, damit klar ist, dass die Bewerber/Fahrer keine Befehle befolgen dürfen, die das Renngeschehen beeinflussen."

Teamorder nicht nur herstellerübergreifend verboten

Frage: "Aus dem Wortlaut geht klar hervor, dass Teamorder auch unter direkten Teamkollegen verboten ist. Gerhard Berger hat aber immer wieder gesagt, dass er nur ein Problem mit herstellerübergreifenden Absprachen habe. Wie wird das in der Praxis gehandhabt?"
Wagener: "Jegliche Einflussnahme - innerhalb und von außerhalb des Wettbewerbers - ist unzulässig."

Frage: "Im Paragraphen steht, 'die Wettbewerber und/oder Fahrer sind verpflichtet, 100 Prozent ihres Könnens zu zeigen, um die bestmögliche Platzierung bei der Veranstaltung zu erreichen.' Wie kann man nachweisen, ob ein Fahrer 100 Prozent seines Könnens gezeigt hat oder nicht?
Wagener: "Die Beurteilung von Situationen, welche einen Grenzbereich des oben genannten darstellen, liegen im Ermessen des Renndirektors beziehungsweise der Stewards."

Frage: "Das ist aber nicht die einzige Änderung: Ursprünglich waren während der neu eingeführten Full-Course-Yellow-Phase Boxenstopps verboten, jetzt sind sie doch erlaubt. Warum?"
Wagener: "Wir haben die Stopps während der Safety-Car-Phase eingeführt, weil wir uns dadurch mehr Strategiemöglichkeiten für die Teams erhoffen. Denn bis zum Vorjahr haben wir beobachtet, dass alle früh reinkommen, weil niemand das Risiko eingehen möchte, seinen herausgefahrenen Zeitvorteil durch ein Safety-Car wieder zu verlieren."

Layla Wagener ist DTM-Managerin für Sport und Technik

Layla Wagener ist bei der ITR für die Bereiche Sport und Technik verantwortlich Zoom

"Dementsprechend ist die logische Konsequenz, dass das auch passieren kann, wenn Full-Course-Yellow einberufen wird. Die Teams haben uns rückgemeldet: Wenn weiterhin die Gefahr besteht, durch FCY den Zeitvorteil zu verlieren, dann bringt das nicht viel. Dementsprechend haben wir noch einmal nachgebessert und nachgezogen, damit wir dieses Jahr mehrere verschiedene Strategien ermöglichen können."

Frage: "Wann wird man in Zukunft auf FCY setzen und wann auf ein Safety-Car?"
Wagener: "Die Full-Course-Yellow-Phase ist grundsätzlich nur dafür da, um Kleinigkeiten auf der Strecke schnell aufzulösen. Sei es ein Marshall, der mal schnell auf die Strecke rennen muss, um Trümmer zu entfernen, oder ein Marshall der ungünstig auf der Strecke steht und den man schnell wegrufen muss."

Es geht darum, schnell eingreifen zu können und Situationen entschärfen zu können, ohne ein Safety-Car ausrufen zu müssen. Wir haben aber entschieden: Wenn wir eine FCY-Phase einführen, dann wollen wir trotzdem anschließend ein Pack-up und einen DTM-Restart haben, damit es spannend bleibt."

Frage: "Heißt das, dass nach FCY für den Re-Start trotzdem ein Safety-Car auf die Strecke kommt?"
Wagener: "Nein, nicht unbedingt. Wir haben ja eine Art Pack-up eingeführt, wie es das schon in der Formel E gibt. Das bedeutet, dass Scot (Elkins, neuer DTM-Rennleiter; Anm. d. Red.), wenn die Situation entschärft wurde, über Funk Kontakt zu den Fahrzeugen aufnimmt. Er sagt dann den hinteren, dass sie zum Leader aufschließen sollen."


Fotostrecke: Die DTM-Reglement-Änderungen 2022

"Der Vorderste nimmt dann die Position des Leading Cars ein und wartet, bis es ein Pack-up gibt. Und sobald Scot sagt, dass es gut aussieht, gehen alle wieder in diese Doppelformation. Und der Re-Start wird eingeleitet, nur ohne Safety-Car."

So funktioniert die neue FCY-Phase in der DTM

Frage: "Kann ein Rennen in der Runde, in der FCY ausgerufen wurde, schon wieder freigegeben werden?"
Wagener: "Das kommt auf die Rennstrecke an, ist aber schwierig. Die Race-Control wird sich das im Vorhinein an der jeweiligen Rennstrecke anschauen und dann entscheiden, ob dort eine FCY-Phase Sinn ergibt oder nicht. Man kann mit Sicherheit sagen, dass wir es am Norisring nicht einsetzen werden, weil die Strecke zu kurz und die Boxengasse zu eng ist."

"Ich gehe aber davon aus, dass das nicht in einer Runde getan ist. Denn bis sich die Fahrer wieder formiert haben und das Feld beisammen ist, vergeht mit Sicherheit mehr als eine Runde."

Frage: "Ist der Vorteil von FCY, dass man durch die Geschwindigkeitsbegrenzung die Gefahr besser eindämmen kann, wenn Wrackteile auf der Strecke liegen? In einer Safety-Car-Phase können die Piloten noch Gas geben, bis sie zum Feld aufgeschlossen haben."
Wagener: "Ganz genau. Ein gutes Beispiel war das letzte Formel-1-Rennen in Dschidda, bei dem auch einmal ein Marshall auf der Strecke war. Man hat zuerst auf ein VSC (Virtual Safety-Car; Anm. d. Red.) gesetzt und danach das Safety-Car rausgeschickt. Es kann also gut sein, dass auch wir das koppeln und man sagt: Sofort alle langsam, deswegen FCY - und danach kommt das Safety-Car raus."

Frage: "Warum wurde das Tempo bei FCY von 60 auf 80 km/h angehoben?"
Wagener: "Das liegt daran, dass uns rückgemeldet wurde, dass die Fahrzeuge sonst Probleme bekommen könnten, weil alles abkühlt. Es hat aber auch damit zu tun, dass auf manchen Strecken Teams auf die Idee kommen könnten, durch die Boxengasse abzukürzen. Und mit Tempo 60 in der Boxengasse schneller wären als die anderen Fahrzeuge mit 60 km/h auf der Strecke."

So soll der Fall Lucas di Grassi verhindert werden

Frage: "So wie bei Lucas di Grassi beim Formel-E-Rennen in London 2021, der in der Safety-Car-Phase durch die Boxengasse fuhr und so an die Spitze kam?"
Wagener: "Genau. Das wollten wir vermeiden. Deswegen haben wir auch noch ergänzt, dass man während FCY nur an die Box kommen darf, wenn auch wirklich Arbeiten am Fahrzeug durchgeführt werden oder ein Pflichtstopp abgeleistet wird."

Frage: "Unter FCY kann eine Runde bei Tempo 80 mehrere Minuten dauern. Und nur ein Auto pro Team darf stoppen. Was passiert, wenn ein Fahrer dadurch keine Möglichkeit mehr hat, innerhalb des Boxenstopp-Fensters, das von Minute 10 bis Minute 40 gilt, zu stoppen? Soll das als Spannungselement dienen?"
Wagener: "Nein. Grundsätzlich wollen wir niemanden benachteiligen. Deswegen haben wir im Reglement bei Artikel 23.1, in dem das Fenster für den Pflichtboxenstopp beschrieben wird, nachgeschärft. Wir behalten es uns vor, die Zeit anzupassen, wenn es zu einem Safety-Car oder einer FCY-Phase kommt. Dadurch hat die Race-Control die Möglichkeit, noch einmal drei bis fünf Minuten dranzuhängen, damit jeder an die Box kommen kann."

Frage: "Um einen Punkt für die schnellste Rennrunde zu kassieren, ist es jetzt doch nicht nötig, in die Top 10 zu kommen. Stattdessen reicht die Zielankunft."
Wagener: "Wir haben den Passus ursprünglich aus der Formel 1 übernommen - und dann nachgeschärft. Die Formel 1 will ja eigentlich verhindern, dass am Ende des Rennens ein schwächerer Fahrer eingesetzt wird, um das Feld mit neuen Reifen aufzumischen."

"Durch unser Reifenreglement kann das aber gar nicht passieren, denn die Teams sind so limitiert mit ihren Reifenkontingenten, dass sie ohnehin keinen zusätzlichen Reifensatz übrig haben. Daher gehen wir nicht davon aus, dass das als Strategietool genutzt wird und geben jedem die Möglichkeit, diesen Extrapunkt zu bekommen."

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