• 23.05.2010 18:48

  • von Christian Nimmervoll & Stefanie Szlapka

Sportchefs uneinig: Langweilig oder spannend?

Wolfgang Ullrich hat in Valencia ein spannendes Rennen gesehen, Norbert Haug nicht - Analyse des zweiten Saisonlaufs durch die beiden Sportchefs

(Motorsport-Total.com) - Die heutigen 45 Runden in Valencia mit dem souveränen Sieg von Mattias Ekström haben in den deutschen Wohnzimmern wahrscheinlich niemanden vom Hocker gerissen, doch das war auf dem kurvenreichen Circuit Ricardo Tormo auch nicht anders zu erwarten. Die Strecke, auf der oftmals auch die Formel 1 testet, ist zwar fahrerisch und körperlich anspruchsvoll, lässt aber kaum Überholmanöver zu.

Titel-Bild zur News: Mattias Ekström

Start in Valencia: Überholmanöver gab es noch weniger als Zuschauer...

Trotzdem findet Wolfgang Ullrich, dass der zweite Saisonlauf "sehr spannend und sehr hart" war: "Die Temperaturen und diese Rennstrecke fordern den Fahrern und dem Material alles ab, aber ich denke, wir haben ein sehr gutes Tourenwagenrennen gesehen", sagt der Audi-Sportchef. Das sieht Mercedes-Kollege Norbert Haug jedoch ganz anders: "Es war leider kein sehr spannendes Rennen, was natürlich auch mit uns zu tun hatte."#w1#

Valencia keine ideale Strecke

"Ganz ideal stellt sich die Rennstrecke leider nicht dar", argumentiert er weiter. "Es ist sicherlich eine sehr fordernde Strecke, was auch Barcelona zum Beispiel ist, nur manchmal produzieren diese Strecken nicht die besten Rennen. Natürlich ist es besser, wenn die Marken Druck aufeinander machen können, was heute sicher nicht der Fall war. Deswegen gab es heute nicht den ganz großen spannungsgeladenen Knüller."

Sportlich betrachtet ist der Deutsche beeindruckt vom Speed, den Sieger Ekström und Martin Tomczyk gezeigt haben: "Den hätten wir heute nicht reproduzieren können. Tomczyks langer erster Stint war im Nachhinein betrachtet wohl die richtige Strategie", gesteht Haug. Allerdings ist er auch davon überzeugt, dass Mercedes unter Wert geschlagen wurde - möglicherweise wegen eines marginal falschen Rennsetups.

"Bei den Longruns im Warmup sah alles prima aus", wundert er sich. "Wahrscheinlich haben sich die Bedingungen verändert. Da muss man ein bisschen antizipieren und gucken, wie man sich drauf einstellt. Das ist ein sehr sensibles Geschäft, was uns offensichtlich nicht ganz gelungen ist. Deswegen konnten wir nie richtig angreifen, sondern mussten eher verteidigen. Es hätte besser, aber auch schlechter laufen können. War halt nicht unser Tag."


Fotos: DTM in Valencia, Sonntag


"Wir konnten den Speed vom Qualifying nicht umsetzen", wiederholt Haug, nimmt seine Ingenieure und Fahrer aber demonstrativ in Schutz: "Ich mache unseren Jungs dafür keinen Vorwurf, denn man kann nur ganz knapp daneben sein und das hat dann schon große Auswirkungen. Wir haben es heute sicher nicht auf den Punkt getroffen. Das ist uns am Freitag, am Samstag und im Warmup besser gelungen."

Bei Audi darf man hingegen nach der Klatsche von Hockenheim über den ersten Saisonsieg jubeln. "Ich freue mich natürlich, dass Mattias und Martin die ersten beiden Plätze belegen konnten und dass wir auch dahinter noch eine sehr starke Teamleistung hatten. Leider hat es Oliver Jarvis, der an dritter Stelle gelegen ist, wegen eines technischen Problems, zu dem ich derzeit noch nichts sagen kann, nicht geschafft, als Dritter am Podium zu stehen", bilanziert Ullrich.

Aus Hockenheim Lehren gezogen

"Ich denke, wir haben nach Hockenheim gut zurückgeschlagen, wo wir viele Probleme hatten und unter der Problematik gelitten haben, dass unsere Reifen ganz einfach nicht so funktioniert haben, wie wir uns das vorgestellt haben. Die Arbeit hat sich ausgezahlt und ich denke, wir haben heute einen guten Mittelweg zwischen Performance und Haltbarkeit gefunden. Das hat am Ende dann auch das Rennen geprägt. Die Performance unserer Autos war sehr gut und konstant gut", analysiert er.

Mattias Ekström und Wolfgang Ullrich

Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich mit dem heutigen Sieger Mattias Ekström Zoom

Und weiter meint der Audi-Sportchef: "Strategisch und von den Boxenstopps her hat auch alles gepasst, somit auch ein Lob an das Team. Zum Schluss haben wir vielleicht ein heißblütiges Rennen gesehen, aber im Tourenwagensport wird es immer wieder diskutiert, wenn so etwas vorkommt. Ich möchte es mir aber in Ruhe anschauen, bevor ich es wirklich kommentiere. Die Zeit hatte ich leider nicht, denn es ist sehr viel anderes passiert, auf das ich mich konzentrieren musste."

Nun richtet sich der Blick nach vorne, denn der Lausitzring gilt als Mercedes-Terrain. Audi möchte mit der Moralinjektion von heute jedoch auch dort ein gutes Ergebnis holen, um in der Meisterschaft dranzubleiben. Sieger Ekström liegt in der Gesamtwertung nur noch einen Punkt hinter Spitzenreiter Bruno Spengler. Dritter ist Gary Paffett, doch in Wahrheit ist nach zwei von insgesamt zehn Rennen noch alles völlig offen.

"Wir führen nicht, aber wir konnten in der Meisterschaft aufholen", so Ullrich. "Mattias ist einen Punkt hinten und dahinter liegen Mercedes- und Audi-Fahrer sehr eng beisammen. Das ist typisch für diese Meisterschaft. Es ist immer eng - und nach diesem Sieg weiß ich, dass die Jungs von Mercedes nur ein Ziel haben, nämlich am Lausitzring zurückzuschlagen. Wir werden wie hier versuchen, dagegenzuhalten."

Haug fügt an: "Insgesamt haben wir uns zumindest so verteidigt, dass die Meisterschaftsführung nach zwei Rennen bei Bruno ist. Alles ist dicht beieinander, alles ist offen. Wir konnten hier wirklich nicht attackieren, insofern ist der Zwischenstand okay. Ich denke, dass wir am Lausitzring grundsätzlich ganz gut aufgestellt sein sollten. Klar ist, dass nicht jedes Rennen wie Hockenheim ausgeht - das wäre für uns eine Weile lustig, aber für die Gegner nicht und für die Zuschauer auch nicht."